Burg Angern
Die um 1341 gegründete Burg Angern bewahrt in seltener Geschlossenheit die originale Bau-, Erschließungs- und Verteidigungsstruktur einer hochmittelalterlichen Wasserburg und nimmt damit eine herausragende Stellung innerhalb der norddeutschen Burgenlandschaft ein.

Die vertikale Erschließung mittelalterlicher Palasbauten erfolgte in der Regel über fest eingebaute Innentreppen, die sowohl funktionale als auch symbolische Bedeutung trugen. In der Burg Angern hat sich eine solche Treppenanlage im Palas erhalten, die vom tonnengewölbten Erdgeschoss in das Obergeschoss führte. Die Treppe befindet sich rechts vom Haupteingang des Palas und ist in das originale Mauerwerk integriert. Ihre Lage, Konstruktion und Materialität sprechen für eine bauzeitliche Entstehung um 1340 und machen sie zu einem bedeutenden Zeugnis hochmittelalterlicher Wohnarchitektur in der norddeutschen Tiefebene. Die folgende Befundanalyse untersucht die baulichen Merkmale dieser Treppe im Hinblick auf ihre Funktion, Einbindung und zeittypische Ausführung.

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Treppe vom Erdgeschoss des Palas in die erste Etage

Lage und Kontext

Die untersuchte Treppenanlage befindet rechts vom Hauptzugang vom Innenenhof, und stellt den ursprünglichen, offiziellen Aufgang vom tonnengewölbten Erdgeschoss in das erste Obergeschoss dar. Sie ist unmittelbar vom zentralen Flurbereich des Erdgeschosses aus zugänglich und verbindet den wirtschaftlich genutzten unteren Gewölberaum mit dem darüberliegenden Wohn- und Repräsentationsgeschoss.

Baubefund und Material

Die Treppe besteht aus massiv gearbeiteten Sandsteinstufen, die in eine beidseitig gemauerte Ziegelwand eingefasst sind. Die Stufen sind gleichmäßig in der Steigung, mit sichtbaren Abnutzungsspuren an den Trittflächen, was auf eine längere Nutzung in situ schließen lässt. Die Ziegelfassung besteht aus zweischaligem, in Kalkmörtel gesetztem Backsteinmauerwerk, das bauzeitlich oder zumindest frühneuzeitlich einzuordnen ist. Die Wangen der Treppe folgen einer regelmäßig gemauerten, leicht geneigten Wandflucht ohne erkennbare spätere Verstärkungen oder Umbauten. Die Treppe im Palas der Burg Angern weist kein sichtbares Mischmauerwerk (opus mixtum) auf, weil sie nicht Teil einer tragenden Außen- oder Trennwand ist, sondern eine sekundäre Einbautenstruktur innerhalb eines bereits vorhandenen Mauerwerkskörpers darstellt.

Bauhistorische Einordnung

Die im Eingangsbereich des Palas erhaltene Sandsteintreppe stellt ein zentrales bauliches Erschließungselement zwischen dem Erdgeschoss und den oberen Wohngeschossen dar. Aufgrund der Materialkombination aus massiven Sandsteinstufen, eingefasst in ein funktional gemauertes Ziegelgewölbe, sowie der handwerklich präzisen Ausarbeitung ist eine hochmittelalterliche Entstehung wahrscheinlich. Die Treppe fügt sich sowohl in die Baulogik als auch in die sicherheitstechnische Konzeption der Gesamtanlage ein.

Die Ausführung als innenliegende, gewölbte Hauptverbindungstreppe entspricht typologisch den bekannten Erschließungslösungen des 14. Jahrhunderts. Vergleichbare Befunde finden sich etwa in der Burg Ziesar (Brandenburg) oder in Beetzendorf (Altmark), wo steil verlaufende Sandsteinstufen unter Gewölbeüberfang das Erdgeschoss mit den repräsentativen Obergeschossen verbinden. Die Verwendung von massivem Sandstein als Trittmaterial verweist auf die dauerhafte Nutzung und besondere funktionale Bedeutung des Aufgangs innerhalb des Palas.

