Der Thiergarten bildet die östliche Erweiterung der barocken Gartenanlage von Schloss Angern und fungiert als landschaftlich geprägte Übergangszone zwischen der formal gegliederten Gartenarchitektur und der offenen Kulturlandschaft.
Er ist weniger streng gestaltet als das Parterre oder der Irrgarten, dennoch bewusst in das barocke Gesamtkonzept eingebunden. Die Bezeichnung „Thiergarten“ verweist auf seine ursprüngliche oder symbolische Funktion als Wildgehege, was im 17. und 18. Jahrhundert häufig Bestandteil adliger Gärten war – sowohl zur Jagd als auch als Ausdruck kontrollierter Natur.
Die Pro Memoria erwähnt den Thiergarten mehrfach in Zusammenhang mit geplanten Alleepflanzungen und Wegeführungen, die sowohl landschaftlich einbinden als auch symbolisch strukturieren sollten. In Punkt 6 heißt es:
„Diese Allee so bey dem Thor und dem Thier Garten angefangen, mus so weit es möglich bis gegen die Teiche zu continuiret werden.“ (Schulenburg, Pro Memoria, Punkt 6)
Diese Allee war als sanft geschwungener Weg mit Eschenbepflanzung geplant, der durch seine halbrunde Linienführung bewusst einen Kontrast zur Geradlinigkeit der inneren Gartenachsen setzte. Die Verwendung junger, gerader Eschen spricht für eine landschaftlich elegante, aber symbolisch kontrollierte Gestaltung – typisch für die spätbarocke Auflösung der Strenge zugunsten einer „natürlicheren“ Gartenästhetik. Auch Punkt 28 nennt eine zweite Allee, die durch den „alten Thiergarten“ verlaufen sollte – mit Hainbuchen oder Rüstern, etwas breiter als das Gittertor:
„Sie müßen so gezogen werden, daß Sie mit der Zeit oben zu von selbst einen Bogen Gang formiren.“ (Punkt 28)
Diese Planung zielt auf einen laubüberwölbten Gang, der durch das Wachstum der Bäume allmählich entsteht – ein Sinnbild für barocke Zeitlichkeit, Geduld und organisches Wachstum.
Fazit: Der Thiergarten war in Angern keine einfache Wildwiese, sondern ein durchstrukturierter Landschaftsraum, in dem sich naturnahe Gestaltung, soziale Kontrolle und symbolische Überhöhung verbinden. Die geplanten Alleen – in ihrer Mischung aus Geradlinigkeit und geschwungener Führung – spiegeln das barocke Bestreben wider, auch die Übergänge zur freien Natur gestalterisch zu durchdringen. So wurde der Thiergarten zum Zwitter aus Landschaft und Inszenierung, ein Ort des Wandels zwischen gezähmtem Gartenraum und der offenen Welt.