Wasserschloss Angern
Das Wasserschloss Angern wurde 1736 im Auftrag von Christoph Daniel v.d. Schulenburg im Rokoko-Stil erbaut und 1843 klassizistisch umformt.

„Zu ewigen Zeiten als ein erbliches unwiderrufliches Eigentum“ – Der Kauf des Ritterguts Angern-Vergunst durch Christoph Daniel von der Schulenburg (1738): Mit dem am 2. Mai 1738 geschlossenen Kaufvertrag über das Lehn- und Rittergut Angern-Vergunst erfolgte ein markanter Einschnitt in der Besitzgeschichte der Familie von der Schulenburg. Der Vertrag dokumentiert nicht nur die rechtliche und wirtschaftliche Übertragung von Eigentum innerhalb des weitverzweigten Adelsgeschlechts, sondern gewährt auch tiefe Einblicke in Formen adeliger Besitzkonzentration, Finanzierungsstrategien und innerfamiliärer Güterverfassungen im Brandenburg-Preußen des 18. Jahrhunderts.

Besitztransfer innerhalb der Familie

Der Käufer, Christoph Daniel von der Schulenburg, war zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Generalleutnant in sardinisch-piemontesischen Diensten. Als langjähriger Militär und Diplomat hatte er umfangreiche Erfahrungen im europäischen Dienstadel gesammelt und offenbar bedeutende Rücklagen aus seinem ausländischen Soldwesen angesammelt, die ihm nun zur Verfügung standen. Der Verkäufer hingegen, Adolf Friedrich Reichsgraf von der Schulenburg, war königlich-preußischer Generalmajor und besaß das Gut bislang als Teil einer familiären Erbteilung.

Die Besonderheit des Kaufes liegt darin, dass er nicht zwischen Fremden, sondern innerhalb derselben Familie vollzogen wurde. Dennoch handelt es sich nicht um eine bloße Übertragung im Rahmen einer Erbfolge, sondern um eine rechtlich vollständig ausgestaltete und finanziell abgesicherte Kaufhandlung. Der Kauf erfolgte „zu ewigen Zeiten als ein erbliches unwiderrufliches Eigentum“ und sollte damit nicht nur formal, sondern auch substantiell die vollständige Verfügungsgewalt über das Gut Angern-Vergunst sichern. Ein zentraler Bestandteil der rechtlichen Absicherung war der Nachweis der ununterbrochenen Eigentumskette, die im Kaufvertrag deutlich gemacht wird:

„[...] mit allen Rechten, Gerechtigkeiten und Pertinentien [...] wie Herr Verkäufer selbige von dero Herrn Vater und Vorfahren ererbet, solche in brüderlicher Teilung ihm zugefallen und zeithero eigentümlich besessen [...].“

Diese Formel entsprach dem frühneuzeitlichen Ersatz für ein modernes Grundbuchsystem. Ein staatlich geführtes Kataster oder Grundbuch existierte in Brandenburg-Preußen zu diesem Zeitpunkt noch nicht in flächendeckender Form. Stattdessen beruhte der Eigentumsnachweis auf ererbtem Besitzrecht, brüderlicher Erbteilung, faktischem Eigentum und öffentlich beglaubigten Verträgen. Der Vertrag erfüllt damit nicht nur ökonomische, sondern auch juristische Funktionen: Er ist zugleich dispositives Instrument und urkundlicher Besitznachweis in einem System, das auf familiärer und landesherrlicher Legitimation beruhte.

Der Erwerb umfasste nicht nur das zentrale Gut Angern-Vergunst, sondern auch den sogenannten „Alt-Hansens Teil“ sowie alle mit dem Besitz verbundenen Rechte: Wohngebäude, Wirtschaftsflächen, Mühlen, Braugerechtigkeit, Krugverlag, Gerichtsbarkeit (Ober- und Untergerichte), Fischerei, Wald- und Weiderechte sowie sämtliche zinspflichtigen Untertanen. Besonders bemerkenswert ist die Einbeziehung kirchlicher Rechte, etwa von Kirchenlehn und Kirchenstühlen, ebenso wie der dezidierte Einschluss der hohen und niederen Jagden.

Zwei kleinere Flächen – eine Wiese am Zibberickschen Stieg sowie die Ramstedter Schützenwiese – wurden explizit ausgenommen und dem bereits bestehenden Besitzkomplex Ramstedt zugewiesen. Diese Ausnahme zeigt, dass auch bei innerfamiliären Transaktionen eine präzise und vertraglich festgelegte Grenzziehung vorgenommen wurde.

Damit wird deutlich, dass der Erwerb des Ritterguts nicht allein dem Zweck der Arrondierung diente, sondern Teil einer größeren Strategie war: Christoph Daniel sicherte sich mit dem Gut Angern-Vergunst eine vollständige territoriale und herrschaftliche Einheit, die in sich geschlossen funktionierte. Der Kauf bedeutete nicht nur eine Besitzmehrung, sondern die konkrete Ausdehnung seiner Grundherrschaft, verbunden mit Rechtsgewalt, Abgabenhoheit und symbolischer Repräsentation.

In der Summe zeigt sich ein Muster aristokratischer Selbstbehauptung im 18. Jahrhundert: Besitz als Quelle von Legitimation, ökonomischer Autarkie und familiärer Stabilität – abgesichert durch einen juristisch präzise formulierten Kaufvertrag innerhalb des Hauses Schulenburg.

Finanzielle Dimensionen und Zahlungsmodalitäten

Die finanziellen Regelungen des Kaufvertrags belegen ein hohes Maß an ökonomischer Raffinesse und strategischer Planung. Die vereinbarte Kaufsumme für das Rittergut Angern-Vergunst belief sich auf insgesamt 50.000 Reichstaler. Diese Hauptsumme wurde durch weitere spezifisch ausgewiesene Zahlungen ergänzt: 10.000 Taler für die Wohn- und Wirtschaftsgebäude, 1.000 Taler Agio in Pistolets sowie weitere 1.000 Taler für Braugeschirr, Krüge, Gräben und Weiden. Zusammengerechnet ergab sich somit ein Gesamtbetrag von mindestens 62.000 Reichstalern.

