Schulenburg Familie in Angern

Das Geschlecht derer von der Schulenburg ist eines der ältesten Adelsgeschlechter Deutschlands, dessen Wurzeln bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen.

Patrimonialgerichtsbarkeit im frühneuzeitlichen Brandenburg-Preußen: Struktur, Praxis und Herrschaftsanspruch. Die Patrimonialgerichtsbarkeit war ein zentrales Element adliger Herrschaft im frühneuzeitlichen Heiligen Römischen Reich und überdauerte in manchen Regionen bis in das 19. Jahrhundert. Insbesondere im Kurfürstentum Brandenburg und späteren Königreich Preußen stellte sie ein wesentliches Bindeglied zwischen Grundherrschaft, ländlicher Verwaltung und Rechtsprechung dar. Anhand des umfangreichen Quellenbestandes im Gutsarchiv Angern (Bestand H 13), insbesondere der Dorfordnung (Nr. 139), der Gerichtsprotokolle (Nr. 125–126), der Scharfrichterverträge (Nr. 122–124) und der Hut- und Triftsachen (Nr. 155–158), lässt sich die konkrete Ausgestaltung dieser Herrschaftsform exemplarisch rekonstruieren.

Grundlagen der Patrimonialgerichtsbarkeit

Die patrimoniale Gerichtsbarkeit basierte auf dem Grundsatz, dass adelige Grundherren – als Lehnsnehmer oder Eigentümer von Rittergütern – auch das Recht innehatten, in ihrem Territorium niedere (und mitunter auch höhere) Gerichtsbarkeit auszuüben. Dieses Recht war eng mit dem Besitz von Allodial- oder Lehnsrechten verbunden und umfasste sowohl Zivil- als auch Strafsachen. Die konkrete Ausübung erfolgte durch vom Gutsherrn eingesetzte Gerichtshalter, während das Recht zur Bestallung von Schöffen, die Einsetzung von Kirchvätern und die Kontrolle des Predigers die umfassende Verfügungsgewalt über das soziale, wirtschaftliche und religiöse Leben der Untertanen sichtbar machte【vgl. Conrad, 2007】.

Der Dorf-Articul von Angern – Normierung im lokalen Rahmen

Ein besonders aufschlussreiches Beispiel für die normative Selbstgesetzgebung eines patrimonialen Gerichtsherrn ist der sogenannte Dorf-Articul von Christoph Daniel von der Schulenburg (H 13, Nr. 139), der vermutlich um die Mitte des 18. Jahrhunderts erlassen wurde. Diese Ordnung umfasst über 100 Paragraphen und regelt detailliert das Alltagsleben in den Dörfern Angern, Wenddorf und Bülitz. Sie enthält Vorschriften zur Frömmigkeit, Schulpflicht, Eheordnung, Grenznutzung, Strafandrohungen sowie zum Wirtschaftsleben und verweist explizit auf die Magdeburgische Polizeiordnung als normativen Rahmen. Die Formulierung „nach der gerechten Willensmeinung Sr. Kgl. Maj. in Preußen…“ signalisiert, dass der Dorf-Articul als lokale Konkretisierung landesherrlicher Ordnungsvorgaben zu verstehen ist【vgl. Magdeburgische Polizeiordnung, P. III. N. 150】.

Gerichtsstube und Repositorium – Räume der Herrschaftsausübung

Die Umsetzung dieser Normen erfolgte durch die im Schloss Angern befindliche Gerichtsstube, die laut Inventar von 1752 (Rep. H 76) mit Tisch, Aktenmöbel (Repositorium) und Schlafstatt für den Gerichtshalter ausgestattet war. Diese Einrichtung fungierte als zentrale Schaltstelle zwischen Norm und Praxis. Hier wurden Gerichtsprotokolle geführt (H 13, Nr. 125–126), Kontrakte beurkundet, Nachlässe geregelt (Nr. 132–138) und Urteile gefällt. Die Existenz eines Repositoriums verweist auf den frühen Aufbau eines geordneten Archivwesens, das die Schriftlichkeit und Kontinuität patrimonialer Gerichtsherrschaft sicherte【vgl. Stolleis, 2002】.

