Hier folgt eine ausführliche Beschreibung des „Parterre mit Quartieren“ im barocken Garten von Angern auf Grundlage von Christoph Daniel von der Schulenburgs Anweisung (1745), mit Zitaten aus dem Originaltext, gartenhistorischer Einordnung und Interpretation. Lage und Funktion innerhalb der Gartenstruktur: Das Parterre liegt direkt südlich des Schlosses, angeschlossen an die Hauptachse des Gartens, und bildet die erste große, gestaltete Gartenfläche nach dem Schloss und Wassergraben. Es ist das repräsentative Herzstück der Anlage – jener Raum, der dem Besucher als erstes das Programm des Gartens vermittelt: Ordnung, Proportion, Pflege und Schönheit. Das Parterre dient dabei nicht nur der Schau, sondern ist – im Sinne des Barock – zugleich nützlich und lehrreich.
Struktur: Geometrie, Wege, Sichtachsen: Die Aufteilung des Parterres folgt einem streng geometrischen Plan. Schulenburg verwendet mehrfach den Begriff „Quartiere“, also rechteckige Teilflächen (Beete bzw. Gartenfelder), die durch Wege und Einfassungen gegliedert sind. Die Wegestruktur ist differenziert:
„So sollen die drey übrigen Quartiere gleichmäßige Wege haben, in der Mitte aber soll der Weg weiter seyn als die übrigen.“
Dies zeigt: Es gibt vier Quartiere, davon vermutlich zwei große und zwei kleinere. Der Mittelweg ist betont – was der barocken Idee der Symmetrie und der Inszenierung der Hauptachse entspricht. Diese Gestaltung erzeugt ein klassisches Parterre de broderie oder de compartiment, das geometrische Formen (Raute, Rechteck, Spirale) in den Pflanzbeeten aufnehmen kann.
Bepflanzung: Nutz- und Zierpflanzen kombiniert: Schulenburg weist zwei kleinere Quartiere im Parterre ausdrücklich als Küchen- und Kräutergärten aus:
„Die beyden kleinen Quartiere […] sollen mit wohlgehaltenen Küchenkräutern und jungen Espalieren besetzet werden.“
Das ist bemerkenswert: Schulenburg integriert die Nützlichkeit der Ernährung und Heilkunst direkt in den zentralen Gartenraum – aber unter der Voraussetzung barocker Pflegeideale: „wohlgehalten“ bedeutet hier geometrisch, unkrautfrei, geschnitten. Auch Spalierobst (Apfel, Birne, Aprikose etc.) wird hier im jungen Stadium verwendet – entweder entlang kleiner Rankgerüste oder als randliche Struktur. Weitere Beete enthalten Zierpflanzen, obwohl diese nicht einzeln genannt werden. Aus der Gartenkultur der Zeit lassen sich typische barocke Beetpflanzen rekonstruieren: Tulpen, Lilien, Iris, Pfingstrosen, Nelken – als jahreszeitlich wechselnde Zierpflanzungen.
Einfassungen: Hecken und Zäune: Schulenburg beschreibt die Einfassung der Quartiere im Detail:
„Die Quartiere sollen mit grünen Hecken umgeben, und ein sauberer niedriger Zaun gezogen werden…“
Diese doppelte Rahmung – grüne Hecke (wohl Buchsbaum) und ein Zierzaun – diente der sichtbaren Ordnung und Strukturierung, dem Schutz der Beete, und der symbolischen Trennung von Innen und Außen, Pflege und Wildwuchs.
Pflegevorgaben als Teil des Konzepts: Der Garten ist nicht sich selbst überlassen – im Gegenteil. Schulenburg betont:
„Alle Wege müssen alle 14 Tage gerecht gehackt werden, damit kein Unkraut darin wachse.“
Das Parterre ist also auch Schauplatz gärtnerischer Disziplin – nicht nur der Pflanzen, sondern auch der Pflegenden. Die Pflege selbst ist hier Ausdruck barocker Kultur.
Symbolik und Interpretation: Das Parterre steht symbolisch für: Beherrschte Natur, Maß und Ordnung, Tugendhafte Verbindung von Schönheit und Nutzen. Es ist eine Manifestation des barocken Weltbilds, in dem das Regelwerk der Natur mit der Vernunft des Menschen verschmilzt. Die Kombination von Kräutern, Spalierobst und Zierblumen ist Ausdruck einer ganzheitlichen Lebensführung: ästhetisch, funktional, fromm.
Fazit zum Parterre: Das Parterre von Angern ist nicht bloß ein Ziergarten, sondern ein inszeniertes Lehrstück barocker Ordnung. In den geometrisch gegliederten Quartieren verschränken sich Pflanzkunst, Alltagsnutzen und höfische Ästhetik. Die Wege, Pflanzen und Einfassungen sind klar zugewiesen, unterliegen einem festen Pflegeplan und fungieren als Ausdruck der Standeskultur. Mit diesem Konzept liegt das Parterre ganz im Zentrum der barocken Idee des Gartens als Modellwelt einer geordneten, kultivierten Natur.