Funktion, Bauweise und Erhaltungszustand. Das sogenannte Pforthäuschen der Burg Angern nimmt in der architektonischen Struktur und historischen Überlieferung der Anlage eine besondere Stellung ein. Als Übergang zwischen der festlandseitigen Vorburg und der wasserumwehrten Hauptburginsel war es nicht nur ein architektonisches Bindeglied, sondern auch ein funktionales Kontrollzentrum und ein Symbol der herrschaftlichen Ordnung. Der Begriff "Pforthäuschen" bezeichnet in der mittelalterlichen Burgenkunde in der Regel einen kleineren Torbau, der nicht die Funktion eines Großtores mit Zwingeranlage, sondern eines seitlichen oder vorgelagerten Wach- und Kontrollpunkts übernimmt. In Angern war das Pforthäuschen am äußeren Ende der Zugbrücke auf der Hauptinsel angesiedelt. Es kontrollierte den Zugang zur Inselburg, die durch einen Wassergraben vom festländischen Vorbereich getrennt war.
Ein zentraler Hinweis auf seine Existenz und Bedeutung stammt aus der Dorfchronik Angern, in der der Zustand der Anlage nach der Zerstörung von 1631 beschrieben wird:
„Außer dem mangelhaften Brauhause ohne den geringsten Inhalt und einem Dach- und Fachlosen Viehstall nur noch das Pforthäuschen stand.“ (Dorfchronik Angern, Gutsarchiv, um 1650).
Diese Passage belegt, dass das Pforthäuschen – im Gegensatz zu den übrigen Vorburgbauten – den Brand überstand und vermutlich massiv gebaut oder durch seine Lage geschützt war. Es war damit das einzige erhaltene funktionale Bindeglied zwischen Vorburg und Hauptinsel.
Funktional diente das Pforthäuschen der Überwachung des Personen- und Warenverkehrs. Es war der übliche Ort für die Begrüßung von Besuchern, das Abfassen von Nachrichten, das Überbringen von Befehlen oder die Einweisung von Lieferanten. In Klosteranlagen wie Loccum oder Corvey übernahmen vergleichbare Bauten eine kombinierte Wach- und Empfangsfunktion. In Adelsburgen wie Ziesar oder Kalbe (Milde) befinden sich Pforthäuschen stets in der Achse der Zugangsbrücke, meist unmittelbar auf dem Inselkörper.
Ob das Pforthäuschen bewohnt war, lässt sich nicht belegen, ist jedoch aufgrund der Quellenlage ("nur noch das Pforthäuschen stand") als wahrscheinlicher Notaufenthaltsort nach der Zerstörung anzunehmen.
Das Pforthäuschen der Burg Angern befand sich, wie der Grundriss nahelegt, unmittelbar am inneren Ende der nördlichen Zugbrücke auf der Hauptinsel. Es diente als Kontroll- und Durchgangsbau, vermutlich mit einem Tonnengewölbe oder einer kleinen Oberstube über dem Eingang. Der rückwärtige Ausgang des Pforthäuschens öffnete sich direkt in den zentralen Wirtschaftshof der Anlage, wodurch eine klare Sichtbeziehung zu den Hauptgebäuden – wie Wohnhaus, Küche und Speicher – bestand. Diese Raumfolge entspricht dem typischen Aufbau vergleichbarer Anlagen wie Ziesar oder Lenzen, wo das Torhaus ebenfalls direkt an der Brückenachse lag und in den offenen Innenhof überleitete. Auch in Beetzendorf lässt sich eine ähnliche Abfolge nachweisen. Es ist daher architektonisch korrekt, dass das Pforthäuschen in Angern nicht isoliert, sondern funktional und räumlich eingebunden war – als Schwelle zwischen befestigtem Außenraum und dem inneren Kernbereich der Hauptinsel. Der Zugang erfolgte wahrscheinlich über einen gepflasterten, leicht abschüssigen Hofbereich.
Die erhaltene Bezeichnung und Überlieferung machen das Pforthäuschen zu einem der bedeutendsten Einzelelemente in der Rekonstruktion der funktionalen Gliederung von Burg Angern. Seine Sonderstellung ergibt sich aus seiner strategischen Lage, seiner architektonischen Robustheit und seiner symbolischen Bedeutung als Schwelle zwischen weltlicher Arbeit und herrschaftlichem Raum.
Quellen
- Dorfchronik Angern, Handschrift um 1650, Gutsarchiv Angern
- Ziesemer, Ernst: *Die mittelalterlichen Burgen der Altmark*. Magdeburg 1994
- Boockmann, Hartmut: *Die Burgen im deutschen Sprachraum*. München 2002
- Pätzold, S.: *Pforten und Torhäuser im Mittelalter*. In: *Burgen und Schlösser* 1/2017, S. 5–19