Die Stufen zeigen deutliche Abnutzungsspuren, jedoch keine Hinweise auf barocke oder moderne Erneuerungen. Auch die geringe Breite, die steile Steigung und die Einbindung in die originale Wandstruktur des Erdgeschosses sprechen gegen eine spätere barocke Neuinterpretation. Aus baugeschichtlicher Sicht handelt es sich somit mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein bauzeitliches oder sehr frühzeitig angelegtes Element, das in seiner Funktion, Lage und Ausführung den hochmittelalterlichen Standards für landadelige Wohnbauten entspricht.

Funktion und Bedeutung

Die Treppe bildete den zentralen vertikalen Erschließungspunkt des Palas und erlaubte den direkten Wechsel vom Erdgeschoss – mit seinen Vorrats- und Funktionsräumen – in das repräsentative Obergeschoss. Ihre Lage unmittelbar neben dem Eingang vom Innenhof verweist auf eine kontrollierte Zugangssituation und unterstreicht die klare funktionale Gliederung der Geschosse. Der Einsatz hochwertiger Materialien und die solide bauliche Ausführung machen deutlich, dass es sich um ein dauerhaft angelegtes Strukturelement handelt, nicht um eine nachträgliche Ergänzung.

Die schlichte Ausführung der Treppe im Palas der Burg Angern ist ein charakteristisches Merkmal hochmittelalterlicher Profanarchitektur im ländlichen Raum. Anstelle aufwändiger Gestaltung oder repräsentativer Elemente dominiert hier der funktionale Aspekt: Die Treppenläufe sind schmal, die Stufen aus einfachen Ziegel- oder Mischmauerwerk ohne Profilierung oder Verzierungen gefertigt. Solche nüchternen Lösungen sind typisch für Burgen, die nicht primär für herrschaftliche Inszenierung, sondern für Verwaltung und Verteidigung konzipiert waren. Die Treppe spiegelt damit den pragmatischen, wirtschaftlich optimierten Bauansatz wider, wie er für den Burgenbau des 14. Jahrhunderts in der Altmark vielfach belegt ist (vgl. Wäscher 1962; Dehio 2002).

Fazit

Die Treppenanlage ist vermutlich bauzeitlich (um 1340) und fügt sich überzeugend in die mittelalterliche Erschließungsstruktur des Palas ein. Eine endgültige Datierung wäre jedoch nur durch eine bauarchäologische Untersuchung der Einbindung in die Wandstruktur und der Mörtelverbindungen möglich. Eine bauarchäologische Detailvermessung und Materialanalyse könnte weitere Aufschlüsse zur exakten Datierung und Nutzungsgeschichte bieten. Die Treppe stellt ein authentisches und baulich intaktes Beispiel für hochmittelalterliche Erschließungselemente im Profanbau dar. Ihre Analyse liefert wertvolle Hinweise zur ursprünglichen Raumnutzung, zur inneren Organisation der Burg sowie zur handwerklichen Bauweise im mitteldeutschen Burgenbau des 14. Jahrhunderts. 