Von besonderem Interesse ist die Ausgestaltung der Zahlungsmodalitäten. Nur ein Teil des Kaufpreises sollte sofort in bar beglichen werden:

„[...] zwanzig [Taler] in Louisblanc bei der Übergabe des Guts [...].“

Die verbleibenden 30.000 Reichstaler wurden in zwei Raten zu je 15.000 Talern fällig, zahlbar zu den Terminen Michaelis 1739 und Michaelis 1740. Diese Zahlungsaufschübe waren mit einem Zinssatz von vier Prozent zu verzinsen – eine übliche Praxis der Zeit, die sowohl der Absicherung des Verkäufers als auch der planbaren Liquiditätssteuerung des Käufers diente. Die vertragliche Regelung differenziert die Verzinsung sogar dynamisch: Nach Tilgung der ersten Rate wurde nur noch die Restschuld verzinst. Solche Staffelverzinsungen zeugen von hoher Vertragspräzision und wirtschaftlichem Kalkül.

Die Wahl der Münzsorten – unter anderem Louisd’or, Louisblanc und Pistolets – belegt die Einbindung des Gutserwerbs in eine überregionale und internationale Finanzsphäre. Diese Goldmünzen zirkulierten im gesamten Alten Reich und darüber hinaus. Für Christoph Daniel, der lange in ausländischen Diensten stand, lag ihre Verwendung nahe: Sie garantierten Stabilität, erleichterten den Austausch mit Händlern, Vermittlern und Gläubigern – und waren zudem ein Statussymbol ökonomischer Leistungsfähigkeit.

Über die reinen Grundstückswerte hinaus wurden auch die Vieh-, Hof- und Feldinventarien separat vergütet. Die Bewertung dieser Posten sollte nicht willkürlich, sondern durch eine vereidigte Taxkommission erfolgen. Maßstab war unter anderem der Marktpreis in Magdeburg:

„[...] das Getreydig zur Saatzeit nach marktgängigem Preis in Magdeburg [...].“

Auch für Düngung und landwirtschaftliche Dienstleistungen existierten feste Ansätze – etwa zwei Taler je Morgen bei voller Mistung oder acht Groschen je Saatfuhre. Die Pflugarbeit wurde mit sechs Groschen pro Morgen veranschlagt. Daraus ergibt sich ein bemerkenswert systematisches Bild frühneuzeitlicher Agrarökonomie, in dem betriebliche Leistungen bereits monetarisiert und standardisiert waren.

Diese ökonomische Differenzierung setzt sich auch in der Behandlung der Altlasten fort: Der Käufer verpflichtete sich, ausstehende Schulden des bisherigen Pächters gegenüber Untertanen bis zu einem Gesamtbetrag von 200 Talern zu übernehmen. Für darüber hinausgehende Beträge wurde eine halbjährige Zahlungsfrist eingeräumt. Diese Klausel zeigt, dass Christoph Daniel nicht nur Besitz, sondern auch laufende ökonomische und soziale Verflechtungen übernahm – samt ihrer Risiken und Pflichten.

Schließlich ist festzuhalten, dass der Kaufpreis zwar hoch war, jedoch keineswegs als rein statischer Vermögensabfluss zu betrachten ist. Vielmehr handelte es sich um eine bewusst geplante Investition in ein Herrschaftszentrum mit wirtschaftlicher Substanz und langfristiger Renditeerwartung – sei es durch Pachteinnahmen, Gerichtserträge, Eigenbewirtschaftung oder Repräsentation. In der Summe ist die Zahlungsstruktur ein Spiegel aristokratischer Rationalität im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus.

Die konkreten Zahlungsflüsse im Anschluss an den Vertragsabschluss belegen eindrucksvoll das transnationale Finanzgeflecht, das Christoph Daniel von der Schulenburg zur Deckung der Kaufsumme nutzte. Wie archivalisch nachgewiesen (Gutsarchiv Angern, Rep. H 13, Nr. 336, Nr. 409, Nr. 412), ließ er einen Großteil der fälligen Beträge über einen Vertrauensmann namens Monsieur Sandrat in Magdeburg abwickeln, der wiederum als Zahlungsvermittler für die in Turin deponierten Guthaben fungierte. In mindestens drei dokumentierten Fällen quittierte Sandrat Einzelzahlungen in Höhe von insgesamt 11.027 Talern „par Ordre Mons. du Mont“, was eindeutig auf eine strukturierte Rückführung der im Ausland erworbenen Mittel nach Deutschland hinweist. Dieser Vorgang zeigt nicht nur die internationale Reichweite schulenburgischer Finanzoperationen, sondern auch die Verknüpfung privater Kapitalanlagen mit lokalem Gütererwerb und Territorialpolitik. Die späte Auszahlung von Raten zu Michaelis 1739 und 1740 erfolgte somit im Rahmen eines bewusst gesteuerten Rücktransfers sardischer Einkünfte.

Per aversionem – Pauschalkauf statt Einzelaufstellung

Ein bemerkenswerter juristischer Aspekt des Kaufvertrags ist der gewählte Modus der „Verkaufung per aversionem“. Damit ist gemeint, dass das Gut nicht stückweise, nach einzeln benannten Bestandteilen, sondern als Gesamtkomplex pauschal verkauft wurde. Es handelt sich also um einen sogenannten Globalverkauf, bei dem keine dezidierte Aufstellung der Teilobjekte erfolgt und auch keine Einzelgewährleistungen übernommen werden:

„[...] weil die Verkaufung des Guts per aversionem und nach keinem spec. Anschlag geschehen [...] zu keiner Gewährleistung verbunden [...].“

Diese Klausel steht im Kontrast zu anderen Kaufverträgen der Frühen Neuzeit, in denen oft Inventare mit detaillierter Auflistung aller baulichen, agrarischen und mobilen Vermögenswerte angefertigt wurden. Der Verzicht auf einen solchen Anhang spricht für ein besonders hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen zwischen den Kontrahenten – hier insbesondere als Ausdruck der familiären Bindung innerhalb des Hauses Schulenburg.

