Schulenburg Familie in Angern
Das Geschlecht von der Schulenburg zählt zu den älteren Adelsfamilien Norddeutschlands und ist seit dem 13. Jahrhundert urkundlich belegt

350 Jahre alte Kriminalakte aus dem Gutsarchiv der Familie Schulenburg in Angern. Wernigerode (Sachsen-Anhalt) – Akten sieht Staatsminister Rainer Robra (65, CDU) jeden Tag. Aber so eine kam ihm noch nie unter. In der Landesarchiv-Außenstelle Wernigerode zeigte Dr. Jörg Brückner (50) dem Minister das schaurige Stück. Die Akte mit der Signatur H13, 127 enthält neben Papier einen mumifizierten Finger. Von: Uwe Freitag, veröffentlicht in der Bild Zeitung am 25.07.2017.

Gerichtsakte mit mumifiziertem Finger

Der Daumen war vor fast 350 Jahren Beweisstück in einem Gerichtsprozess. Er hing, verpackt in einem Beutel, am Arm eines Vieh-Diebs, als dieser festgenommen wurde. 

„Wie der Vieh-Dieb in den Besitz des Fingers kam, steht in der Akte“

erzählt Jörg Brückner. Der Ganove hatte ihn von der Leiche eines anderen Diebes abgeschnitten, der für seine Taten gerädert worden war. „Eine damals übliche, sehr grausame Tötungsmethode.“ Der Dieb hatte gehofft, der Daumen-Talisman bringe Glück und schütze vor Strafe.

Gerichtsakte im Landesarchiv Die fast 350 Jahre alte Gerichtsakte gelangte über mehrere Umwege ins Landesarchiv Sachsen-Anhalt; Foto: Peter Gercke

Als Beweisstück kam der Finger nach dem Prozess zu den Akten des Patrimonialgerichts Angern. Das wiederum war Teil des Gutsarchivs der Grafenfamilie von der Schulenburg, dessen Bestände heute im Landesarchiv Sachsen-Anhalt liegen. 

„Bei fachgerechter Lagerung wird er weitere Jahrhunderte problemlos überdauern“

versichert Jörg Brückner. 

> mehr dazu in der Bild-Zeitung

„Acta Inquisitionalia contra Hans Bierstorpff“ – Ein Kriminalfall vor dem Patrimonialgericht Angern von 1688

Einleitung

Die auf das Jahr 1688 datierte Inquisitionsakte mit dem Titel „Acta Inquisitionalia contra Hans Bierstorpff“, heute überliefert unter der Signatur H 13, Nr. 1228 im Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Wernigerode, ist ein eindrucksvolles Zeugnis der frühneuzeitlichen Strafrechtspflege im ländlichen Raum des Alten Reiches. Als Bestandteil des ehemaligen Gutsarchivs der Grafen von der Schulenburg zu Angern zeigt sie exemplarisch, wie adlige Patrimonialgerichte im ausgehenden 17. Jahrhundert Strafprozesse führten, dokumentierten und archivierten.

Patrimoniale Strafgerichtsbarkeit um 1688

Im Gegensatz zu den städtischen Gerichten oder den landesherrlichen Justizorganen unterstanden viele Landbewohner im 17. Jahrhundert der Privatgerichtsbarkeit ihrer Grundherren, den sogenannten Patrimonialgerichten. Diese hatten nicht nur das Recht auf niedere Gerichtsbarkeit (Zivilrecht), sondern vielfach auch die niedere und mittlere Strafgerichtsbarkeit, die sogenannte Blutgerichtsbarkeit (ius gladii), sofern sie vom Landesherrn verliehen war【1】. Die Familie von der Schulenburg besaß ein solches Gericht in Angern seit dem späten Mittelalter, das in den barocken Verwaltungsstrukturen zunehmend systematisiert wurde.

Der Kriminalfall gegen Hans Bierstorpff von 1688 belegt die frühe Strafgerichtsbarkeit im Schloss Angern, die noch vor Einrichtung fester Verhandlungsräume stattfand. Mit der später eingerichteten Gerichtsstube im Ostflügel erhielt diese Praxis einen baulich gefassten Ort. Die schlichte Ausstattung mit Kuppelbett und Rohrstühlen verweist auf ihre Mehrfachfunktion als Verhör-, Aufenthalts- und Strafraum – ein Ausdruck wachsender Institutionalisierung lokaler Herrschaft und Justiz.

