Christoph Daniel im Feld
Zwischen den grünen Damasttapeten seines Kabinetts, den vergoldeten Hirschfängern, den verzierten Flinten aus Pistoria und dem sardinischen Pulverhorn ruhen auch jene Waffen, die Christoph Daniel Freiherr von der Schulenburg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit selbst im Feld geführt hat. Sie sind weniger prachtvoll als andere, unscheinbarer in der Beschreibung, aber gerade dadurch umso aussagekräftiger: Es sind die Werkzeuge eines Mannes, der auf den Schlachtfeldern des Piemont stand, in sardischen Diensten kommandierte und seinen Rang nicht allein im Schreibzimmer errang.
Der Degen – die Waffe der Standhaftigkeit
Im 18. Jahrhundert war der Degen fester Bestandteil der Offiziersuniform – nicht nur Zier, sondern Zeichen der Wehrfähigkeit, des persönlichen Muts, der „ständischen Ehre“. In keiner Armee Europas hätte sich ein General ohne Seitenwaffe gezeigt; ein Degen war sowohl Verteidigungswaffe als auch Symbol – ein Stab ohne Insignie.
Der im Inventar genannte „Degen von Prineesbeck“ steht exemplarisch für diesen Typus. Ob es sich dabei um ein Erinnerungsstück oder eine tatsächlich geführte Klinge handelt, lässt sich nicht zweifelsfrei klären. Doch dass Christoph Daniel auf dem Feld einen vergleichbaren Degen trug – wohl schlicht, robust, aber elegant – steht außer Frage. Mit ihm inspizierte er Truppen, führte Besichtigungen durch, war präsent in Etappenorten und Lagern. Der Degen war dort, wo sein Träger war – ein körpernahes Bekenntnis zur Verantwortung.
Das Pistolenpaar – das Werkzeug des Reiters
Noch intimer wird die Beziehung bei jenem Paar kleiner Pistolen, das im Inventar schlicht als „welche Christoph ordin. hat“ bezeichnet wird. Sie sind nicht benannt, nicht verziert, nicht mit Herkunftsangaben versehen – und doch enthalten sie mehr Geschichte als manches Prunkstück.
Diese Pistolen dürften jenen Standardmodellen entsprechen, wie sie Offiziere zu Pferde im Sattelhorn führten: kompakt, zuverlässig, schnell zur Hand. Nicht für den Fernkampf gedacht, sondern für den Moment der Unmittelbarkeit – bei Patrouillen, bei Überfällen, beim Schutz diplomatischer Kuriere. Sie zeigen Schulenburg nicht als Sammler, sondern als Feldherr, der bereit war, selbst in prekärer Lage zu handeln.
In ihrer Schlichtheit offenbaren sie eine Wahrheit, die in vielen Kabinetten verschleiert bleibt: dass es Waffen gibt, die nicht ausgestellt werden sollen, sondern geführt wurden – und deren Patina der Abrieb gelebter Realität ist.
Der Musquetton – der Begleiter im Dienst
Als dritte Waffe kommt der Musquetton mit Perlmutter und Elfenbein in Betracht – ein scheinbarer Widerspruch: luxuriös und doch praktisch, kunstvoll und doch funktional. Es ist gut möglich, dass dieser Musquetton, der heute wie ein Sammlerstück wirkt, einst in schlichtem Zustand auf dem Feld geführt wurde – in Schulenburgs jüngeren Jahren, als er noch nicht General, sondern Hauptmann war.
Solche Kurzgewehre waren bei Reiterei und Stabsoffizieren beliebt: leichter als Musketen, schneller zu laden, kompakter zu tragen. Der Einbau von Perlmutter und Elfenbein könnte später erfolgt sein – als eine Art nachträgliche Nobilitierung durch Erinnerung. Die Waffe wurde nicht mehr getragen – sie wurde bewahrt, gleichsam geadelt durch das, was sie erlebt hatte.
Die Metamorphose der Waffen
Diese drei Waffen – der Degen, die kleinen Pistolen und der Musquetton – bilden das unsichtbare Zentrum der Sammlung. Sie sind nicht die prächtigsten, nicht die exotischsten, nicht die wertvollsten. Aber sie sind Zeugen der Bewegung, der Gefahr, der Verantwortung. Sie haben Marsch und Regen, Angst und Befehl erlebt. Und nun ruhen sie im Kabinett – verwandelt in Zeichen.
Wie bei vielen adligen Militärs des 18. Jahrhunderts ist auch bei Christoph Daniel die Verwandlung von Funktionsgerät in Bedeutungsträger der entscheidende Schritt: Aus der Waffe wird ein Erzählobjekt. Der Degen hängt nicht mehr am Gürtel, sondern ruht auf Damast. Die Pistolen werden nicht mehr geladen, sondern katalogisiert. Der Musquetton wird nicht mehr geschultert, sondern bestaunt.
Diese Metamorphose spiegelt einen tieferen Wandel: Jener Mann, der im Feld das Kommando führte, wird im Kabinett zum Kurator seines eigenen Lebenslaufs. Er selbst hat die Waffen nicht nur geführt – er hat auch entschieden, welche davon bleiben sollen. Nicht alle. Nur jene, die ihn wirklich ausmachten.
Literaturverweise
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Schulenburg, Alexander / v. Krosigk, Klaus-Henning: Publikation Angern, 2022 .
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Landesarchiv Magdeburg, Rep. H Angern Nr. 76: Inventarverzeichnis Schloss Angern, Januar 1752 .
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Elias, Norbert: Über den Prozeß der Zivilisation, Frankfurt a. M. 1976.
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Funcken, Liliane & Fred: L’armement au XVIIIe siècle, Paris 1975.
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Wüstefeld, Thomas: Kriegsgerät im höfischen Raum, in: Müller (Hrsg.): Waffen als Kulturgut, 2004.