Zugleich ermöglichte der pauschale Modus eine beschleunigte Vertragsabwicklung. In einem Kontext, in dem Grundbesitz nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch rechtlichen und politischen Status definierte, konnte ein solcher Vertragsstil strategisch genutzt werden, um schnell Klarheit über Eigentumsverhältnisse und Nachfolgerechte zu schaffen. Auch steuerliche Erwägungen könnten eine Rolle gespielt haben, da Einzelbewertungen potenziell die fiskalische Belastung erhöhen konnten.

Der Verzicht auf spezifizierte Gewährleistung bedeutet jedoch nicht, dass der Verkäufer gänzlich aus der Verantwortung entlassen wurde. Vielmehr verpflichtet sich Adolf Friedrich von der Schulenburg an anderer Stelle zur Haftung im Falle rechtlicher Ansprüche Dritter auf Teile des Guts oder seiner Rechte:

„[...] er dafür stehen und haften auch darunter alle Gewähr leisten wolle, so wie es zu Recht geschehen solle [...].“

Diese Verbindung aus pauschalem Verkauf und rechtlicher Restgewähr zeigt die Balance zwischen pragmatischer Vertragsgestaltung und der Absicherung von Rechtsfrieden.

Nicht zuletzt ist der Modus „per aversionem“ auch Ausdruck eines wandlungsfähigen Rechtsbewusstseins: Das Gut wird als funktionale Einheit betrachtet, als „Herrschaftskörper“ mit materiellen, juristischen und sozialen Dimensionen. Der Erwerb betrifft nicht nur Besitz, sondern die Institution Gut als strukturierte Einheit von Land, Leuten, Rechten und Verpflichtungen.

Juristische Absicherung und Familienbindung

Ein zentrales Element des Kaufvertrags ist die mehrstufige Absicherung des Käufers gegen etwaige rechtliche Ansprüche Dritter sowie gegen Verzögerungen oder Ausfälle bei der Erfüllung der vertraglich vereinbarten Leistungen. Trotz des gewählten Modus „per aversionem“, also des pauschalen Verkaufs ohne detaillierte Einzelgewährleistung, enthält der Vertrag klare Haftungsklauseln zugunsten von Christoph Daniel von der Schulenburg:

„[...] er dafür stehen und haften auch darunter alle Gewähr leisten wolle, so wie es zu Recht geschehen solle [...].“

Diese Passage verpflichtet den Verkäufer zur allgemeinen rechtlichen Garantie des verkauften Gutsbestandes. Dies gilt insbesondere im Falle von An- oder Zusprüchen Dritter – etwa bei ungeklärten Eigentumsverhältnissen, Restbelastungen oder konkurrierenden Lehensansprüchen. Der Verkäufer sichert dem Käufer zudem ausdrücklich zu, dass die zugehörigen Acker- und Wiesenflächen als Ritteracker „von aller Contribution frei“ seien, also keinerlei Steuer- oder Abgabenpflicht unterlägen:

„[...] von aller Contribution frei und als Ritter-Acker verkaufet [...].“

Diese steuerliche Privilegierung war im 18. Jahrhundert ein bedeutender Aspekt des Adelsstatus und wurde hier vertraglich festgehalten und garantiert. Das Gut konnte so als wirtschaftliche Grundlage einer unabhängigen, privilegierten Lebensführung genutzt werden.

Zur Absicherung des gestundeten Kaufpreisanteils von 30.000 Reichstalern vereinbarten die Parteien eine sogenannte privilegierte Hypothek auf das verkaufte Gut selbst. Diese diente als Rückgriffsinstrument für den Verkäufer, falls der Käufer in Verzug geraten sollte:

„[...] so reserviert aber Herr Verkäufer [...] die ausdrückliche und ohnedem in denen Rechten privilegierte Hypothek an dem verkauften Gut und dessen Pertinentien [...].“

Dadurch erhielt der Verkäufer nicht nur ein Pfandrecht, sondern auch die Möglichkeit der direkten Vollstreckung („via paratissima executionis“) im Nichterfüllungsfall – eine außerordentlich starke Position, wie sie nur durch ausdrückliche vertragliche Fixierung und auf Basis des Lehnsrechts gewährt werden konnte.

Ein weiterer juristisch und dynastisch relevanter Aspekt betrifft die Stellung des Gutes innerhalb der Familie von der Schulenburg. Der Verkäufer hatte das Gut ursprünglich im Rahmen einer brüderlichen Teilung von 1710 erhalten, nun sollte es „bei der Familie conserviret“ bleiben. Es wird jedoch zugleich festgehalten, dass Christoph Daniel das Gut nicht „jure devolutionis“ (als bloße Weitergabe im Familienerbrecht), sondern „de propriis“ – aus eigenem Vermögen – erworben hat:

„[...] da derselbe das Gut de propriis acquiriret und nicht juro devolutionis bekommen [...].“

Dies begründet eine unbeschränkte Dispositionsbefugnis: Christoph Daniel konnte mit dem Gut nach seinem Belieben verfahren – sei es durch Verkauf, Vererbung oder Integration in eine eigene Linie. Diese Verbindung von innerfamiliärer Bindung und individueller Verfügungsmacht entspricht dem adligen Selbstverständnis einer zugleich dynastisch verantwortlichen und ökonomisch autonomen Herrschaftspraxis.

