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3. Der historische Kontext: Waffenbesitz in der Zeit des Rokoko
Stand, Stil und Symbol in einer Epoche der Verfeinerung
Der Besitz von Waffen im 18. Jahrhundert war mehr als eine Frage der Funktion – er war eine Aussage über Rang, Bildung, politisches Selbstverständnis und kulturelle Zugehörigkeit. Besonders im Zeitalter des Rokoko, das etwa von 1720 bis 1780 die Formen höfischen Lebens durchdrang, erhielt der Waffenbesitz neue Dimensionen: Er wurde zum Teil einer ästhetischen Lebensführung, die Gewalt nicht verleugnete, sondern verfeinerte.
In dieser Epoche verschob sich die Bedeutung der Waffe. Während im 17. Jahrhundert das Schwert noch als aktives Insigne der Wehrfähigkeit galt, wurde es im Rokoko zunehmend zu einem Zierat des Standes. Der Degen war Teil der höfischen Kleidung – so selbstverständlich wie der Schnallenschuh, die Perücke oder das Parfum. Ebenso wurden Jagdflinten, Pistolen oder gar Säbel nicht mehr ausschließlich zur Selbstverteidigung mitgeführt, sondern als gesellschaftlich codierte Accessoires, die Stil, Herkunft und Geschmack ausdrückten. Waffen wurden zur Mode.
Diese Entwicklung geht einher mit dem, was Norbert Elias als „Zivilisierung des Kriegeradels“ beschreibt: Der frühneuzeitliche Ritter, dessen Gewaltbereitschaft das Fundament seiner sozialen Geltung war, wurde im Absolutismus diszipliniert, reglementiert – in höfische Etikette eingebunden. Der Adel musste lernen, Gewalt zu repräsentieren, nicht mehr ungefiltert auszuüben (vgl. Elias, Über den Prozeß der Zivilisation, 1939/1976).
Gerade vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum sich ein General wie Christoph Daniel von der Schulenburg – ein hochrangiger Offizier in den Diensten des Königs von Sardinien – nicht nur mit funktionalen Waffen umgab, sondern mit Prunkstücken, Exoten und kunstvollen Mechanismen. Seine Sammlung spiegelt die Anforderungen eines höfischen Offiziers, der ebenso mit dem Degen wie mit dem Diplom umzugehen wusste. Der Besitz türkischer, italienischer und spanischer Waffen signalisiert weltläufige Erfahrung, transkulturelle Kompetenzen und ästhetisches Feingefühl – Tugenden, die ein erfolgreicher Militärdiplomat im 18. Jahrhundert verkörpern musste.
Das Rokoko selbst war eine Kunst des Leichten, des Verspielten, des Ornamentalen. Es verließ die schwere Pracht des Barock und suchte Eleganz in fließenden Linien, floralen Motiven und kontrastreichen Materialien. Diese Stilmittel finden sich auch in den Waffen Schulenburgs wieder: in damaszierten Läufen, in vergoldeten Beschlägen, in Schildpattgriffen und Perlmuttereinlagen. Waffen werden zu Kunstobjekten – und zugleich zu Trägern einer männlichen, adligen Identität, die sich zunehmend über Geschmack und Stilsicherheit definierte.
Zugleich war der Waffenbesitz im 18. Jahrhundert rechtlich reglementiert: Nur bestimmten Ständen war das Tragen bestimmter Waffentypen erlaubt. In Preußen etwa war das Tragen von Degen Offizieren und Beamten vorbehalten, während Bauern und Bürger sich mit Messern oder Stangenwaffen begnügen mussten (vgl. Lutz Schilling: Adlige Jagd im Alten Reich, 1994). Auch dies verleiht Schulenburgs Sammlung einen exklusiven Charakter – sie ist Ausdruck seiner Stellung in der Sozialhierarchie, seiner Legitimation zur Gewalt wie zur Repräsentation.
Nicht zuletzt waren Waffen auch Träger persönlicher Erinnerung: Jagderlebnisse, Feldzüge, diplomatische Missionen verdichteten sich in einem einzelnen Gegenstand. So wie ein Porträt eine Erinnerung an die Person fixiert, so fixierte eine Waffe die Erinnerung an einen konkreten Einsatz – oder an die Möglichkeit von Einsatz. In dieser Hinsicht wird Schulenburgs Sammlung zu einer Autobiografie in Eisen und Holz, einem materiellen Archiv der Biografie eines Generals, der nicht nur kämpfte, sondern sammelte, selektierte, präsentierte – ganz im Sinne eines aufgeklärten Adels, der die Gewalt symbolisch gezähmt und ästhetisch sublimiert hatte.
Literaturverweise
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Elias, Norbert: Über den Prozeß der Zivilisation, Frankfurt a. M. 1976.
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Schilling, Lutz: Adlige Jagd im Alten Reich, Göttingen 1994.
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Wille, Claudia: Mode und Macht – Hofkleidung im 18. Jahrhundert, Berlin 2007.
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Ebert-Schifferer, Sybille: Kunstkammern der Renaissance, München 2002.
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Funcken, Liliane & Fred: L’armement au XVIIIe siècle, Paris 1975.