Burg Angern
Die um 1340–1350 gegründete Burg Angern bewahrt in seltener Geschlossenheit die originale Bau-, Erschließungs- und Verteidigungsstruktur einer hochmittelalterlichen Wasserburg und nimmt damit eine herausragende Stellung innerhalb der norddeutschen Burgenlandschaft ein.

Der südliche Gewölberaum im Palas der Burg Angern: Bauhistorische Analyse und funktionale Deutung. Die Entdeckung des südlichen Gewölberaums im Erdgeschoss des Palas von Burg Angern erweitert das Verständnis der inneren Struktur und Nutzung der hochmittelalterlichen Anlage erheblich. Der Gewölberaum, seine Lage, Bauweise und der architektonische Kontext, insbesondere im Hinblick auf die darüberliegende Brückenverbindung zum Bergfried, liefern wertvolle Hinweise auf seine ursprüngliche Funktion.

Bauliche Merkmale des südlichen Gewöleraums

Der südliche Gewölberaum liegt unmittelbar südlich des tonnengewölbten Flurs, ist jedoch durch eine massive Trennwand baulich eigenständig organisiert. Er ist durch mindestens zwei hochliegende Fenster in der Ostwand des Palas belichtet, die heute zugemauert sind. Die ursprüngliche Ausführung der Fenster lässt auf kleine, segmentbogenförmige Öffnungen schließen, die Licht, aber keine größere Angriffsfläche bieten sollten.

Das Gewölbe des Raumes ist vermutlich ein einfaches Tonnengewölbe aus Bruchstein, analog zum benachbarten Flurbereich. Ein direkter Zugang vom Flur existiert nach heutigem Befund nicht, was auf eine gesonderte Erschließung hinweist.

Mögliche Erschließung und Raumfunktion

Da der Gewölberaum nicht vom Hauptflur aus zugänglich ist, liegt die Vermutung nahe, dass er entweder:

  • über einen separaten Zugang vom Hof,

  • oder über einen internen Zugang von einem benachbarten Gebäudetrakt aus,

  • oder über eine vertikale Verbindung (z.B. Treppe) aus einem oberen Geschoss erreichbar war.

Aufgrund der Lage und Bauweise ergeben sich mehrere funktionale Deutungen:

  1. Wirtschafts- oder Vorratsraum:

    • Typische Nutzung für Lagerung von Getreide, Wein oder Gerätschaften.

    • Eigenständige Erschließung erhöhte die Sicherheit sensibler Vorräte.

  2. Teil eines Verteidigungssystems:

    • Der Raum könnte als gesicherter Rückzugsraum oder Zwischenlager bei Belagerungen gedient haben.

  3. Statik- und Fundamentfunktion:

    • Besonders interessant ist die Möglichkeit, dass der südliche Gewölberaum eine statikrelevante Rolle für die über dem Palas verlaufende Brückenkonstruktion zum Bergfried spielte.

    • Ein massiver, nicht unterteilter Gewöberaum unterhalb der Brücke hätte die aufliegende Last optimal verteilt und die Stabilität der Brückenverbindung verbessert.


Beziehung zur Brücke und Bergfried

Die Brücke verband das erste Obergeschoss des Palas direkt mit dem Bergfried über den Wassergraben hinweg. Solche Verbindungen dienten sowohl der raschen Flucht als auch der internen Verteidigung.

Der südliche Gewölberaum lag unmittelbar unter der Trasse dieser Brücke. Die Lage legt nahe, dass das Gewöbe speziell als tragende Basis für das Brückenauflager konstruiert wurde. Der massive Bruchsteinbau mit der geringen Zahl an Öffnungen und die bauliche Isolation vom Flurbereich erhöhten die Stabilität und minimierten strukturelle Schwächen.

Zusätzlich könnte der Raum über eine interne Treppe oder einen Wartungszugang eine Verbindung zur Brücke ermöglicht haben, was eine gezielte Nutzung für Verteidigungs- oder Fluchtzwecke begünstigte.

In der Burgarchitektur des Hochmittelalters finden sich Parallelen, etwa in der Burg Falkenstein und der Burg Ziesar, wo ähnliche Brückenüberbauten über Wirtschaftsräume oder gedeckte Gänge hinwegführen (vgl. Dehio 1990; Bergner 1911). In beiden Fällen wurden tragende Räume gezielt so angeordnet, dass sie die Brücken- oder Wehrganglast übernahmen.

