Die bauliche Entwicklung der Burg Angern lässt sich in mehreren Phasen vom Hochmittelalter bis zur Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg nachzeichnen. Die Anlage vereinte typische Merkmale einer wasserumwehrten Adelsburg in der norddeutschen Tiefebene: Inselfestung, Verteidigungsstruktur, Wirtschaftseinheit und Repräsentationsort. Das zentrale Element war die vollständig von Wassergräben umgebene Hauptburginsel, ergänzt durch eine südlich vorgelagerte Turminsel und eine festlandseitige Vorburg.
Die älteste erhaltene bauliche Struktur ist der sogenannte Bergfried auf der Turminsel. Er besaß eine Grundfläche von etwa 8 × 8 Metern und war ursprünglich sieben Stockwerke hoch. Der Turm war nicht ebenerdig zugänglich; der Zugang erfolgte über eine separate hölzerne Zubrücke in das erste Obergeschoss – ein typisches Verteidigungsmerkmal spätmittelalterlicher Wehrarchitektur (vgl. Boockmann 2002, S. 184). Im Erdgeschoss befand sich eine rund zwei Meter über Bodenniveau angebrachte Schießscharte, die sich bis heute erhalten hat (vgl. Bauanalyse Milana, 2025).
Die Hauptinsel maß rund 40 × 40 Meter (ca. 1.500 m²) und umfasste mehrere Gebäude, die sich um einen offenen, unbebauten Wirtschaftshof gruppierten. Die Ostseite der Insel war unterkellert durch mindestens drei noch heute erhaltene Tonnengewölbe aus Bruchstein. Diese dienten als Vorratsräume und bildeten die Fundamente für darüberliegende Wirtschafts- oder Lagerräume.
Überreste der 40 x 40 Meter großen Hauptburg in Angern auf der ersten Insel
Erhaltene Kellergewölbe der Hauptburg Angern auf der ersten Insel
Die virtuelle Begehung des Burgkellers zeigt eindrücklich den baulichen Zustand und die architektonischen Merkmale des erhaltenen Kellerbereichs der Hauptburg von Angern. Es handelt sich um ein Tonnengewölbe aus Bruchsteinmauerwerk, das teilweise mit Ziegelmaterial repariert oder ergänzt wurde. Die Gewölbestruktur weist eine typische mittelalterliche Bauweise auf: flach gespannt, mit deutlich erkennbaren Setzungen in den Zwickeln, was auf spätere Eingriffe oder Setzungserscheinungen hindeuten kann. Ein kleines, vergittertes Fenster mit tiefem Lichtschacht sorgte für Tageslichtzufuhr und Belüftung. Die unregelmäßige, teils schadhafte Oberfläche der Wände lässt erkennen, dass hier keine repräsentative Nutzung vorgesehen war. Der Boden aus festgetretenem Lehm, verbunden mit Spuren früherer Einbauten oder Lagerung, deutet auf eine Nutzung als Lagerkeller oder Vorratsraum. Eine gemauerte Wandöffnung mit niedrigem Durchgang ermöglichte den Zugang zu einem weiteren Kellerraum oder Gang ermöglichte. Die Kombination von Bruchstein und Ziegel zeigt deutlich die Bauphasen: älteres Mauerwerk wurde partiell mit Ziegeln aus dem 17./18. Jahrhundert ausgebessert. Nicht alle Gewölbe wurden bisher freigelegt. Einige sind noch verschüttet.
Diese Kelleranlagen gehören zu den wenigen baulichen Relikten, die den Dreißigjährigen Krieg überdauert haben. Ihre Lage im östlichen Teil der Hauptburg und die solide Ausführung sprechen für eine hohe baugeschichtliche Bedeutung. Im Vergleich mit anderen Burgen der Altmark – etwa der Kernburg in Beetzendorf – zeigt sich ein ähnliches Konstruktionsprinzip. Sie könnten im Zusammenhang mit dem im 14.–15. Jahrhundert errichteten Wohn- oder Verwaltungsbau auf der Hauptinsel stehen und später in das Herrenhaus des 17. Jahrhunderts integriert worden sein. Die hier dokumentierten Kelleranlagen bilden somit einen zentralen archäologischen Befund zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Nutzung der Burganlage Angern und sollten in künftigen bauhistorischen Studien besondere Berücksichtigung finden.