Gerichtspraxis: Strafvollzug und Scharfrichterei

In Fällen schwerer Vergehen kam in Angern die Scharfrichterei als zentrales Exekutivinstrument zum Einsatz. Die einschlägigen Unterlagen zur Scharfrichterei (H 13, Nr. 122–124) belegen eindrücklich, dass der Schulenburgische Gerichtsbezirk über eigenes, vertraglich gebundenes Vollzugspersonal verfügte. Im Zusammenhang mit den überlieferten Strafgerichtsakten (H 13, Nr. 127–129) zeigt sich, dass auf dem Gut nicht nur Todes- und Körperstrafen verhängt, sondern auch tatsächlich vollstreckt wurden – ein deutliches Zeichen für die fortbestehende Ausübung des mittelalterlichen Blutbanns bis tief in die Frühe Neuzeit. Gleichzeitig lassen die Quellen eine allmähliche Verschiebung hin zu einer rationalisierten Strafpraxis erkennen, in der Geldbußen und Ersatzleistungen zunehmend an die Stelle körperlicher Züchtigung traten.

Die Bestellung von Scharfrichtern, Abdeckern und die Festsetzung ihrer Diensteinkünfte zeigen, wie tiefgreifend das Strafrecht in die Dorfgesellschaft hineinreichte. Der Dorf-Articul sah bei Gotteslästerung, Ehebruch oder Viehdiebstahl drastische Strafen vor – bis hin zur Todesstrafe, die im Prozess gegen Hans Wierstorp wegen Viehdiebstahls (H 13, Nr. 127) verhängt wurde. Damit wird deutlich, dass das patrimoniale Gerichtswesen nicht nur normierte, sondern mit tatsächlicher Gewaltandrohung und -ausübung verbunden war【vgl. Groß, 2011】.Die im Gutsarchiv Angern überlieferten Dokumente zur Patrimonialgerichtsbarkeit und der Scharfrichterei (H 13, Nr. 122–124) bieten einen aufschlussreichen Einblick in die strafrechtliche Infrastruktur eines patrimonialen Gerichtsbezirks im 18. und frühen 19. Jahrhundert. Die Scharfrichterei zu Angern war – wie viele vergleichbare Einrichtungen im ländlichen Preußen – nicht nur für die Vollstreckung von Todesurteilen zuständig, sondern übernahm auch Funktionen in der öffentlichen Ordnungspflege, insbesondere als Abdecker (Tierkörperverwertung), was ihren doppelten Status zwischen notwendiger Obrigkeit und sozialer Randständigkeit kennzeichnet. Die Akte H 13, Nr. 122 (1617–1770) dokumentiert vertragliche Regelungen über die Bestellung und Bezahlung des Scharfrichters, während H 13, Nr. 123 konkret die Bestellung eines neuen Scharfrichters im Jahr 1738 wohl durch Christoph Daniel v.d. Schulenburg bezeugt – ein Hinweis auf die fortlaufende Erneuerung und Bestätigung dieser Dienstverhältnisse durch den Gutsherrn selbst. Besonders aufschlussreich ist H 13, Nr. 124 aus dem Jahr 1808, das unter dem Eindruck der neu eingeführten Gewerbefreiheit die Neufestsetzung des Zinses für den Scharfrichter und Abdecker Daniel Katzenellenbogen enthält. Diese Quelle zeigt, dass auch in einer Zeit tiefgreifender rechtlicher Umbrüche – etwa durch die preußischen Reformen – das Gut Angern an traditionellen Strukturen festhielt, zugleich aber Anpassungen an neue Rahmenbedingungen vornahm. Die Benennung Katzenellenbogens, eines Trägers eines typischen Namens für sogenannte „unehrliche“ Berufe, verweist zudem auf die soziale Ausgrenzung dieser Berufsgruppe innerhalb der Dorfgesellschaft, deren Dienste jedoch unabdingbar waren. Die Existenz dieser Akten unterstreicht, dass der Schulenburgische Gerichtsherr nicht nur normativ (etwa im Dorf-Articul), sondern auch personell-institutionell über ein vollständig ausgestattetes Justizsystem verfügte – mit eigener Gerichtsstube, Gerichtshalter und Hinrichtungsgewalt. Sie belegen zugleich die Verzahnung von Strafrecht, ökonomischer Praxis und obrigkeitlicher Fürsorge im Rahmen der Patrimonialgerichtsbarkeit.

