In der barocken Gartenanlage von Angern nimmt der Küchengarten keinen separaten Bereich abseits des Repräsentationsraumes ein, sondern ist integraler Bestandteil des Parterres, also des geometrisch streng gegliederten Zentrums des Gartens.
Diese bewusste Verschränkung von Nützlichkeit und Ästhetik entspricht einem zentralen Ideal der barocken Gartenkunst: dem Streben nach einer Synthese von Ordnung, Nutzen und Schönheit (utile cum dulci). Christoph Daniel von der Schulenburg sieht in seiner Anweisung von 1745 ausdrücklich vor, dass zwei der kleineren Quartiere im Parterre einer solchen doppelt codierten Nutzung vorbehalten sein sollen:
„Die beyden kleinen Quartiere […] sollen mit wohlgehaltenen Küchenkräutern und jungen Espalieren besetzet werden.“ (Schulenburg, Pro Memoria, Punkt 4)
Mit „Küchenkräutern“ sind die in der damaligen Zeit gebräuchlichen Heil- und Gewürzpflanzen gemeint, wie etwa Salbei, Petersilie, Thymian, Rosmarin, Melisse oder Bohnenkraut. Diese Pflanzen waren Teil des täglichen Bedarfs für Küche und Hausapotheke, zugleich aber Duftspender und Farbgeber, die das Parterre sinnlich bereicherten. Sie wurden in symmetrisch eingefassten Beeten kultiviert, mit geometrischen Mustern und klar abgegrenzten Pflanzflächen.
Auffällig ist die Formulierung „wohlgehalten“, die auf die barocke Vorstellung der kulturellen Zähmung der Natur verweist. Es genügte nicht, Kräuter anzupflanzen – sie mussten gepflegt, in Form gehalten und gestalterisch in die Gesamtkomposition eingebunden werden. Die Pflanze war nicht nur Mittel zum Zweck, sondern Teil eines ästhetisch-moralischen Programms.
Die im barocken Garten von Angern kultivierten Kräuter und Pflanzen wurden in einem sogenannten Catalogue des Arbres d’Angern aus dem Jahr 1750 dokumentiert und in gepresster Form konserviert. Diese Sammlung stellt ein einzigartiges botanisches Zeugnis dar, das nicht nur Auskunft über die Vielfalt der im Garten angebauten Nutz- und Heilpflanzen gibt, sondern auch über das damalige Wissen zur Pflanzenpflege und -verwendung. Der Katalog belegt die systematische gärtnerische Praxis und das Bestreben, den Garten auch als botanisches Studienobjekt zu nutzen – ganz im Sinne der Aufklärung und der barocken Ordnungsideale.
Ebenso bedeutungsvoll ist der Hinweis auf die „jungen Espaliere“, die neben den Kräutern gezogen werden sollten. Gemeint sind hier junge Obstbäume (z. B. Apfel, Birne, Aprikose), die in flacher Wuchsform entlang von Draht- oder Holzspalieren gezogen werden. Auch sie waren Teil des Alltagsnutzens, dienten der Versorgung mit Früchten – und zugleich der Demonstration gärtnerischer Disziplin. Die Kunst des Spalierziehens galt im 18. Jahrhundert als Ausdruck eines geschulten und kontrollierenden Umgangs mit dem Naturwuchs.
Die Kräuterquartiere erfüllten demnach eine Doppelfunktion: Zum einen als Nutzgarten, der die herrschaftliche Küche versorgte, zum anderen als Teil des barocken Weltbildes, in dem Nützliches nicht ungestaltet bleiben durfte, sondern durch Ordnung veredelt wurde. Die Einbindung des Küchengartens in das Parterre – also in das Zentrum höfischer Repräsentation – zeigt, dass für Schulenburg das tägliche, das Praktische, das Körperliche keinen Gegensatz zur herrschaftlichen Inszenierung bildete, sondern in diese bewusst integriert wurde. Die „wohlgehaltenen Kräuter“ standen so nicht am Rand, sondern im Zentrum eines gelebten Ordnungsideals.
Das Fehlen von Zitruspflanzen und Maulbeerbäumen in der Gartenanweisung von Schloss Angern zeigt eine bewusst funktionale und klimatisch angepasste Pflanzwahl. Im Gegensatz zu den hochrepräsentativen höfischen Anlagen Frankreichs oder Preußens legte man hier den Fokus auf Obst, Spaliere, Nussbäume und robuste Alleenpflanzungen – also eine Gartenanlage, die zwischen barocker Ästhetik und gutsherrlicher Pragmatik vermittelt.