Die rechtliche Absicherung des Kaufs bildet somit einen Spagat zwischen familiärer Tradition, feudalem Lehnrecht und frühneuzeitlicher Vertragskultur. Sie zeigt die Übergangsphase zwischen überkommenen Bindungen und moderner Eigentumsauffassung, wie sie das 18. Jahrhundert im preußischen Adel zunehmend prägte.

Archiv- und Gerichtstransfer

Ein bemerkenswerter Aspekt des Kaufvertrags ist die explizite Übergabe sämtlicher mit dem Rittergut verbundenen Verwaltungs- und Justizdokumente. Der Vertrag nennt hierzu nicht nur allgemeine Urkunden, sondern eine beeindruckende Breite konkreter Bestände:

„[...] alle das verkaufte Gut angehende Documente, Briefschaften und Nachrichten, auch alle Acta Judicalia, Gerichtl. Protocolla, Hypothekenbuch, Edicta und Mandata [...].“

Damit übertrug der Verkäufer nicht nur Land und Gebäude, sondern auch das gesamte institutionelle Wissen und die verwaltungstechnische Infrastruktur, die für den Betrieb und die Herrschaftsausübung über das Gut erforderlich war. Besonders hervorzuheben ist die Nennung von „Acta Judicalia“ und „Gerichtl. Protocolla“. Diese deuten auf eine bereits institutionalisierte Patrimonialgerichtsbarkeit hin, die schriftlich fixiert und offenbar mit einer gewissen Regelmäßigkeit geführt wurde. Das Gutsarchiv Angern beinhaltet heute zahlreiche Dokumente aus dieser Zeit. Der Besitz eines derart dokumentierten Justizapparats zeigt, wie stark das Gut in seiner Funktion als lokales Rechtsorgan verankert war.

Die Übergabe des „Hypothekenbuchs“ verweist zudem auf ein entwickeltes System von Schulden- und Beleihungsverhältnissen, das festgehalten, geordnet und durch den neuen Eigentümer weitergeführt werden konnte. Gleiches gilt für Edikte und Mandate, die sowohl behördliche Anordnungen als auch innergutsrechtliche Regelungen betrafen.

Hinzu kommt, dass die vertraglich zugesagte Übergabe einer „über die zum Gut gehörigen Ländereien aufgenommenen Charte“ die Existenz kartografischer Dokumentation belegt. Dies ist ein aufschlussreicher Hinweis auf das Aufkommen von Vermessungspraktiken im Gutskontext der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der Besitz solcher Karten diente nicht nur zur wirtschaftlichen Bewirtschaftung, sondern auch zur rechtlichen Absicherung und zur Repräsentation von Herrschaft im Raum.

Der explizite Verzicht auf ein Entgelt für diese Unterlagen zeigt zudem, dass ihre Übergabe als integraler Bestandteil des Eigentumserwerbs verstanden wurde. In der Gesamtschau manifestiert sich hier ein für die Gutsherrschaft der Frühen Neuzeit charakteristischer Komplex aus materieller und normativer Herrschaftssicherung: Der Besitz des Guts war untrennbar mit dem Besitz seiner Aktenwelt verbunden – und damit mit dem Zugriff auf Vergangenheit, Legitimität und Kontrolle.

Insgesamt zeigt dieser Abschnitt des Vertrags, dass das Rittergut Angern-Vergunst nicht nur als ökonomischer Besitz, sondern als rechtsfähige, verwaltete und dokumentierte Herrschaftseinheit bestand. Die vollständige Übertragung der zugehörigen administrativen Grundlagen war dabei ein wesentlicher Bestandteil des Eigentumserwerbs und stärkte die Stellung Christoph Daniels als legitimer, rechtlich abgesicherter Gutsherr.

Nach der formalen Übergabe des gesamten Justiz- und Verwaltungsarchivs durch Adolf Friedrich von der Schulenburg an Christoph Daniel wurde die Überlieferung nicht nur bewahrt, sondern systematisch fortgeführt und ausgebaut. In den folgenden Jahren richtete Christoph Daniel eine strukturierte Registratur ein, die sowohl das Lehnsarchiv als auch die Patrimonialgerichtsbarkeit institutionell festigte. Die erhaltenen Archivalien – insbesondere die Serien der Protokollbücher, Kontraktenregister und Akten zu Schulden, Pachten und Gerichtsverfahren – belegen eine zunehmende Professionalisierung der Verwaltung. Ab den 1740er Jahren lässt sich eine standardisierte Aktenführung beobachten, die vermutlich auf direkte Anweisung des Gutsherrn zurückgeht. Dieses Archiv bildete die Grundlage für spätere Verwaltungsentscheidungen und wird heute unter der Signatur „Rep. H Angern“ im Landesarchiv Sachsen-Anhalt verwahrt. Seine außergewöhnliche Geschlossenheit macht es zu einer der bedeutendsten Quellen zur Gutsgeschichte des mitteldeutschen Adels im 18. Jahrhundert. Besonders aufschlussreich ist ein Schreiben aus dem Jahr 1742 (Rep. H Angern Nr. 409, Bl. 11), in dem Croon schreibt:

„[…] so muß das Archivum in bessere Ordnung gesetzt und die alten Acta mit neuen Registraturen verbunden werden, damit alle obligata, Recesse, recognita und Praetensionen sowohl in Sachen der Justiz als des Lehns klar und ohne Verlust zu belegen sind.“

Ein weiteres Zitat findet sich in einem internen Vermerk aus dem Jahr 1744 (Rep. H 13, Nr. 412, Bl. 32), wo Croon betont:

„[…] es ist meines Erachtens unumgänglich, daß alles, was das Jus Patronatus, die Lehns-Gefälle, auch die Contributiones der Dörfer betrifft, in einheitlichen fasciculis gehalten und von mir oder demjenigen, der dereinst diese Funktion verwalten wird, gleichförmig continuiret werde.“

Diese Zitate belegen, dass Croon aktiv an der Neuorganisation des Archivs arbeitete und es nicht nur als Aufbewahrungsort, sondern als zentrales Instrument der Herrschaftsausübung verstand.

