Die barocke Gartenanlage von Schloss Angern verfügte über ein bemerkenswert vielschichtiges Wassersystem, das sowohl funktionale als auch repräsentative Zwecke erfüllte.
Die Gartenanlage verfügte über zwei voneinander unabhängige Wassersysteme: Zum einen umgab ein historischer Wassergraben die alte Burganlage. Er spielte eine wesentliche Rolle in der Versorgung der Schlossküche mit Fisch. Im Jahr 1738 wurde der Graben durch eine steinerne Umfassungsmauer eingefasst, die eine gezielte Bewirtschaftung ermöglichte. Eine Öffnung zum Wirtschaftshof erlaubte das Einziehen von Fischernetzen, was die enge funktionale Verknüpfung von Repräsentation, Wirtschaft und Küche unterstreicht.
Zum anderen ergänzten zwei rechteckige, formale Teiche im südlichen Gartenteil das System. Sie erfüllten sowohl ästhetische Funktionen im Sinne barocker Gartensymmetrie als auch praktische Aufgaben der Fischzucht und Gartenbewässerung. Ihre Einbindung in ein unterirdisches Leitungssystem mit einer Verbindung zum Wassergraben ist in der Pro Memoria detailliert beschrieben:
„Das Waßer aus denen beyden Teichen im Garten soll in diesen Graben geführt werden […]“ (Punkt 2)
Die Teiche wurden über einen sogenannten Grundzapfen reguliert, mit steinernen Treppen versehen (Punkt 23) und mit Rasenziegeln sowie Holzbohlen eingefasst (Punkt 24), um eine Verbindung von Naturbild und Nutzbarkeit zu schaffen.
Gartenteiche und Grabenverbindung
In Punkt 2 der Pro Memoria beschreibt Schulenburg die Verbindung dieser Teiche mit einem neu zu schaffenden Graben:
„Das Waßer aus denen beyden Teichen im Garten soll in diesen Graben geführt werden, darum muß […] von starcken Elsen oder so man diese nicht hat von Eichen Rinnen ausgehauen […] unter der Erde […] neben dem GitterThore durch […] gelegt werden.“ (Punkt 2)
Diese Passage belegt das Vorhandensein eines unterirdischen Leitungssystems, das durch ausgehöhlte Baumstämme (Elsen oder Eichen) realisiert werden sollte – eine gängige Technik der Zeit. Die Leitung führte vom Grundzapfen eines Teiches (einer regulierbaren Abflussöffnung) unter dem Garten hindurch in einen neu anzulegenden Graben hinter der östlichen Gartenmauer. In Punkt 3 wird betont, dass der Aushub für die inneren Gartenwege aus diesem Graben entnommen werden soll:
„Die Grabens […] sollen mit der Erde […] aus diesem aufzumachenden Graben […] zugegekarret werden, welches aber eher nicht geschehen muß, bis die Rennen gelegt […] damit das Wasser seinen ordenti. Abfluß behält.“ (Punkt 3)
Der Begriff „Rennen“ bezeichnet hier die unterirdisch verlegten Leitungen – sie sind das technische Rückgrat der Wasserführung. Ihre sorgfältige Verlegung war Voraussetzung dafür, dass die anschließenden Gartenwege nicht zu früh verfüllt und damit das Gefälle oder der Wasserabfluss gestört wurden.