Strafgerichtsbarkeit: Der Kriminalfall um Hans Bierstorpff, dokumentiert in der Inquisitionsakte von 1688 (Gutsarchiv Angern, Signatur H 13, Nr. 1228: Acta Inquisitionalia contra Hans Bierstorpff, 1688), lässt sich als frühes Beispiel jener herrschaftlichen Strafgerichtsbarkeit deuten, die später in der speziell dafür eingerichteten Gerichtsstube des Schlosses Angern institutionell verankert wurde. Während der Fall Bierstorpff noch im Rahmen einer mobilen oder improvisierten Verhandlungsstruktur – etwa im Saal oder Amtszimmer des Gutsherren – geführt worden sein dürfte, markiert die später überlieferte Gerichtsstube im Ostflügel einen baulich und funktional gefassten Ort für die Ausübung lokaler Justiz. Die Kontinuität zwischen dem Fall Bierstorpff und der späteren Gerichtsstube zeigt, wie sich aus singulären Strafverfahren langfristige institutionelle Strukturen adliger Gerichtsausübung herausbildeten.

Verwaltungsgerichtsbarkeit und Gemeindekonflikte

Ein weiterer Aufgabenbereich patrimonialer Gerichtsbarkeit bestand in der Regelung von Gemeindekonflikten, etwa über Grenzverläufe, Gemeinweiden oder Pachtverhältnisse. Der Bestand H 13 enthält zahlreiche Klagen der Gemeinden Angern und Wenddorf über Triftrechte (Nr. 155–158), kommunale Beschwerden (Nr. 140–149) und Steuerfragen. Diese Vorgänge dokumentieren, wie der Gutsherr nicht nur oberster Richter, sondern auch Mediator und Machtfaktor in Gemeindeangelegenheiten war – eine Rolle, die tief in das Alltagsleben hineinreichte.

Auflösung der Patrimonialgerichtsbarkeit und Übergang zur staatlichen Justiz

Die Patrimonialgerichtsbarkeit als Ausdruck adliger Hoheitsrechte wurde in Preußen zu Beginn des 19. Jahrhunderts schrittweise aufgehoben. Hintergrund war die Reformpolitik der preußischen Regierung nach 1806, die unter anderem die Trennung von Justiz und Verwaltung sowie eine einheitliche, vom Staat kontrollierte Gerichtsbarkeit zum Ziel hatte. In der grundlegenden „Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Patrimonialgerichtsbarkeit“ vom 17. Juli 1820 heißt es ausdrücklich:

„Da die Patrimonialgerichtsbarkeit keine dem Staate fremde, sondern eine ihm einverleibte ist, so steht es der königlichen Regierung zu, sie ihrer ursprünglichen Bestimmung gemäß einzurichten, zu beaufsichtigen und, wo sie zweckwidrig verwaltet wird, aufzuheben“ (Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten, Nr. 33, 1820, S. 293).

Damit wurde klargestellt, dass das Recht auf Gerichtsbarkeit nicht länger ein durch Grundbesitz legitimiertes Herrschaftsprivileg, sondern eine aus dem Staat abgeleitete Funktion sei. Patrimonialgerichte konnten fortbestehen, mussten sich jedoch einer staatlichen Inspektion unterziehen und qualifiziertes Personal nachweisen. Die meisten adligen Gerichtsherren – insbesondere dort, wo der Ertrag gering oder die rechtliche Verwaltung zu aufwändig war – gaben ihre Gerichtsbarkeit gegen eine staatliche Ablösesumme auf.

