Der Garten von Angern gehört zur Gruppe der barocken Gutsgärten des norddeutschen Adels, die im 18. Jahrhundert unter dem Einfluss französischer und mitteldeutscher Gartenkunst entstanden, sich dabei jedoch deutlich von höfischen Repräsentationsgärten unterschieden. Besonders aufschlussreich ist ein Vergleich mit den benachbarten Anlagen von Schloss Briest, Schloss Hundisburg und dem Jagdschloss Letzlingen, da diese drei Gärten jeweils unterschiedliche Gewichtungen zwischen Ästhetik, Funktion und Repräsentation verkörpern.
Schloss Hundisburg: Hundisburg bei Haldensleben stellt den höfischsten Typus in der Region dar. Hier wurde ab 1693 ein Garten nach französischem Vorbild unter Anleitung von Hermann Korb und später von D’Antragues angelegt – mit einem aufwendig gestalteten Broderie-Parterre, Wasserspielen, Treillagen, Terrassen und einer monumentalen Orangerie. Der Garten diente eindeutig der Selbstdarstellung des Bauherrn, orientierte sich an Versailles und steht für eine barocke Repräsentationslandschaft.
Im Gegensatz dazu verzichtet Angern bewusst auf ornamentale Broderien, Kaskaden oder Skulpturenachsen. Die Gartenflächen sind funktionsorientiert, aber dennoch symmetrisch und durchzogen von Sichtachsen. Während in Hundisburg die Inszenierung von Macht im Vordergrund steht, dominiert in Angern der Gedanke einer nützlich geordneten Natur:
„Der Garten von Angern folgte nicht dem Modell eines hochrepräsentativen barocken Lustgartens mit Broderie-Parterres, wie etwa in Hundisburg, sondern war ein Gutsgarten, der barocke Tendenzen mit praktischen Aspekten verband.“
Schloss Briest: Schloss Briest (südlich von Tangermünde) hingegen repräsentiert eine dem Angerner Modell ähnliche Gutsanlage. Der Garten war zwar nach barocken Prinzipien gegliedert – mit einer Mittelachse, seitlichen Rasenstücken und Randpflanzungen –, wurde aber wie in Angern für den Obst- und Gemüseanbau genutzt, ergänzt durch eine funktionale Baumschule. Auch in Briest wurde die Mauerinnenseite mit Spalierobst bepflanzt. Der Garten war somit Teil des landwirtschaftlichen Produktionssystems, nicht nur Zierfläche. Beide Gärten lassen sich dem Typus des „produktiven Barockgartens“ zuordnen, der zwischen Repräsentation und Wirtschaftlichkeit vermittelt. Die Pro Memoria Schulenburgs betont diesen Anspruch mehrfach, etwa wenn es heißt:
„[…] sollen die Vier Haubt Gänge bis an die Mauer continuiret werden […] und in denen Feldern von allerhandt Sorten Obst Bäumen busquets angelegt werden.“ (Punkte 9–10)
Jagdschloss Letzlingen: Ein weiterer interessanter Vergleichspunkt ist Letzlingen, ursprünglich als Jagdresidenz der brandenburgischen Kurfürsten angelegt. Der Garten war hier nicht primär auf Obst- oder Gemüseanbau ausgerichtet, sondern kombinierte Waldartige Partien mit axialen Sichtschneisen, um das Jagderlebnis mit barocker Raumgestaltung zu verbinden. In Angern existiert mit dem sogenannten „Thiergarten“ ein strukturell ähnlicher Bereich – östlich des Parterres gelegen, mit versetzten Alleen, Aussichtspunkten und möglicherweise einer Jagdnutzung. Auch hier wurden Hecken, Hainbuchen und Ulmen verwendet, um sichtgeführte Bewegung und Rückzugsräume zu schaffen:
„Die Allee durch den Alten Thier Garten […] müßen so gezogen werden, daß Sie mit der zeit oben zu von selbst einen Bogen Gang formiren.“ (Punkt 28)
Fazit: Ein regionaltypischer Gutsgarten mit individueller Prägung: Im Vergleich mit Hundisburg, Briest und Letzlingen wird deutlich: Der Garten von Angern gehört nicht zum höfisch-monumentalen Typus wie Hundisburg, sondern zur regional verankerten Tradition der Gutsanlagen, in denen barocke Ordnungsprinzipien mit landwirtschaftlicher Nutzung und symbolischen Gestaltungselementen verbunden wurden. Im Unterschied zu Briest zeigt Angern jedoch eine bemerkenswerte schriftliche Dokumentation (die Pro Memoria) sowie ein hohes Maß an gestalterischer Reflexion, das ihn über den reinen Funktionsgarten hinaushebt. Angern steht somit exemplarisch für eine Form des „barocken Rationalismus“ im ländlichen Raum – ein Garten, der nicht verschwenderisch, aber durchdacht und vielschichtig ist, und der sowohl das Weltbild als auch die wirtschaftlichen Notwendigkeiten des preußischen Landadels widerspiegelt.