Auch in Angern wäre es architektonisch sinnvoll gewesen, die Brückenauflager auf die stabile Struktur des südlichen Gewöberaumes zu übertragen.


Zusammenfassung und Deutung

Die bauliche Analyse des südlichen Gewöberaums im Palas der Burg Angern legt nahe, dass dieser Raum mehrere Funktionen kombinierte:

  • Er diente als eigenständiger Wirtschafts- oder Lagerraum.

  • Er trug statisch zur Stabilität der darüberliegenden Brücke zum Bergfried bei.

  • Er erfüllte sicherheitsrelevante Aufgaben im internen Verteidigungssystem der Burg.

  • Er könnte Teil eines Wartungs- oder Fluchtsystems für die Brückenanlage gewesen sein.

Damit ist der südliche Gewölberaum ein zentrales Bindeglied zwischen der Wohnarchitektur des Palas und den Wehrstrukturen der Gesamtanlage.

Quellen:
  • Bergner, Heinrich: "Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Wolmirstedt", Halle a. d. S., 1911.

  • Dehio, Georg: "Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt I", München/Berlin, 1990.

  • Duncker, Alexander: "Die ländlichen Wohnsitze, Schlösser und Residenzen der ritterschaftlichen Grundbesitzer", Band 12, Berlin, 1857/83.