Im Fall Angern zeigen die letzten Einträge im Gutsarchiv (z. B. H 13, Nr. 138) noch bis 1821 Klagen und Urteile aus Zivilsachen, etwa im Zusammenhang mit Schuldforderungen, Pacht- und Erbschaftsstreitigkeiten. Danach bricht die Serie ab – ein klarer Hinweis auf die Einziehung der Gerichtshoheit durch den Staat. Auch die bislang genutzte Gerichtsstube im Schloss Angern verliert damit ihre institutionelle Funktion und wird beim Umbau durch Edo Graf v.d. Schulenburg in ein Personaltrakt umgewandelt. Die Verordnung von 1820 sah in § 29 zudem vor, dass alle gerichtlichen Register, Akten und Siegel dem Land- oder Kreisgericht zu übergeben seien:

„Sämtliche Gerichtsprotokolle, Hypothekenbücher, und gerichtliche Akten sind nach Aufhebung des Patrimonialgerichts versiegelt und dem zuständigen königlichen Gericht zuzustellen“ (ebd., § 29, S. 301).

Viele dieser Dokumente verblieben jedoch – wie im Fall Angern – in den Privatarchiven der Familien, insbesondere wenn es sich um wirtschaftsrelevante oder genealogisch bedeutsame Unterlagen handelte. Heute ist der Bestand H 13 (Gutsarchiv Angern) Teil der Überlieferung und dokumentiert damit nicht nur die Praxis, sondern auch die schrittweise Integration adliger Gerichtsbarkeit in die preußische Staatsorganisation. Mit der Justizreform von 1849, im Zuge der Revolutionen von 1848/49, wurde die Patrimonialgerichtsbarkeit auch formal aufgelöst. Der preußische Landtag verabschiedete ein Gesetz, das den Grundsatz der Einheit der Gerichte und der Trennung von Privatherrschaft und Rechtsprechung festschrieb. Damit endete ein fast halbes Jahrtausend adliger Gerichtsbarkeit in vielen Regionen des Reichs – nicht abrupt, aber unumkehrbar.

Akteure und Abläufe patrimonialer Rechtsprechung im Gutsbereich Angern

Die patrimoniale Gerichtsbarkeit beruhte nicht allein auf der Autorität des adligen Gerichtsherrn, sondern war in ein Gefüge lokaler Ämter und ritueller Praktiken eingebettet. Der Bestand des Gutsarchivs Angern erlaubt es, die soziale Logik dieser Institution anhand konkreter Rollen und Verfahren sichtbar zu machen.

Der Gerichtshalter: Administrator und Exekutor

Im Mittelpunkt des gerichtlichen Alltags stand der vom Gutsherrn eingesetzte Gerichtshalter, der in der Gerichtsstube des Schlosses Angern amtierte. Wie das Inventar von 1752 (Rep. H 76) belegt, verfügte die Gerichtsstube über ein Schreibpult, eine Aktenablage (Repositorium) und eine Schlafstatt – Zeichen dafür, dass der Gerichtshalter dauerhaft oder regelmäßig anwesend war. Seine Aufgabe war es, die Protokolle zu führen, Gerichtstage einzuberufen, Urteile umzusetzen und Geld- oder Gefängnisstrafen zu verhängen. Dabei war er faktisch Bindeglied zwischen dem Gerichtsherrn und der Dorfbevölkerung, sowohl als juristischer Vermittler als auch als ausführende Instanz der Ordnungsmacht【vgl. H 13, Nr. 125–126】.

Der Schulze und die Bauermeister: lokale Kontrollorgane

Eine zentrale Rolle im Dorf spielten der Schulze und die jährlich neu gewählten Bauermeister. Der Dorf-Articul verpflichtet sie zur Überwachung der Feuerstätten, der Zäune, Wege und Wiesen (vgl. § 14 und § 3–4), aber auch zur Anzeige aller Vergehen vor der Gerichtsstube. Sie waren somit nicht nur Repräsentanten der Gemeinde, sondern dienten zugleich als Informanten und Kontrollinstanzen im Dienste der Obrigkeit. Ihre Funktion war vergleichbar mit der eines untergeordneten Polizeiapparats – mit dem Schulze als „gerichtlichem Vorposten“ im Dorfgeschehen.