Die Akte gegen Hans Bierstorpff

Die auf dem Einband verzeichnete Bezeichnung „Acta Inquisitionalia contra Hans Bierstorpff“ verweist auf ein inquisitorisches Verfahren, das dem Modell der Carolina (1532) folgte – also der Peinlichen Gerichtsordnung Karls V., die Folter, Beweisführung und Verhörregeln erstmals einheitlich kodifizierte【2】. Die Formulierung „in protoscribentis de anno 1688“ signalisiert, dass die Akte offiziell durch einen Gerichtsschreiber („Protokollanten“) angelegt wurde, ein Hinweis auf die Professionalisierung der Strafjustiz selbst im ländlichen Bereich. Besonders bemerkenswert ist die Materialität des Dokuments: Die Akte ist auf vergilbtem, leicht beschädigtem Papier verfasst und weist Randnotizen, Signaturen und Korrekturvermerke auf, darunter das Kürzel „Crim.“ für Criminalia. Eine handschriftliche Notiz in der unteren rechten Ecke erläutert, dass der Fall in dieser Gerichtsbarkeit untersucht und protokolliert worden sei – ein Beleg für die gerichtliche Autonomie des Patrimonialgerichts in Angern.

Rechtliche und soziale Bedeutung

Die Prozessführung gegen Hans Bierstorpff lässt vermuten, dass es sich um eine gravierende Straftat handelte – möglicherweise Diebstahl, Körperverletzung oder ein Kapitalverbrechen. In der Regel wurden Inquisitionsprozesse nur bei Vergehen von hoher sozialer oder rechtlicher Bedeutung geführt. Die Personalunion von lokaler Obrigkeit, Gerichtsherrschaft und Verwaltungsinstanz in den Händen des Gutsherrn ermöglichte eine strenge soziale Kontrolle, die auf Abschreckung und Erhalt der lokalen Ordnung zielte【3】. Solche Akten hatten auch eine gedächtniskulturelle Funktion: Sie wurden dauerhaft im Gutsarchiv aufbewahrt, um bei späteren Streitigkeiten, Erbfolgen oder Auseinandersetzungen mit der landesherrlichen Obrigkeit als Beweis staatlicher (bzw. herrschaftlicher) Gerichtsausübung zu dienen.

Fazit

Die Inquisitionsakte gegen Hans Bierstorpff von 1688 erlaubt exemplarische Einblicke in die Strafgerichtspraxis eines Patrimonialgerichts des mitteldeutschen Adels im ausgehenden 17. Jahrhundert. Sie dokumentiert nicht nur die gerichtliche Autonomie des Hauses von der Schulenburg, sondern auch die allmähliche Verrechtlichung und Schriftlichkeit vormals informeller Herrschafts- und Strafpraktiken. In einer Zeit, in der der Gutsbesitzer zugleich Richter, Ankläger und Vollzugsinstanz war, wurde jede Akte Teil eines Gedächtnisses der Macht, das sich in Archiven wie dem von Angern bis heute erhalten hat.