Kontinuität von Pacht- und Schuldverhältnissen

Ein zentrales Anliegen des Kaufvertrags war die Wahrung bestehender sozialer und wirtschaftlicher Ordnungen im Gutskomplex Angern-Vergunst. Christoph Daniel von der Schulenburg verpflichtete sich, sämtliche bestehenden Erbzins- und Erbpachtverhältnisse, die vom Verkäufer oder dessen Vorgängern mit Untertanen geschlossen worden waren, zu übernehmen und bis zu deren regulärem Ablauf unverändert fortzuführen:

„[...] alle Contracte, so wegen des verkauften Guts gemachet und noch nicht geendiget sind, zu continuiren und auszuhalten [...].“

Diese Klausel bezeugt den hohen Stellenwert vertraglicher Bindungen selbst im Rahmen von Eigentumsübertragungen. Sie gewährleistete Rechtssicherheit für die Untertanen und Pächter, deren ökonomische Existenz oft direkt an diese Verträge geknüpft war. Gleichzeitig sicherte sich der neue Gutsherr die Kontinuität der Einnahmen und die Stabilität der lokalen Wirtschaftsstruktur.

Besondere Beachtung verdient der Umgang mit offenen Forderungen und Verbindlichkeiten des bisherigen Pächters (Amtmann Schünemann). Christoph Daniel erklärte sich bereit, alle bis Johanni 1738 bei den Untertanen offenstehenden und „liquiden“ Schulden des Pächters zu übernehmen – jedoch nur bis zu einer Gesamtsumme von 200 Talern:

„[...] so viel derer liquid sind, und zwischen hier und Johanni nicht ohne dieselben ruinieren beigetrieben werden können [...].“

Sollten die Schulden diesen Betrag überschreiten, wurde eine halbjährige Zahlungsfrist vereinbart. Davon ausdrücklich ausgenommen waren jedoch „Krug- und Particulier-Schulden“, also private oder gewerbliche Außenstände, die nicht aus dem Gutsherrschaftsverhältnis resultierten. Diese Differenzierung zeigt die präzise Abgrenzung zwischen öffentlich-gutsherrlicher und privatwirtschaftlicher Verantwortung.

Die Regelungen lassen Rückschlüsse auf die administrative Organisation des Guts zu: Amtmänner wie Schünemann agierten als Mittler zwischen Grundherrn und Untertanen, verwalteten Einnahmen, beaufsichtigten die Abgabenpflichtigen und führten eigenständige wirtschaftliche Aktivitäten durch. Ihre Schulden waren somit teils aus dem Amtsverhältnis heraus entstanden, teils aus privater Initiative – eine Trennung, die der neue Herr differenziert fortführte.

Nicht zuletzt steht hinter diesen Klauseln ein Verständnis von Gutsherrschaft, das auf langfristiger Stabilität und sozialer Steuerung beruhte. Die Vertragsklauseln regelten nicht nur ökonomische Übergänge, sondern auch Loyalitäten, Rechte und Pflichten innerhalb eines komplexen sozialen Gefüges. Der Käufer wurde nicht nur Eigentümer, sondern auch Rechtsnachfolger in einem dichten Netz von Verpflichtungen, Schutzversprechen und Herrschaftsbeziehungen.

Beilegung von Konflikten: Stelldamm und Kirchenstühle

Ein besonders interessanter Aspekt des Kaufvertrags ist die nachträgliche Regelung langjähriger Streitigkeiten zwischen dem Verkäufer und dem Käufer über Nutzungsrechte am sogenannten Stelldamm. Dieser Damm und die angrenzenden Wiesen waren offenbar Gegenstand intensiver Auseinandersetzungen gewesen, insbesondere im Hinblick auf Jagdrechte, Hütung (Weiderechte) und Eigentumsansprüche.

„[...] zeithero zwischen Herrn Verkäufer und Herrn Käufer [...] verschiedene Prozesse wegen des Juris Patronatus, der Jagden auch Hütung auf dem sogenannten Stelldamm und einige dabei gelegene Wiesen [...].“

Der Kaufvertrag diente somit nicht nur der ökonomischen Besitzübertragung, sondern auch als Instrument zur Herstellung innerfamiliären Friedens. Der Verkäufer verpflichtete sich, alle bisherigen Rechtsansprüche an diesen Flächen ausdrücklich aufzugeben und auch in künftigen Verfahren keinerlei Ansprüche mehr zu erheben:

„[...] sollen solche zwar nunmehro mit der durch diesen Kauf geschehenen Kombinierung beider Güter von selbsten hinweg [...].“

„[...] renunciiren [...] ausdrücklich [...].“

Diese Renunziationsklauseln dienten der endgültigen Klärung einer diffizilen Rechtslage, die vermutlich sowohl auf kartografischer als auch auf historisch gewachsener Unschärfe beruhte. Die Vereinbarung, dass durch den Kaufvertrag nun beide Gutsanteile in einer Hand vereint seien, beseitigte faktisch die bisherigen gegensätzlichen Interessenlagen und verhinderte künftige Konflikte. Das Gut wurde so nicht nur real, sondern auch rechtlich konsolidiert.

Ein weiterer Konfliktpunkt betraf den Anspruch auf Kirchenstühle für die Bediensteten des Guts Ramstedt in der Kirche von Angern. Auch dieser wurde einvernehmlich gelöst. Der Verkäufer verzichtete auf alle Ansprüche und erhielt dafür eine pauschale Geldzahlung:

„[...] es werden ihm vor die Stühle [...] mit fünfzig Taler überhaupt in Louisd'or bezahlet.“

Diese Einigung ist bemerkenswert, da Kirchenstühle im 18. Jahrhundert nicht nur praktischen Nutzen hatten, sondern auch als Symbol sozialer und herrschaftlicher Stellung galten. Die Beilegung dieser Streitfragen dokumentiert somit ein hohes Maß an vertraglicher Weitsicht und Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten.