Die Gerichtsversammlung: Prozessrituale und Sozialdisziplinierung

Die Verfahren fanden regelmäßig auf dem Gut oder in der Gerichtsstube statt. Zu einem Gerichtstag mussten die Parteien persönlich erscheinen – das Nichterscheinen wurde gestuft sanktioniert, wie § 5 im Abschnitt „Von denen Untertanen insgesamt“ des Dorf-Articuls festlegt. Auch Beleidigungen im Gerichtssaal waren ausdrücklich verboten (§ 7). Bei komplizierten Fällen konnten auch „christliche, vernünftige und verschwiegene“ Nachbarn beigezogen werden – eine Art Vorform von Laienjuroren oder Schöffen, wie sie auch in der Magdeburgischen Gerichtsordnung vorgesehen waren. Diese ritualisierte Gerichtsöffentlichkeit erfüllte mehrere Funktionen:

  • Rechtssicherung (durch Protokollierung)
  • Öffentliche Disziplinierung (durch Strafandrohung und -vollzug)
  • Reproduktion der Herrschaftsordnung (durch die Sichtbarkeit der Adelsmacht)

Das Gericht war also nicht nur ein juristisches Forum, sondern ein Ort symbolischer Machtentfaltung, in dem soziale Normen durch körperliche Strafen, Geldbußen oder Ausschluss aus der dörflichen Gemeinschaft (z. B. durch Androhung, „mit solchem Bösewicht keine Freundschaft zu halten“) durchgesetzt wurden.

Schriftlichkeit und Gerichtsarchiv

Der patrimoniale Gerichtsapparat war stark aktenzentriert. Verträge mussten im „Gerichtshandelsbuch“ eingetragen und mit dem Gerichtssiegel versehen sein, um Gültigkeit zu erlangen (§ 1 im Abschnitt „Von Kaufen, Verkaufen und anderen Contracten“). Nicht protokollierte Kaufverträge, Pachtverhältnisse oder Lehnbriefwechsel galten als null und nichtig. Die umfangreiche Überlieferung in H 13 (besonders Nr. 122–138, 155–158) zeigt, dass sich im Laufe des 18. Jahrhunderts ein hoch entwickeltes lokales Schriftarchiv herausgebildet hatte, das sowohl verwaltete als auch historische Rechtsansprüche sicherte.

Fazit

Die Patrimonialgerichtsbarkeit stellt ein komplexes Herrschaftsinstrument des frühneuzeitlichen Adels dar, das normative Ordnung, wirtschaftliche Kontrolle und soziale Disziplinierung in sich vereinte. Am Beispiel von Angern und den Ordnungen unter Christoph Daniel von der Schulenburg zeigt sich die Dichte, mit der adlige Grundherren ihre Macht nicht nur als Militärs oder Grundbesitzer, sondern auch als Richter, Gesetzgeber und Archivare ausgeübt haben. Die archivalische Überlieferung im Bestand H 13 erlaubt es, diese Praxis nicht nur in ihrer Funktion, sondern auch in ihrer symbolischen und materiellen Dimension greifbar zu machen. Die patrimoniale Gerichtsbarkeit im Gutsbezirk Angern erscheint im Lichte der archivischen Überlieferung nicht als starre Herrschaftsinstitution, sondern als dynamisches Gefüge sozialer Kontrolle, Kommunikation und Verwaltung. Ihre Stärke lag in der Verbindung von Schriftkultur, sozialen Netzwerken und ritueller Legitimation. In einer Übergangszeit zwischen barocker Obrigkeitsgewalt und frühaufklärerischer Reformpraxis bildete sie ein funktionales Modell lokaler Rechtsausübung – disziplinierend, verwaltend und legitimatorisch zugleich.