Quellen

  • Eigene Befundaufnahme 2024–2025
  • Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Brandenburg, München 2000, S. 11 (Burg Ziesar)
  • Grimm, Paul: Die vor- und frühgeschichtlichen Burgwälle der Bezirke Halle und Magdeburg, Berlin 1958, S. 360 (Beetzendorf)
  • Schmitt, Reinhard: "Befunde und Deutungen zu Keller- und Gangsystemen in mittelalterlichen Burgen", in: Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt, Bd. 14 (2005)
Im 14. Jahrhundert war die Altmark Schauplatz konkurrierender Herrschaftsansprüche. Die Markgrafen von Brandenburg, das Erzbistum Magdeburg und verschiedene Adelsfamilien wie die von Alvensleben und von Grieben rangen um Besitz, Lehensrechte und lokale Macht. Die Gründung der Burg in Angern diente der Erzdiözese Magdeburg zur militärischen Sicherung und verwaltungstechnischen Kontrolle ihrer südaltmärkischen Besitzungen. Die Anlage einer Wasserburg mit Wehr- und Wohnfunktion manifestierte die landesherrliche Präsenz in einem territorial instabilen Raum. Hauptburg Angern mit Ringmauer und Wehrgang um 1350
Die Besitzgeschichte der Burg Angern lässt sich ab dem 14. Jahrhundert anhand von Lehnbriefen, Pfandverträgen und erzbischöflichen Urkunden nachvollziehen. Die frühe Geschichte ist dabei durch häufige Besitzerwechsel und konkurrierende Lehnsverhältnisse geprägt, was auf die strategische Bedeutung der Anlage und den politischen Druck auf das Erzstift Magdeburg hinweist. Erstmals wird die Burg im Jahr 1343 als Besitz eines Gerlof von Brunhorcz erwähnt. Im Jahr 1363 erscheint Lüdecke von Grieben als Lehnsträger. Er war kein Angehöriger der hochadeligen Familie von Grieben, sondern ein Vasall, der deren Namen übernommen hatte – ein im Mittelalter verbreitetes Phänomen, um familiäre Zugehörigkeit oder Schutzverhältnisse zu demonstrieren. 1370 sind Lüdecke von Grieben und zwei Söhne des Ritters Jakob von Eichendorf gemeinsam mit Angern belehnt.
1735 ließ Christoph Daniel von der Schulenburg, ein General im Dienst des Königs von Sardinien, ein neues dreiflügeliges Schloss auf auf der 2. Insel erbauen, auf der sich auch der Turm befand. Dieses Gebäude wurde nach den Plänen des Magdeburger Landbaumeisters Fiedler gebaut, wobei zahlreiche Baufehler auftraten, die eine Fertigstellung verzögerten. Der Bau wurde schließlich unter der Aufsicht von Maurermeister Böse abgeschlossen. Von der ursprünglichen Burg auf der ersten Insel sowie dem Turm auf der zweiten Insel blieben Kellergewölbe erhalten, die heute zum Teil begehbar sind.
Dieser Rundgang durch die Burg Angern um das Jahr 1350 basiert auf einer sorgfältigen Rekonstruktion historischer Quellen, archäologischer Befunde und baugeschichtlicher Analysen. Alle Szenen, Räume und Details wurden unter Berücksichtigung realer Gegebenheiten der mittelalterlichen Anlage entwickelt – etwa der erhaltenen Tonnengewölbe, der typischen Bauweise von Palas, Bergfried und Wirtschaftsflügeln sowie Hinweise aus Inventaren und schriftlichen Überlieferungen. Ziel ist es, nicht nur die äußere Gestalt, sondern auch die Atmosphäre und Lebenswelt einer spätmittelalterlichen Burg erlebbar zu machen – so nah wie möglich an der historischen Realität, doch mit erzählerischer Tiefe. Die Bilder zeigen fotorealistische Rekonstruktionen der Burg Angern um 1350. Sie basieren auf archäologischen Befunden, historischen Quellen und vergleichbarer Bausubstanz – realitätsnah umgesetzt mit moderner KI-Technik.