Quellen

  1. Müller, Markus: Patrimonialgerichtsbarkeit im Alten Reich – Adlige Strafjustiz und ihre Grenzen (1600–1800). Göttingen: V&R unipress, 2011.
  2. Weitzel, Hans: Die Carolina – Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. Stuttgart: Reclam, 1994.
  3. Dethlefs, Norbert: Die Ausstattung ländlicher Adelshäuser in Norddeutschland im 18. Jahrhundert. Hamburg, 2004.
  4. Gutsarchiv Angern, Signatur H 13, Nr. 1228: Acta Inquisitionalia contra Hans Bierstorpff, 1688.
  5. Brückner, Jörg (Hrsg.): Adelsherrschaft und Justiz im mitteldeutschen Raum. Beiträge aus dem Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Wernigerode, 2017.
  6. Quelle: Bild Zeitung, 25.07.2017
Fritz I. von der Schulenburg (1350–1415) war der gemeinsame Stammvater aller drei Hauptlinien des sogenannten weißen Stamms des Hauses von der Schulenburg. Seine Lebenszeit fällt in eine Epoche tiefgreifender politischer und gesellschaftlicher Umbrüche im deutsch-römischen Reich.
Kaufmann, Lehnsträger und Burgherr in Angern. Werner V. von der Schulenburg gehört zu den frühesten namentlich bekannten Mitgliedern der Familie, die sich dauerhaft auf dem Gut Angern niederließen. Seine Bedeutung liegt nicht allein in seiner Funktion als Mitbelehnter mit der dortigen Burg, sondern vor allem in seiner Rolle als Vertreter eines Adels, der im Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit zunehmend auch städtisch-wirtschaftliche Handlungsspielräume wahrnahm.
Hans XII. von der Schulenburg († 1625), Sohn des Busso VI. , gehört zu jenen Gliedern des Adelsgeschlechts von der Schulenburg , deren Leben exemplarisch für die Krisen und Konsolidierungsversuche niederadliger Gutsherrschaft im frühneuzeitlichen Brandenburg steht. Seine Biografie markiert eine Übergangsphase zwischen militärischer Karriere und ökonomischer Bedrängnis, zwischen adliger Repräsentation und realer finanzieller Überforderung.
Bernhard von der Schulenburg (1427–1469) wurde im Jahre 1448 mit seinen Brüdern Busso und Matthias durch Lehnbrief Erzbischofs Friedrich von Magdeburg zu rechten männlichen Lehen belehnt.
Ritter, kurbrandenburgischer Rat, Stiftshauptmann des Erzstifts Magdeburg, Begründer des älteren Angerner Zweigs. Busso I. entstammte der weißen Linie der Familie von der Schulenburg und war der älteste Sohn des Ritters Fritz I von der Schulenburg (* um 1350, † 1415). Er wurde am 12. April 1414 noch als unmündig erwähnt, galt aber bereits am 15. April 1415 als mündig und war ab 6. August 1424 urkundlich als Ritter belegt. Sein Geburtsjahr lässt sich daher mit einiger Sicherheit auf um 1396 datieren.
Begründer der jüngeren Linie des weißen Stammes – Landeshauptmann der Altmark. Matthias I von der Schulenburg (geb. spätestens 1405 – † zwischen Februar und November 1477) war der jüngste Sohn des Ritters Fritz I von der Schulenburg (Nr. 56).
Bernhard XI. von der Schulenburg (*1475, † vor dem 15. Mai 1502) war ein altmärkischer Adliger des ausgehenden 15. Jahrhunderts und der bedeutendste Vertreter der jüngeren Linie des sogenannten weißen Stammes der Familie von der Schulenburg. Er war der älteste überlebende Sohn des Landeshauptmanns Matthias I. († um 1477) und der Anna von Alvensleben . Er war Herr auf Altenhausen , Angern und Beetzendorf .
Erbe des Ritterguts Angern, kaiserlicher Offizier und Begründer der Angerner Stammlinie. Alexander Friedrich Christoph von der Schulenburg (*5.8.1720, †1801) war der vierte Sohn Heinrich Hartwig I. Er trat das erstmals unter seinem Onkel Christoph Daniel auf die jüngeren Linie vereinigte Rittergut als Majorat an, das durch das Fideikommiss von 1762 gesichert worden war.
Ein früher Reformator, streitbarer Landadliger und Kriegsteilnehmer im Zeitalter der Konfessionalisierung. Als Sohn von Bernhard XI. von der Schulenburg und Enkel von Matthias I , des langjährigen Landeshauptmanns der Altmark, war er ein direkter Erbe der um 1485 befestigten Stellung in Altenhausen , Angern und Beetzendorf und setzte die jüngere Linie des weißen Stamms fort.
Jakob II. von der Schulenburg: Leben, Kriegslaufbahn und Besitzpolitik eines altmärkischen Söldnerführers. Jakob II. zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des altmärkischen Adels im 16. Jahrhundert.
Daniel I. Reichsfreiherr von der Schulenburg (* 3. Juni 1538 in Altenhausen ; † 6. November 1594 in Angern ) (Nr. 312 in der Stammtafel) lebte in einer Zeit bedeutender politischer und wirtschaftlicher Umbrüche in der Altmark und im Erzstift Magdeburg . Am 29.09.1577 heiratete Daniel I. Ehrengard von Alten aus dem Hause Wilkenburg (* um 1556, † nach 1611). Aus dieser Verbindung gingen fünf Kinder hervor.
