Die Schlaf-, Haus- und Hygieneausstattung Christoph Daniel von der Schulenburgs im Inventar von 1752: Neben der offiziellen Repräsentationskleidung erweist sich der Abschnitt zur Schlaf-, Haus- und Hygieneausstattung im Garderobeninventar Christoph Daniel von der Schulenburgs als ein besonders aufschlussreiches Zeugnis adeliger Selbstführung im Inneren des Hauses. Die Liste enthält eine Vielzahl an Kleidungsstücken, Accessoires und Pflegeinstrumenten, die nicht für das öffentliche Auftreten, sondern für den privaten Rückzug, die Körperpflege und die Ordnung des häuslichen Alltags bestimmt waren. In ihrer Dichte und Differenziertheit erlaubt die Quelle Rückschlüsse auf die gelebte Intimität, aber auch die sozialen Grenzziehungen innerhalb der aristokratischen Wohnkultur der Mitte des 18. Jahrhunderts.
Kleidung für Rückzug, Schlaf und Komfort
Ein zentrales Element bilden die Haus- und Schlafroben, darunter etwa der „blaue Droguette-Schlafrock mit silbernen Knöpfen“, ein „grüner Mattheser Schlafrock mit rotem Futter“ oder ein „grauer Schlafpelz“. Die Stoffwahl – Droguette, Damast, Moiré, Brokat, Seide, Petit Gris – verweist trotz der funktionalen Verwendung auf die hohe materielle Wertigkeit der Kleidungsstücke. Die Trennung von Tag- und Nachtkleidung, ergänzt durch saisonale Varianten (Pelze, Sommerroben), zeigt die Etablierung einer bürgermoralisch durchwirkten Schlafkultur¹, die sich im Adel mit besonderer Textilpracht verband.
Die Einträge zu Pantoffeln aus Brocadell, gestickten Hausmützen, Carthager Mützen und Bonnet-Kappen lassen erkennen, dass selbst in der Privatsphäre ästhetisch kodierte Übergänge zwischen Kleidung und Entkleidung beachtet wurden². Die Kombination aus Funktion und Luxus, aus Wärme, Komfort und Stofflichkeit dokumentiert die stilisierte Intimität höfischer Privatheit.
Der hygienische Körper im aristokratischen Alltag
Die Aufnahme von Barbierwerkzeug (Schertasche mit sechs Rasiermessern, zwei Scheren), Waschservietten, Barttüchern sowie einer Klistierspritze („seringue pour lavements“) in das Garderobeninventar belegt den hohen Stellenwert der Körperhygiene und -disziplinierung³. Diese Objekte verweisen auf das Ideal eines gepflegten, funktionalen Körpers – nicht als Selbstzweck, sondern als Voraussetzung für Gesundheit, Würde und Repräsentationsfähigkeit.
Körperpflege war im 18. Jahrhundert zunehmend Gegenstand medizinischer und moralischer Diskurse⁴. Besonders Adlige, die im Militär oder in der Diplomatie wirkten, galten als „Sichtträger des Staates“ und mussten daher auch in privaten Lebensvollzügen normativ funktionieren. Die Nähe von Hygieneausstattung zur Garderobe dokumentiert das Ineinandergreifen von Körperpflege und textiler Ordnung.
Textilien als Zeichen privater Kontrolle
Das Vorhandensein von Hausmützen, Kappen, Halstüchern, Innenhemden und Unterkamisolen verweist zudem auf eine ausgeprägte Differenzierung der Kleidung nach Tageszeit, Funktion, sozialer Sphäre und Aufenthaltsort im Haus. Die Ausstattung ist nicht zufällig, sondern offenbar systematisch geplant und auf Vorrat gehalten. Besonders die Vielzahl an Schlafmützen – 15 italienische Sommermützen, Baumwollhauben, gestickte Varianten – lässt erkennen, dass auch im Schlaf das „soziale Kostüm“ des Adligen nie ganz abgelegt wurde⁵.
Diese Textilien waren nicht nur Ausdruck persönlicher Bequemlichkeit, sondern auch Teil der Selbstbeobachtung und Selbststeuerung, die im Kontext von Pietismus, frühaufklärerischer Ethik und militärischer Disziplin zur Lebenshaltung wurde⁶. Kleidung wurde zum Medium moralischer Balance – ein Gedanke, der sich im Inventar auf subtile Weise niederschlägt.
Fazit
Die Schlaf-, Haus- und Hygieneausstattung Christoph Daniel von der Schulenburgs ist Ausdruck einer frühmodernen Kultur der inneren Ordnung, Disziplin und gepflegten Privatheit. Die Gegenstände zeigen nicht nur die materielle Vielfalt des 18. Jahrhunderts, sondern verweisen auf ein feines Zusammenspiel aus Funktion, Mode, Ethik und Körperpolitik. Im Zentrum steht dabei das Ideal eines kontrollierten, geordneten und zugleich ästhetisch aufgeladenen Alltags, in dem selbst der Schlaf – der Inbegriff von Entkleidung – als Ort der sozialen Form begriffen wurde.
Literaturhinweise
- Vgl. Ulinka Rublack: Dressing Up. Cultural Identity in Renaissance Europe, Oxford 2010, S. 137–148; zur Entwicklung im 18. Jahrhundert s. auch Aileen Ribeiro: Dress and Morality, Oxford 1986.
- Daniela Bohde / Nadine Akkerman (Hg.): The Cultural History of Hair, Vol. 4: The Age of Enlightenment, London 2020.
- Alain Corbin: Die Geschichte des Körpers, Bd. 3: Vom 18. Jahrhundert bis heute, Frankfurt am Main 1994, S. 9–43.
- Vgl. Roy Porter: The Greatest Benefit to Mankind: A Medical History of Humanity from Antiquity to the Present, London 1997, Kap. 9.
- Susan Vincent: The Anatomy of Fashion: Dressing the Body from the Renaissance to Today, Oxford 2009, S. 115–129.
- Barbara Stollberg-Rilinger: Zeremoniell, Ritual, Symbol. Das politische Herrschaftszeichen im Alten Reich, München 2013, S. 201–214.