Die Burg Angern im Kontext des hochmittelalterlichen Burgenbaus der Altmark. Die Burg Angern zählt zu den wenigen noch heute klar strukturell erfassbaren Beispielen hochmittelalterlicher Wasserburgen im nördlichen Sachsen-Anhalt. Errichtet vermutlich um 1340 unter dem Einfluss des Magdeburger Erzstifts, zeigt die Anlage eine außergewöhnlich gut erhaltene Grundstruktur, die sich aus drei funktional getrennten Inselbereichen zusammensetzt: Hauptburg mit Palas, südlich vorgelagerte Turminsel mit Wehrturm sowie die westlich angegliederte Vorburg mit wirtschaftlicher Nutzung. Die gezielte Gliederung in Verteidigung, Verwaltung und Versorgung veranschaulicht in exemplarischer Weise die Prinzipien rationalisierten Burgenbaus im Spätmittelalter. Ostansicht des Palas mit dem Wehrturm (KI Rekonstruktion)
Die Burg Angern um 1350: Architektur und Aufbau einer mittelalterlichen Wasserburg in der Altmark. Die Burg Angern, errichtet um 1341 unter Erzbischof Otto von Magdeburg, stellt ein herausragendes Beispiel für den Typus der mittelalterlichen Wasserburg in der Altmark dar. Inmitten eines künstlich angelegten Wassergrabens erhoben sich die Hauptburg auf einer nördlichen Insel sowie der Bergfried auf einer südlichen Nebeninsel. Die hier dargestellte Rekonstruktion basiert auf archäologischen Restbefunden, historischen Quellen (Rep. H Angern Nr. 79; Dorfchronik Angern) und Vergleichen mit zeitgenössischen Anlagen wie Kalbe (Milde), Beetzendorf und Salzwedel. Lageplan der Burg Angern mit Hauptburg, Turminsel und Vorburg um 1350
Die Burg Angern als exemplarische hochmittelalterliche Wasserburg in Norddeutschland. Die Burg Angern zählt zu den wenigen archäologisch und archivalisch gleichermaßen gut dokumentierten Beispielen hochmittelalterlicher Wasserburgen in der norddeutschen Tiefebene. Die um 1340 entstandene Anlage vereint in exemplarischer Weise militärische, wirtschaftliche und administrative Funktionen innerhalb eines klar gegliederten Burgsystems. Ihre topografische Konzeption – bestehend aus zwei künstlichen, bis heute erhaltenen Inseln inmitten eines umlaufenden Grabensystems – dokumentiert eindrucksvoll die strategischen und technischen Planungsprinzipien des Burgenbaus im mittleren 14. Jahrhundert. Zentrale Bestandteile der Gesamtanlage sind der massiv ausgeführte Wehrturm (Bergfried) auf der südlichen Insel, die Hauptburg mit dem zweigeschossigen Palas auf der nördlichen Insel sowie die südwestlich vorgelagerte Vorburg mit nachweislich wirtschaftlicher Funktion. Die bewusste funktionale Trennung von Verteidigungs- und Wirtschaftsbereich innerhalb eines geschlossen wasserumwehrten Areals folgt einem hochentwickelten, auf Autarkie und Resilienz im Belagerungsfall ausgerichteten Konzept. In ihrer baulichen Klarheit, der außergewöhnlich gut erhaltenen Geländestruktur und den dokumentierten Funktionszusammenhängen stellt die Burg Angern ein herausragendes Beispiel hochmittelalterlicher Burgplanung im Einflussbereich des Magdeburger Erzstifts dar. Ihre Erforschung bietet nicht nur neue Erkenntnisse zur Entwicklung des regionalen Niederungsburgenbaus, sondern auch zum administrativen und wehrarchitektonischen Selbstverständnis der adligen Grundherrschaft in der Altmark. Sie ist damit von überregionaler Bedeutung für die vergleichende Burgenarchäologie Mitteleuropas.
Die Vorburg der Burg Angern: Funktionsanalyse und historische Rekonstruktion unter der Annahme mittelalterlicher Vorgängermauern (ca. 1350). Die Vorburg der Burg Angern, wie sie auf einem barockzeitlichen Plan um 1760 dargestellt ist, weist eine markante rechteckige Struktur mit drei langgestreckten Wirtschaftsgebäuden und zwei freistehenden Bauten auf. Auf Grundlage architektonischer Analyse, funktionaler Einteilung sowie typologischer Vergleiche mit anderen mitteleuropäischen Burganlagen lässt sich begründet rekonstruieren, dass die barocken Gebäude auf der Struktur und dem Grundriss einer hochmittelalterlichen Vorburg basieren. Die folgenden Ausführungen widmen sich der Rekonstruktion dieser früheren Vorburg unter der Annahme eines Baubestandes aus der Zeit um 1350. Innenhof der Vorburg Angern mit Wirtschaftsgebäuden (KI-Rekonstruktion)
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.