Henning III. von der Schulenburg (*1587, †01.09.1637) war der jüngste Sohn des Daniel I. von der Schulenburg und übernahm nach seinem Tod den Burghof in Angern. Er steht exemplarisch für die komplexe Rolle des niederen Adels im frühneuzeitlichen Brandenburg – zwischen dynastischer Kontinuität, territorialer Zersplitterung und finanzieller Prekarität.
Henning Christoph von der Schulenburg (* 1648 oder 1649 auf Angern , † 27.12.1683 in Staßfurt ) war ein kurbrandenburgischer Hauptmann. Als der älteste Sohn von Heinrich XI. von der Schulenburg (geb. 1621, gest. 1691) und Ilse Floria von der Knesebeck (geb. 1629, gest. 1712) erbte er nach dessen Tod die Güter Angern und Falkenberg .
Heinrich XI von der Schulenburg (* 06.09.1621 auf Angern , + 19.05.1691 in Kehnert ) war Sohn von Henning III. von der Schulenburg und übernahm nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) ein schwer verwüstetes und verschuldetes Erbe auf den Gütern Angern, Kehnert und Schricke. Die Verwüstungen dieses langen Konflikts hatten nicht nur das Land, sondern auch die wirtschaftliche und soziale Struktur Brandenburg‑Preußens nachhaltig erschüttert. In den Jahren nach 1648 begann ein langwieriger Wiederaufbauprozess, der von der Notwendigkeit geprägt war, feudale Strukturen aufzubrechen und zentralisierte, absolutistisch geprägte Verwaltungsinstitutionen zu etablieren – Entwicklungen, die auch den Grundstein für den späteren Aufstieg des preußischen Staates legten.
Christoph Daniel von der Schulenburg (*1679 in Angern, †1763 ebenda) wurde geboren inmitten einer Epoche dynastischer Spannungen im Heiligen Römischen Reich. Er zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des brandenburgisch-preußischen Adels im 18. Jahrhundert. Sein Lebensweg vereint in exemplarischer Weise militärische Laufbahn , diplomatische Missionen und kulturelles Mäzenatentum .
Der letzte Erbe der alten Linie Angern. Heinrich Hartwig I. von der Schulenburg, Sohn von Henning Christoph , war der letzte bedeutende Vertreter der älteren Linie auf dem Rittergut Angern, ehe dieses durch seinen Bruder Christoph Daniel vollständig in der jüngeren Linie des weißen Stammes zusammengeführt wurde. Nach dem frühen Tod seines Vaters trat Heinrich Hartwig als Erbe des Burghofs hervor und bemühte sich in schwieriger Zeit um die wirtschaftliche Konsolidierung des Besitzes. Seine Rolle als Gutsherr, seine Teilnahme am savoyischen Militärdienst sowie seine familiären Verbindungen dokumentieren exemplarisch die Lebensrealität eines altmärkischen Adligen im Übergang vom Dreißigjährigen Krieg zur barocken Neuordnung der Gutswirtschaft.
Friedrich Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 10. Februar 1769 auf Angern; † 16. Mai 1821 in Magdeburg) ist Sohn des Alexander Friedrich Christoph Graf von der Schulenburg .
Edo Friedrich Christoph Daniel , geb. 27.04.1816 in Angern, gest. 06.08.1904 in Angern, wurde 1821 dritter Fideikommissherr auf Angern. Edo war einziger Sohn des Magdeburger Regierungspräsidenten Friedrich Graf v.d. Schulenburg aus dessen zweiter Ehe mit der Tochter des Braunschweigischen Landdrosten, Auguste Luise Adolphine von Cramm. Bei seiner Taufe übernahm König Friedrich Wilhelm III . eine Patenstelle.
Friedrich Wilhelm Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 1843 in Angern; † 1921) war Sohn des Edo Friedrich Christoph Daniel (1816-1904) und der Helene, geb. v. Schöning. Bei seiner Taufe übernahm König Friedrich Wilhelm IV. die Patenstelle.
Sigurd Wilhelm Graf von der Schulenburg (* 1882; † 1956), Sohn des Friedrich Wilhelm Christoph Daniel (1843-1921) war der fünfte und letzte Fideikommissherr auf Angern. Bei seiner Taufe am 5. November 1882 übernahm Kaiser Wilhelm I. eine Patenstelle , wie auch bei seinem Vater, Großvater und Urgroßvater die damals regierenden preußischen Könige Taufpaten gewesen waren.
Kuno Wilhelm Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 1923 in Magdeburg, † 1987 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Jurist und Mitglied der XXI. Generation der Familie von der Schulenburg. Kuno Wilhelm wurde als einziger Sohn von Sigurd-Wilhelm Graf von der Schulenburg geboren.
Alexander Friedrich Christoph Graf von der Schulenburg wurde am 4. August 1968 in Frankfurt am Main geboren. Er ist Sohn von Kuno Wilhelm Christoph Daniel (1923-1987) und Jutta, geb. v. Franocis. Er führt die lange Tradition seiner Familie fort, die seit fast 500 Jahren in Angern verwurzelt ist, und engagiert sich aktiv für die Bewirtschaftung der wieder eingerichteten Forstbetriebs sowie die Rekonstruktion und Erhaltung des Schlosses und des Parks.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.