Insgesamt wird deutlich, dass der Kaufvertrag nicht nur ökonomische und administrative Funktionen erfüllte, sondern auch gezielt zur Befriedung familiärer Interessenkonflikte eingesetzt wurde. Er leistete damit einen zentralen Beitrag zur inneren Konsolidierung der Schulenburgschen Besitzstruktur.

Obwohl der innerfamiliäre Disput durch den Kauf beigelegt wurde, blieb der Stelldamm auch in den Folgejahren ein Zankapfel – diesmal zwischen der Gutsherrschaft und der Gemeinde Wenddorf. Wie archivalische Quellen aus dem Jahr 1739 (Gutsarchiv Angern, Rep. H 13, Nr. 412, Bl. 23–26) belegen, eskalierte der Streit nun auf öffentlich-rechtlicher Ebene. Der Justitiar des Gutes, Croon, versuchte vergeblich, im Namen Christoph Daniels gegen eine Entscheidung der Magdeburgischen Regierung zu intervenieren, die aus seiner Sicht „illegitim“ war. Auch die Berufung auf fünfzehn vereidigte Zeugen und ein beigefügter Revers des Gutsherrn blieben wirkungslos. Der Fall mündete schließlich in einen Antrag auf Avokation vor das königliche Tribunal, was die politische Brisanz des Konflikts verdeutlicht.

Insgesamt wird deutlich, dass der Kaufvertrag nicht nur ökonomische und administrative Funktionen erfüllte, sondern auch gezielt zur Befriedung familiärer Interessenkonflikte eingesetzt wurde. Er leistete damit einen zentralen Beitrag zur inneren Konsolidierung der Schulenburgschen Besitzstruktur.

Rechtliche Renunziation und Anfechtungsausschluss

In einem besonders langen und detaillierten Abschnitt verpflichten sich die Vertragsparteien, auf sämtliche künftigen Einwendungen, Rechtsmittel und Anfechtungsmöglichkeiten gegen den Kaufvertrag vollständig und ausdrücklich zu verzichten. Diese sogenannte Renunziationsklausel nimmt sowohl allgemeine als auch spezifische Einwendungen in den Blick:

„[...] allen und jeden diesen Kaufcontract zuwiderlaufenden Exceptionibus und Ausflüchten sowohl in genere als in specie [...] doli mali, fraudulenta persuasionis, erroris, simulati contractus, rei non sic sed aliter gestalasionis [...].“

Diese Klausel ist juristisch bemerkenswert, weil sie nahezu das gesamte damals gängige Spektrum möglicher Klagegründe und Rückforderungsansprüche ausschließt. Die benannten Begriffe stammen größtenteils aus dem römisch-rechtlichen Fundus und waren integraler Bestandteil des frühneuzeitlichen Privatrechts – insbesondere in Fällen von Irrtum, Täuschung oder unzulässiger Preisabweichung (ultra dimidium iusti pretii).

Der Vertrag antizipiert also mögliche Streitpunkte und schließt diese präventiv aus, um eine spätere gerichtliche Auseinandersetzung zu verhindern. Selbst gegen die Anwendung der restitutio in integrum – einer Rückabwicklung bei unbilliger Benachteiligung – wird ausdrücklich Verzicht erklärt. Der Text folgt dabei einem juristischen Stil, der im 18. Jahrhundert besonders im Umfeld gehobener Adelsverträge und in notariellem Kontext üblich war. Das Muster der Klausel war bekannt und diente dazu, Verträge auch über längere Zeiträume und bei veränderten Interessenslagen unangreifbar zu machen.

Die Formulierung „wohlbedächtig und wie solches zu Recht von beständigsten und gültigsten Maßen geschehen könne“ unterstreicht nochmals die Sorgfalt und Endgültigkeit dieser vertraglichen Vereinbarung. Der Verzicht wurde nicht leichtfertig oder beiläufig ausgesprochen, sondern explizit „von sich, ihren Erben, Erbnehmern und Lehnsfolgern“.

Insgesamt bildet die Renunziationsklausel den juristischen Schlussstein des Vertragswerks. Sie schafft nicht nur Rechtssicherheit, sondern ist Ausdruck eines Verständnisses von Vertragstreue und herrschaftlicher Selbstverpflichtung, das im Hochadel des 18. Jahrhunderts zunehmend als Teil standesgemäßer Integrität verstanden wurde.

Agnatische Struktur und Lehnrecht

Der Vertrag schließt mit einer komplexen Reflexion über die innerfamiliäre Stellung des Guts Angern-Vergunst innerhalb des Hauses von der Schulenburg und dessen Einordnung in die Lehnsstruktur der Zeit. Christoph Daniel von der Schulenburg erwirbt das Gut „de propriis“, also aus eigenem Vermögen – nicht etwa im Wege der familieninternen Erbfolge oder „jure devolutionis“. Diese Differenz ist wesentlich, denn sie verleiht ihm umfassende Verfügungsrechte:

„[...] da derselbe das Gut de propriis acquiriret und nicht juro devolutionis bekommen [...].“

Trotzdem bleibt das Gut formal innerhalb der Familie gebunden: Beide Vertragsparteien „reserviren sich die Mitbelehnschaft“, also das Recht, gemeinsam oder nacheinander belehnt zu werden. In der Praxis bedeutete dies, dass das Gut zwar in der Hand eines Einzelnen lag, aber rechtlich weiterhin als Teil des Familienfideikommisses oder der Gesamtbelehnung angesehen wurde. Diese Form der Mitbelehnung war im preußischen Adelsrecht des 18. Jahrhunderts nicht unüblich und diente der Sicherung der Kontinuität des Familienbesitzes.