Quellen

  • Stolleis, Michael: Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. II: Staatsrecht und Verwaltungsrecht (1600–1800), München 2002.
  • Conrad, Sebastian: Rechtsräume im Übergang: Gerichtsbarkeit und soziale Ordnung im Preußen des 18. Jahrhunderts, Göttingen 2007.
  • Groß, Reiner: Die Justiz in Sachsen. Eine historische Einführung, Dresden 2011.
  • Gutsarchiv Angern, Bestand H 13, v.a. Nr. 10, 76, 122–138, 139, 140–158.
  • Magdeburgische Polizeiordnung, P. III. N. 150, hrsg. im landesherrlichen Auftrag des Kurfürsten Friedrich Wilhelm, Magdeburg 1683.
  • Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten, 1820, Nr. 33: „Verordnung wegen verbesserter Einrichtung der Patrimonialgerichtsbarkeit“ vom 17. Juli 1820.
Fritz I. von der Schulenburg (1350-1415) (Wikipedia ) war der nähere Stammvater aller drei Äste der weißen Linie des Hauses von der Schulenburg. Er hat den Übergang der Mark Brandenburg an die Hohenzollern aktiv miterlebt und zeigte sich dabei als ein selbstbewusster Schloßgesessener seiner Zeit und herausragender Vertreter des gemäßigten Teils des märkischen Adels. Etwa 1350 wird er zu Beetzendorf geboren als Sohn von Bernhard V von der Schulenburg und Margarete, geb. von Wedderde . Zu dieser Zeit wird an der Mosel die Burg Eltz erbaut, ist der Schiefe Turm von Pisa fertig und stiftet König Eduard III. von England den Hosenbandorden .
Konsolidierung und Fragmentierung adeligen Besitzes im 14. Jahrhundert. Henning I. von der Schulenburg († 1378) war ein markanter Vertreter der weißen Linie des Geschlechts von der Schulenburg und ist als Knapp[e] auf Beetzendorf und Angern bezeugt. Er war ein jüngerer Sohn Werner V. und trat spätestens 1341 in die urkundlich dokumentierte Familiengeschichte ein, als er seinen älteren Bruder Werner IV. in der Lehnhierarchie nachfolgte. In der Urkunde von 1337 wird er nicht genannt, was nahelegt, dass er zwischen 1337 und 1341 die Mündigkeit erreichte.
Kaufmann, Lehnsträger und Burgherr in Angern. Werner V. von der Schulenburg gehört zu den frühesten namentlich bekannten Mitgliedern der Familie, die sich dauerhaft auf dem Gut Angern niederließen. Seine Bedeutung liegt nicht allein in seiner Funktion als Mitbelehnter mit der dortigen Burg, sondern vor allem in seiner Rolle als Vertreter eines Adels, der im Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit zunehmend auch städtisch-wirtschaftliche Handlungsspielräume wahrnahm.
Hans XII. von der Schulenburg († 1625), Sohn des Busso VI. , gehört zu jenen Gliedern des Adelsgeschlechts von der Schulenburg , deren Leben exemplarisch für die Krisen und Konsolidierungsversuche niederadliger Gutsherrschaft im frühneuzeitlichen Brandenburg steht. Seine Biografie markiert eine Übergangsphase zwischen militärischer Karriere und ökonomischer Bedrängnis, zwischen adliger Repräsentation und realer finanzieller Überforderung.
Bernhard von der Schulenburg (1427–1469) wurde im Jahre 1448 mit seinen Brüdern Busso und Matthias durch Lehnbrief Erzbischofs Friedrich von Magdeburg zu rechten männlichen Lehen beliehen.
Busso von der Schulenburg (1415–1474) wurde im Jahre 1448 mit seinen Brüdern Bernhard und Matthias durch Lehnbrief Erzbischofs Friedrich von Magdeburg zu rechten männlichen Lehen beliehen. Er wurde somit der Begründer des älteren Zweigs der Familie von der Schulenburg in Angern.