Die Burganlage von Angern in der heutigen Altmark (Sachsen-Anhalt) gehört zu den bedeutenden Wasserburgen der Altmark. Ihre Entwicklung lässt sich bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen, als sie im Rahmen der hochmittelalterlichen Landesausbauprozesse errichtet wurde. Die Hauptburg entstand auf einer künstlich angelegten Insel innerhalb eines doppelten Wassergrabensystems. Von der ursprünglichen Anlage ist heute vor allem die Struktur des Geländes erhalten, während die bauliche Substanz größtenteils durch kriegerische Ereignisse wie die Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg (1631) sowie durch barocke Umbauten im 18. Jahrhundert überformt wurde. Palas, Innenhof und Bergfried der Burg Angern (KI generiert)
Im 14. Jahrhundert war die Altmark Schauplatz konkurrierender Herrschaftsansprüche. Die Markgrafen von Brandenburg, das Erzbistum Magdeburg und verschiedene Adelsfamilien wie die von Alvensleben und von Grieben rangen um Besitz, Lehensrechte und lokale Macht. Die Gründung der Burg in Angern diente der Erzdiözese Magdeburg zur militärischen Sicherung und verwaltungstechnischen Kontrolle ihrer südaltmärkischen Besitzungen. Die Anlage einer Wasserburg mit Wehr- und Wohnfunktion manifestierte die landesherrliche Präsenz in einem territorial instabilen Raum.
Die Besitzgeschichte der Burg Angern lässt sich ab dem 14. Jahrhundert anhand von Lehnbriefen, Pfandverträgen und erzbischöflichen Urkunden nachvollziehen. Die frühe Geschichte ist dabei durch häufige Besitzerwechsel und konkurrierende Lehnsverhältnisse geprägt, was auf die strategische Bedeutung der Anlage und den politischen Druck auf das Erzstift Magdeburg hinweist. Erstmals wird die Burg im Jahr 1343 als Besitz eines Gerlof von Brunhorcz erwähnt. Im Jahr 1363 erscheint Lüdecke von Grieben als Lehnsträger. Er war kein Angehöriger der hochadeligen Familie von Grieben, sondern ein Vasall, der deren Namen übernommen hatte – ein im Mittelalter verbreitetes Phänomen, um familiäre Zugehörigkeit oder Schutzverhältnisse zu demonstrieren. 1370 sind Lüdecke von Grieben und zwei Söhne des Ritters Jakob von Eichendorf gemeinsam mit Angern belehnt.
1735 ließ Christoph Daniel von der Schulenburg, ein General im Dienst des Königs von Sardinien, ein neues dreiflügeliges Schloss auf auf der 2. Insel erbauen, auf der sich auch der Turm befand. Dieses Gebäude wurde nach den Plänen des Magdeburger Landbaumeisters Fiedler gebaut, wobei zahlreiche Baufehler auftraten, die eine Fertigstellung verzögerten. Der Bau wurde schließlich unter der Aufsicht von Maurermeister Böse abgeschlossen. Von der ursprünglichen Burg auf der ersten Insel sowie dem Turm auf der zweiten Insel blieben Kellergewölbe erhalten, die heute zum Teil begehbar sind.
Dieser Rundgang durch die Burg Angern um das Jahr 1350 basiert auf einer sorgfältigen Rekonstruktion historischer Quellen, archäologischer Befunde und baugeschichtlicher Analysen. Alle Szenen, Räume und Details wurden unter Berücksichtigung realer Gegebenheiten der mittelalterlichen Anlage entwickelt – etwa der erhaltenen Tonnengewölbe, der typischen Bauweise von Palas, Bergfried und Wirtschaftsflügeln sowie Hinweise aus Inventaren und schriftlichen Überlieferungen. Ziel ist es, nicht nur die äußere Gestalt, sondern auch die Atmosphäre und Lebenswelt einer spätmittelalterlichen Burg erlebbar zu machen – so nah wie möglich an der historischen Realität, doch mit erzählerischer Tiefe. Die Bilder zeigen fotorealistische Rekonstruktionen der Burg Angern um 1350. Sie basieren auf archäologischen Befunden, historischen Quellen und vergleichbarer Bausubstanz – realitätsnah umgesetzt mit moderner KI-Technik. Von der Vorburg zum Pforthäuschen
Die bisherigen Beobachtungen lassen erkennen, dass die Burg Angern eine herausragend vollständige hochmittelalterliche Bau- und Erschließungsstruktur bewahrt hat. Besonders hervorzuheben ist die nahezu vollständig erhaltene Grundrissstruktur des Palas Erdgeschosses mit zentralem Flur, einem bauzeitlichen Umkehrgang und der originalen Treppenanlage ins Obergeschoss. Der Umkehrgang, als bewusst angelegtes Verteidigungselement, dokumentiert anschaulich die funktionale Sicherheitslogik hochmittelalterlicher Wasserburgen. Ergänzend belegt das erhaltene Eingangsgewände aus sorgfältig gearbeitetem dunkelgrauem, feinkörnigem Naturstein die hochwertige bauliche Ausführung des Palas und ordnet sich stilistisch in den Kontext vergleichbarer Burgen der Region ein. Seine Erhaltung bestätigt die Bauphase der Anlage um 1340–1350.
Die Burg Angern um 1350: Architektur und Aufbau einer mittelalterlichen Wasserburg in der Altmark. Die Burg Angern, errichtet um 1341 unter Erzbischof Otto von Magdeburg, stellt ein herausragendes Beispiel für den Typus der mittelalterlichen Wasserburg in der Altmark dar. Inmitten eines künstlich angelegten Wassergrabens erhoben sich die Hauptburg auf einer nördlichen Insel sowie der Bergfried auf einer südlichen Nebeninsel. Die hier dargestellte Rekonstruktion basiert auf archäologischen Restbefunden, historischen Quellen (Rep. H Angern Nr. 79; Dorfchronik Angern) und Vergleichen mit zeitgenössischen Anlagen wie Kalbe (Milde), Beetzendorf und Salzwedel.
Die Burg Angern als exemplarische hochmittelalterliche Wasserburg in Norddeutschland. Die Burg Angern entstand 1341 unter Erzbischof Otto von Magdeburg als klassische Niederungsburg auf zwei künstlich angelegten Inseln, geschützt durch ein umfassendes System von Wassergräben. Die räumliche Trennung von Hauptburg und Wehrturm auf zwei eigenständigen Inseln ist im hochmittelalterlichen Burgenbau Norddeutschlands bislang ohne bekannte Parallele dokumentiert. Der Zugang zur Hauptburg erfolgte über eine hölzerne Brücke, die zur möglicherweise westlich vorgelagerten Vorburg führte, welche ihrerseits Wirtschaftsfunktionen wie Stallungen, Lagerräume und Gesindewohnungen beherbergte sowie möglicherweise vom Wehrturm der südlichen Insel. Die Hauptinsel war quadratisch (ca. 35 × 35 m) angelegt. Ein eigenständiges Torhaus ist für Angern nicht nachweisbar; der Zugang wurde vielmehr nachweislich durch ein einfaches Pforthäuschen geregelt – eine Abweichung von der sonst verbreiteten Torhausarchitektur und ein Hinweis auf eine reduzierte, pragmatische Verteidigungsstrategie.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.