Gleichzeitig enthält der Vertrag aber eine bedeutende Öffnung: Christoph Daniel wird ausdrücklich das Recht eingeräumt, über das Gut nach eigenem Ermessen zu verfügen – sowohl unter Lebenden („inter vivos“) als auch durch letztwillige Verfügung („mortis causa“):

„[...] ihm die freie, ohnumschränkte Disposition davon [...] verbleiben soll [...].“

Diese Formulierung durchbricht die in vielen Lehnstrukturen vorherrschende Bindung an männliche Erbfolgelinien (agnatische Sukzession) und ermöglicht eine individuellere Gestaltung der Nachfolgeordnung. Insofern lässt sich der Vertrag als Hybridform lesen: Er integriert traditionelle Lehnsbindungen mit modernen Elementen privaten Eigentumsrechts.

Das Lehnrecht des 18. Jahrhunderts war ein Spannungsfeld zwischen landesherrlicher Obergewalt, familiärer Besitzsicherung und wachsendem ökonomischem Selbstverständnis des Adels. Der vorliegende Vertrag navigiert geschickt zwischen diesen Polen. Er respektiert die formale Zugehörigkeit des Guts zum lehnsrechtlichen Verband, wahrt familiäre Rückbindungen, lässt aber dem Erwerber maximale Gestaltungsfreiheit im Rahmen seines Eigentums.

In dieser Balance spiegelt sich ein Wandel adeliger Selbstverortung: Herrschaft wird nicht mehr nur genealogisch verstanden, sondern zunehmend auch als individuell erworbenes und gestaltbares Eigentum – ein Zeichen des Übergangs von feudalen zu bürgerlich geprägten Eigentumsvorstellungen innerhalb des Hochadels.

Fazit

Der Kaufvertrag über das Rittergut Angern-Vergunst vom 2. Mai 1738 stellt ein außerordentlich dichtes und vielschichtiges Zeugnis frühneuzeitlicher Adelskultur, Rechtsform und Wirtschaftsstrategie dar. In seiner formalen Präzision und thematischen Breite übertrifft er viele vergleichbare Vertragsquellen des 18. Jahrhunderts. Besonders auffällig ist die Verschränkung von familialer Kontinuität und individueller Verfügungsmacht – ein Charakteristikum, das sowohl die Güterordnung der Schulenburgs als auch die Wandlungsprozesse des Adelsrechts im Allgemeinen widerspiegelt.

Die Transaktion erfolgte nicht aus dynastischem Zwang oder erbfolgebedingter Notwendigkeit, sondern als bewusst ausgehandelter Kauf „de propriis“. Christoph Daniel von der Schulenburg trat in dieser Rolle nicht nur als Familienmitglied, sondern als souveräner Akteur mit strategischem Anlageinteresse auf. Der Erwerb des Guts – samt Brau- und Jagdrechten, Mühlen, Gerichtsbarkeit und Untertanen – diente der Schaffung eines wirtschaftlich autarken und rechtlich souveränen Herrschaftszentrums.

Der umfassende Quellenbestand, insbesondere das übergebene Gerichtswesen, die Hypothekenbücher, Vermessungskarten und Pachtverträge, erlauben Rückschlüsse auf eine bereits hoch entwickelte Verwaltungskultur. Diese wurde durch Christoph Daniel nicht nur übernommen, sondern – wie spätere Quellen belegen – systematisch ausgebaut und weiterentwickelt. Die Verbindung des Kaufs mit einem architektonischen Ausbauprojekt, das in den 1740er Jahren konkrete Gestalt annahm, belegt die enge Verzahnung von Grundbesitz, Verwaltung, Repräsentation und Baupolitik.

Bemerkenswert ist zudem, dass der Vertrag zugleich ein Instrument der sozialen Steuerung und familiären Konfliktlösung war. Durch die Renunziation auf langjährige Streitpunkte (Stelldamm, Kirchenstühle) sowie durch die Übernahme bestehender Verträge und Schulden wurde ein hohes Maß an Stabilität geschaffen – ein Aspekt, der in der Forschung zum frühneuzeitlichen Gutswesen häufig unterschätzt wird.

Schließlich offenbart die Vertragsgestaltung ein fortgeschrittenes juristisches Bewusstsein: Die Kombination aus „per aversionem“-Verkauf, privilegierter Hypothek, Anfechtungsausschluss und Dispositionsfreiheit im Rahmen agnatischer Lehnbindung markiert einen Übergangstypus zwischen feudaler Bindung und moderner Eigentumskonzeption. Christoph Daniel von der Schulenburg nutzte diese Rechtsform nicht nur zur Besitzmehrung, sondern zur aktiven Neugestaltung seiner Stellung als Gutsherr, Militär und Vertreter eines sich wandelnden Adelsideals im Preußen des 18. Jahrhunderts.

Der Kauf Angern-Vergunst war somit kein bloßer Vermögenstransfer – er war ein bewusster Akt der Herrschaftskonsolidierung, Territorialpolitik und familiären Selbstvergewisserung.