Die südlichen Gartenteiche – Nutzung und Ästhetik
Im südwestlichen Teil des ummauerten Gartens lagen zwei rechteckige Teiche, die im Pro Memoria mehrfach erwähnt und in das technische Wasserführungssystem eingebunden wurden. Bereits in Punkt 2 wird ihre Rolle innerhalb des Grabensystems deutlich:
„Das Waßer aus denen beyden Teichen im Garten soll in diesen Graben geführt werden, darum muß […] von Eichen Rinnen ausgehauen, und unter der Erde […] neben dem GitterThore durch, in besagten Graben hinter der Mauer hinein gelegt werden.“ (Punkt 2)
Diese unterirdische Ableitung verband die Teiche funktional mit einem neu anzulegenden Graben, der entlang der Gartenmauer verlief. Auch in der Planung der Gartenachsen spielten sie eine Rolle:
„Diese Allee so bey dem Thor und dem Thier Garten angefangen, mus so weit es möglich bis gegen die Teiche zu continuiret werden.“ (Punkt 6)
„[…] durch den Durchschnitt, so Sie durch der langen Allee so von den Teichen nach dem Thier Garten zu gehet […]“ (Punkt 9)
Obwohl diese Allee auf der späteren Karte nicht zu sehen ist – und daher wohl nicht realisiert wurde – zeigen die Textstellen, dass die Teiche ursprünglich Endpunkte einer zentralen Sichtachse sein sollten. Die Nutzung der Teiche war jedoch nicht nur ästhetisch motiviert. In Punkt 23 wird ausdrücklich auf ihre Funktion als Fischteiche hingewiesen:
„[…] damit wann der Teich mahl wieder mit fischen besetzet, man alda 2 Auszüge zum Fischen habe […], ingl. auch daß man zum Begießen, das Waßer alda commodement holen könne.“ (Punkt 23)
Diese Stelle belegt die Doppelfunktion der Teiche: als Fischgewässer und als Reservoir für Gartenbewässerung. Die Ufergestaltung kombinierte Holz- und Rasenelemente:
„[…] nicht gantz wieder bis oben auf, sondern nur so weit als das Waßer zu steigen pfleget mit Brettern, den Rest aber mit guten Frischen und Grünen Raaßen besetzen.“ (Punkt 24)
Diese Mischung aus natürlichem Bewuchs und gezielter Befestigung ist typisch für barocke Wassergestaltung, die das „Kunstvolle im Natürlich-Anmutenden“ suchte.
Der Wassergraben – Schlossinszenierung und Schutzsymbolik
Neben den Gartenteichen gab es ein zweites, eigenständiges Wassersystem: den Wassergraben rund um das Schloss, der in mehreren Passagen des Textes ebenfalls als „Teich“ bezeichnet wird. Dieser Graben war ursprünglich Teil der mittelalterlichen bzw. frühneuzeitlichen Wehrarchitektur, wurde aber im Barock in das landschaftliche Gestaltungskonzept integriert.
In Punkt 23 ist von der „Teich Mauer“ die Rede:
„[…] die Teich Mauer wieder aufgenommen und daselbst Steinerne Treppen bis an den Teich hinunter gemachet werden […]“ (Punkt 23)
Gemeint ist hier wohl nicht einer der südlichen Gartenteiche, sondern die massive Mauer am Schlossgraben, die durch steinerne Treppen zugänglich gemacht werden sollte – ein Element, das gleichzeitig funktional und repräsentativ war. Auch in Punkt 25 wird deutlich, dass die Terrassen nördlich des Schlosses in Bezug zu diesem Graben stehen:
„[…] so wohl gegen des Ambtmans Hauß, als über den Teich bis über den Grundzapffen herunter […]“ (Punkt 25)
Die hier erwähnte Mauer sollte das Absacken der Terrassen verhindern und vor Erdmäusen schützen – ein Problem, das vor allem an den böschungsgleichen Grabenrändern auftreten konnte.
Fazit: Die beiden Teichsysteme der barocken Gartenanlage in Angern – die südlichen Gartenteiche und der nördliche Schlossgraben – erfüllten klar voneinander unterscheidbare, aber sich ergänzende Aufgaben: Die Gartenteiche verbanden ästhetische Achsenbildung mit praktischer Gartenwirtschaft, während der Schlossgraben Elemente der Inszenierung, Abgrenzung und Repräsentation übernahm. Die differenzierte Verwendung des Begriffs „Teich“ im Pro Memoria spiegelt diese Vielschichtigkeit historischer Gartenräume wider – und unterstreicht den technisch und symbolisch durchdachten Umgang mit Wasser im Barock.