Matthias I von der Schulenburg (1410–1479) wurde im Jahr 1448 gemeinsam mit seinen Brüdern Busso und Bernhard durch einen Lehnbrief von Erzbischof Friedrich von Magdeburg zu einem rechten männlichen Lehen mit der Herrschaft Angern belehnt und begründete den jüngeren Zweig , der den Burghof in Angern besaß. Er war ein bedeutender kurbrandenburgischer Rat, Landeshauptmann der Altmark , Ritter und Herr auf Beetzendorf sowie Pfandinhaber von Altenhausen .
Bernhard XI. von der Schulenburg († 1500 ) war der Sohn des Stammvaters des jüngeren Zweigs Matthias I. Er war Herr auf Altenhausen , Angern und Beetzendorf .
Matthias III. von der Schulenburg (* 1506, † 1542 ), gefallen in den Türkenkriegen vor Pest ) war der Sohn von Bernhard XI. von der Schulenburg . Er war Herr auf Altenhausen , Angern und Beetzendorf und setzte den jüngeren Zweig der weißen Linie fort.
Die acht Söhne des Matthias III. von der Schulenburg und Margarethe von der Lühe († 1525), die das Erwachsenenalter erreichten, zeigten bis auf den jüngsten eine ausgeprägte Neigung zum Soldatenstand und nahmen an Kriegszügen teil, aus denen drei nicht zurückkehrten. Der älteste Sohn, Jakob II. (*25.03.1515 in Beetzendorf , †1576 in Magdeburg ), ist neben Fritz VIII. der zweite große Söldnerführer , den das Schulenburg'sche Geschlecht in dieser Epoche hervorgebracht hat.
Daniel I. Reichsfreiherr von der Schulenburg (* 3. Juni 1538 in Altenhausen ; † 6. November 1594 in Angern ) lebte in einer Zeit bedeutender politischer und wirtschaftlicher Umbrüche in der Altmark und im Erzstift Magdeburg .
Henning III. von der Schulenburg (*1587, †01.09.1637) war der jüngste Sohn des Daniel I. von der Schulenburg und übernahm nach seinem Tod den Burghof in Angern. Er steht exemplarisch für die komplexe Rolle des niederen Adels im frühneuzeitlichen Brandenburg – zwischen dynastischer Kontinuität, territorialer Zersplitterung und finanzieller Prekarität. Wie sein älterer Bruder studierte er an der Universität Helmstedt, einer der führenden Bildungsstätten für den protestantischen Adel Norddeutschlands.
Henning Christoph von der Schulenburg (* 1648 oder 1649 auf Angern , † 27.12.1683 in Staßfurt ) war ein kurbrandenburgischer Hauptmann. Als der älteste Sohn von Heinrich XI. von der Schulenburg (geb. 1621, gest. 1691) und Ilse Floria von der Knesebeck (geb. 1629, gest. 1712) erbte er nach dessen Tod die Güter Angern und Falkenberg.
Heinrich XI von der Schulenburg (* 06.09.1621 auf Angern , + 19.05.1691 in Kehnert ) – Herr auf Angern, Kehnert mit Cobbel, Schricke und Falkenburg war der jüngere Sohn von Henning III. von der Schulenburg (*1587, †01.09.1637) und Catharina Schenk von Flechtingen. Er studierte an der Universität Helmstedt , einer der führenden Bildungsstätten des 17. Jahrhunderts. Sein Studium legt nahe, dass er sich früh auf Verwaltungs- und Rechtsfragen spezialisierte, um die weitläufigen und durch Kriegswirren belasteten Güter der Familie effizient zu führen.
Alexander Friedrich Christoph ( 05.08.1720 – 19.09.1801 ) ist Sohn des Heinrich Hartwig I. (Oberst auf Angern, Wenddorf und Bülitz). Sein Oheim Christoph Daniel setzte ihm im Testament das Gut Krüssau als ein Majorat aus. Im Kodizill 1763 wurde dies jedoch dahingehend geändert, dass er Angern als Majorat bekommen sollte, wenn er den österreichischen Dienst verließe und von seinem Landesherrn König Friedrich II. wegen dieses Fehlers Verzeihung erhielte.