Die Nutzung des ab 1738 neu errichteten Herrenhauses in Angern unter General Christoph Daniel von der Schulenburg lässt sich im Kontext des mitteldeutschen Landadels als exemplarisch für den funktionalen und repräsentativen Anspruch barocker Gutshausarchitektur einordnen. Analog zu anderen Adelsresidenzen dieser Zeit gliederte sich das Nutzungsschema in Wohnfunktion , administrative Nutzung , Repräsentation , Sammlungstätigkeit und symbolisch-dynastische Verankerung . Der Rundgang durch das Schloss Angern um 1750 zeigt eindrücklich, wie dieses Haus weit über seine unmittelbaren Wohn- und Verwaltungsfunktionen hinaus als architektonischer Ausdruck adeliger Identität diente. Die Räume fungierten als Träger von Macht, Bildung, Status und genealogischer Erinnerung – sorgfältig gegliedert in öffentliches Auftreten, persönliche Rückzugsräume und repräsentative Ordnung. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1750
Das Wasserschloss Angern ist historisch gesehen eher ein Herrenhaus . Es wurde 1341 als Wasserburg auf zwei künstlichen Inseln mit einem siebenstöckigen Turm errichtet. 1631 wurde die Burg im Dreißigjährigen Krieg von kaiserlichen Truppen besetzt, durch die Schweden angegriffen und beim anschließenden Dorfbrand weitgehend zerstört. Die erhaltenen Tonnengewölbe, der Keller des Bergfrieds und Außenmauern der Hauptburg zeigen noch heute die Dimensionen der mittelalterlichen Anlage. Im Jahr 1650 fand in der ruinösen Burganlage eine Kirchenvisitation statt, bewohnt war zu dieser Zeit nur noch ein Teil.
Die bauliche Umgestaltung des Herrenhauses in Angern in den Jahren um 1843 markiert einen tiefgreifenden Wandel in der Nutzung und Raumordnung des Hauses. Unter den Nachfahren des Generals Christoph Daniel von der Schulenburg wurde das barocke Erscheinungsbild durch klassizistische Elemente überformt, die sich sowohl in der Fassadengestaltung als auch in der Raumgliederung widerspiegeln.Es dominierte eine hell verputzte Fassade und eine vereinfachte Tür- und Fensterrahmung. Diese Elemente spiegeln die Orientierung am Ideal der "edlen Einfachheit" wider, wie sie seit Winckelmann als Leitbild klassizistischer Baukunst galt. Dieser Umbau ist im Kontext der Adelsgeschichte des 19. Jahrhunderts als Ausdruck einer funktionalen Anpassung und bürgerlich geprägten Repräsentationskultur zu verstehen. Der Raum links neben dem Gartensaal um 1850
In jedem Jahrhundert erlebt die Familie von der Schulenburg und das Haus in Angern bedeutende Veränderungen, doch sie lassen sich nie entmutigen – immer wieder gelingt ein entschlossener Neuanfang gemäß dem Leitsatz "Halte fest was Dir vertraut". Bis 11. Jahrhundert , 12. Jahrhundert , 13. Jahrhundert , 14. Jahrhundert , 15. Jahrhundert , 16. Jahrhundert , 17. Jahrhundert , 18. Jahrhundert , 19. Jahrhundert , 20. Jahrhundert , 21. Jahrhundert .
Vom höfischen Tableau zur rationalisierten Wohnwelt: Die Wohn- und Funktionsräume des Schlosses Angern spiegeln in exemplarischer Weise den sozialen und kulturellen Wandel des Adels im langen 18. Jahrhundert wider. Zwischen dem Rokoko-inspirierten Repräsentationskonzept unter General Christoph Daniel von der Schulenburg (†1763), der verwaltungstechnisch durchrationalisierten Ordnung unter Friedrich Christoph Daniel (†1821) und dem klassizistischen Umbau unter Edo von der Schulenburg (ab 1841) lassen sich klare strukturelle und ästhetische Entwicklungslinien feststellen. Die verfügbaren Inventare von 1752 (Rep. H 76) und 1821 (Rep. H 79) sowie die bau- und kulturgeschichtliche Beschreibung um 1845 erlauben eine vergleichende Analyse der sich wandelnden Raumfunktionen.
Nach der Zerstörung der Burganlage von Angern im Dreißigjährigen Krieg – dokumentiert etwa 1631 durch den Einfall der Truppen Tillys – blieben nur Teile des Kellers der Vorburg und das Turmgewölbe sowie möglicherweise auch das Tonnengewölbe daneben erhalten. Aus diesen Resten entstand ab etwa 1650 ein schlichter Neubau, der baulich und funktional zwischen ruinöser Burg und barockem Schloss vermittelt. Die neue Wohnanlage umfasste laut Quellenbefund drei Hauptbestandteile: das zweigeschossige Haupthaus, ein einstöckiges Nebengebäude und den dazwischenstehenden Rest des Turms. Letzterer war als solcher zwar funktionslos geworden, aber architektonisch in das Ensemble eingebunden und beherbergte immerhin noch ein bewohnbares Zimmer.
Baupolitik, Raumordnung und Repräsentation auf dem Rittergut Angern um 1734 – Eine Analyse des "Pro Memoria" Christoph Daniel von der Schulenburg im Kontext vergleichbarer Gutsherrschaften. Das Gutsarchiv Angern überliefert mit 31-Punkte umfassenden "Pro Memoria" von 1734 (Rep. H Angern Nr. 409) ein einzigartiges Zeugnis adliger Planungspraxis im 18. Jahrhundert. Christoph Daniel von der Schulenburg, königlich sardischer General und Besitzer des Ritterguts Angern, skizziert darin die umfassende Neugestaltung seiner Besitzung. Das Dokument gewährt Einblick in eine administrative Rationalisierung, ästhetisch-repräsentative Raumgestaltung und die materiellen wie sozialen Strukturen eines barocken Gutes. Im Folgenden wird dieses Bauprogramm analysiert und mit zeitgleichen Gutsherrschaften in Brandenburg-Preußen und Norddeutschland verglichen.
Finanzielle Lasten und Investitionsprioritäten beim Schlossbau in Angern – Eine Analyse der Ausgabenbilanz von 1737. Die Ausgabenbilanz vom 24. Mai 1737 stellt ein aufschlussreiches Dokument über die ökonomischen Rahmenbedingungen und Prioritätensetzungen während der frühen Phase des barocken Schlossbaus in Angern dar. Christoph Daniel Freiherr von der Schulenburg , der damalige Besitzer des Ritterguts, ließ die Anlage ab 1735 unter erheblichen finanziellen Aufwendungen neu errichten. Die Bilanz verzeichnet zwischen 1735 und Mai 1737 Gesamtausgaben in Höhe von 22.026 Talern, 16 Silbergroschen und 8 Pfennig , von denen 9.100 Taler explizit als baugebundene Ausgaben ausgewiesen sind.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.