Die Gebäude waren teilweise in Massivbauweise mit Bruchsteinmauerwerk errichtet, die Obergeschosse vermutlich in Fachwerk ausgeführt. Die Dächer waren mit Stroh oder Ziegeln gedeckt. Die gesamte Anlage war über eine nördlich gelegene hölzerne Zugbrücke mit dem Festland verbunden. Diese mündete in das sogenannte Pforthäuschen – einen kleinen, befestigten Kontrollbau auf der Hauptinsel, unmittelbar am inneren Brückenkopf. In einem Bericht nach der Zerstörung von 1631 heißt es, dass ‚außer dem mangelhaften Brauhause ohne den geringsten Inhalt und einem Dach- und Fachlosen Viehstall nur noch das Pforthäuschen stand‘ (vgl. Dorfchronik Angern, Gutsarchiv um 1650).
Die Vorburg befand sich auf festem Untergrund nördlich der Hauptinsel, außerhalb des wasserumwehrten Kernbereichs der Burg. Sie war funktional auf die wirtschaftliche Versorgung der Hauptburg ausgerichtet. Die überlieferte Beschreibung nach der Zerstörung von 1631 nennt ein Brauhaus, einen Viehstall und das Pforthäuschen als erhaltene oder beschädigte Bestandteile der Vorburg (vgl. Dorfchronik Angern, um 1650). Aufgrund dieser Hinweise und regionaler Vergleichsbeispiele ist davon auszugehen, dass sich in der Vorburg weitere Wirtschafts- und Nebengebäude befanden, etwa Lagerhäuser, Werkstätten und Gesinderäume. Diese waren vermutlich in einfacher Fachwerkbauweise mit Bruchsteinsockeln errichtet. Der Zugang zur gesamten Burganlage führte durch die Vorburg zur Zugbrücke, die in das Pforthäuschen auf der Hauptinsel mündete. Die Vorburg diente somit als vorgelagerte Funktionszone, in der alltägliche Arbeit, Versorgung und der erste Kontaktpunkt für Besucher stattfanden. und war nicht durch Wassergräben isoliert. Auf Grundlage der Zerstörungsbeschreibung von 1650 sowie typischer Strukturmerkmale vergleichbarer Anlagen lässt sich rekonstruieren, dass die Vorburg aus mehreren Fachwerkbauten auf Bruchsteinsockel bestand. Das Brauhaus, der Viehstall, ein Holzlager, Werkstätten sowie kleinere Dienstboten- und Vorratsräume gruppierten sich um einen offen zugänglichen Wirtschaftshof.
Der Zugang zur Hauptburg erfolgte vermutlich durch eine hölzerne Zugbrücke, die auf der Hauptinsel in das sogenannte Pforthäuschen mündete – einen kleinen, befestigten Kontrollbau direkt am inneren Brückenkopf. Dieser diente zugleich als Wachposten und sicherte den Zugang zur Inselanlage.
Aufgrund der brandanfälligen Bauweise und der geringen Fundamentierung sind keine Überreste mehr erhalten, doch sprechen Lage und Funktion für eine einfache, pragmatische Ausführung dieser Gebäudegruppe. Die Vorburg diente vorrangig der Versorgung des Herrenhauses und beherbergte Personal sowie saisonale Arbeitskräfte. und war nicht durch Wassergräben isoliert. Dort waren das Brauhaus, Stallungen, Lagerräume und die Wohnbereiche für das Gesinde untergebracht. Aufgrund der Nutzung und der Materialwahl – vorrangig Fachwerk auf Bruchsteinsockel – waren diese Gebäude besonders brandanfällig, was ihre vollständige Zerstörung im Jahr 1631 erklärt. Die Wiederverwendung älterer Bausubstanz in den 1650er Jahren, etwa durch Überbauung erhaltener Tonnengewölbe, ist für die Wiederinbetriebnahme der Anlage charakteristisch (vgl. Rep. H Angern Nr. 412)
Die bauliche Gesamtstruktur spiegelt eine enge Verzahnung von Wehrhaftigkeit, wirtschaftlicher Eigenständigkeit und Herrschaftsausübung wider.
Quellen:
- Dorfchronik Angern, Handschrift um 1650, Gutsarchiv Angern
- Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Rep. H Angern Nr. 412
- Ziesemer, Ernst: Die mittelalterlichen Burgen der Altmark. Magdeburg 1994
- Boockmann, Hartmut: Die Burgen im deutschen Sprachraum. München 2002
- Bauanalyse Milana, 2025