Christoph Daniel von der Schulenburg (*1679 in Angern, †1763 ebenda) zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des brandenburgisch-preußischen Adels im 18. Jahrhundert. Sein Lebensweg vereint in exemplarischer Weise militärische Laufbahn , diplomatische Missionen und kulturelles Mäzenatentum . Nach seiner frühen militärischen Ausbildung diente Schulenburg zunächst in brandenburgischen Regimentern und trat später in die sardinisch-savoyische Armee ein, wo er bis zum General der Infanterie aufstieg. Seine militärischen Verdienste zeigten sich unter anderem in den Feldzügen in Italien und der erfolgreichen Verteidigung der Festung Pizzighettone . Parallel dazu wurde er als Gesandter des preußischen Hofes entsandt – etwa nach Warschau –, wo er diplomatisches Geschick mit militärischer Expertise verband.
Die Familiengeschichte des Hauses Angern nimmt seinen weiteren Lauf mit den Söhnen Henning Christophs v.d. Schulenburg : Heinrich Hartwig I (* 23.09.1677 auf Angern, nach anderen Quellen Staßfurth; † 17.06.1734 auf Angern) und Christoph Daniel I . Beide traten 1700 in den Dienst des Herzogs von Savoyen - dem Regiment , dessen Chef damals noch Matthias Johann v.d. Schulenburg war. Heinrich Hartwig verließ diesen als Hauptmann nach zwei Jahren und ließ sich in Angern nieder.
Friedrich Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 10. Februar 1769 auf Angern; † 16. Mai 1821 in Magdeburg) ist Sohn des Alexander Friedrich Christoph Graf von der Schulenburg .
Edo Friedrich Christoph Daniel , geb. 27.04.1816 in Angern, gest. 06.08.1904 in Angern, wurde 1821 dritter Fideikommissherr auf Angern. Edo war einziger Sohn des Magdeburger Regierungspräsidenten Friedrich Graf v.d. Schulenburg aus dessen zweiter Ehe mit der Tochter des Braunschweigischen Landdrosten, Auguste Luise Adolphine von Cramm. Bei seiner Taufe übernahm König Friedrich Wilhelm III . eine Patenstelle.
Friedrich Wilhelm Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 1843 in Angern; † 1921) war Sohn des Edo Friedrich Christoph Daniel (1816-1904) und der Helene, geb. v. Schöning. Bei seiner Taufe übernahm König Friedrich Wilhelm IV. die Patenstelle.
Sigurd Wilhelm Graf von der Schulenburg (* 1882; † 1956), Sohn des Friedrich Wilhelm Christoph Daniel (1843-1921) war der fünfte und letzte Fideikommissherr auf Angern. Bei seiner Taufe am 5. November 1882 übernahm Kaiser Wilhelm I. eine Patenstelle , wie auch bei seinem Vater, Großvater und Urgroßvater die damals regierenden preußischen Könige Taufpaten gewesen waren.
Kuno Wilhelm Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 1923 in Magdeburg; † 1987 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Jurist und Mitglied der XXI. Generation der Familie von der Schulenburg. Kuno Wilhelm wurde als einziger Sohn von Sigurd-Wilhelm Graf von der Schulenburg geboren.
Alexander Friedrich Christoph Graf von der Schulenburg wurde am 4. August 1968 in Frankfurt am Main geboren. Er ist Sohn von Kuno Wilhelm Christoph Daniel (1923-1987) und Jutta, geb. v. Franocis. Er führt die lange Tradition seiner Familie fort, die seit fast 500 Jahren in Angern verwurzelt ist, und engagiert sich aktiv für die Bewirtschaftung der wieder eingerichteten Forstbetriebs sowie die Rekonstruktion und Erhaltung des Schlosses und des Parks.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.