Nach der Zerstörung der mittelalterlichen Wasserburg im Jahr 1631 wurde ab etwa 1640 ein funktionaler Wiederaufbau auf den erhaltenen Fundamenten in Angriff genommen. Dabei entstand ein zweigeschossiges Wohnhaus mit 15 Fensterachsen, Speisezimmer, Küche, mehreren Kammern und einem Kabinett. Das Erdgeschoss wies einfache Gipsböden auf, während das Speisezimmer über Holzdielen verfügte; im Obergeschoss befanden sich eine Verwalterwohnung sowie ein als Kornboden genutzter Bereich. An den Bergfried, dessen Erdgeschoss mit Schießscharte bis heute erhalten blieb, schloss sich ein eingeschossiges Nebengebäude an. Es umfasste eine Stube mit Kabinett und Kammer und diente vermutlich als Wohn- oder Wirtschaftsraum für Bedienstete oder als Küche und Lagerraum (vgl. Gutsarchiv Angern, Rep. H 412).
Die heutige Gestalt des Schlosses Angern geht im Wesentlichen auf die Bautätigkeit Christoph Daniel von der Schulenburg in den Jahren nach 1738 zurück. Der General der Infanterie in sardinischen Diensten hatte das Gut übernommen, um den Vorgängerbau in ein standesgemäße Herrenhaus zu verwandeln, das zugleich als Repräsentationsbau und als Ausdruck seiner familiären und militärischen Identität fungierte. Beim barocken Umbau ab 1738 wurde insbesondere das massiv gemauerte Erdgeschoss des ehemaligen Bergfrieds mit der erhaltenen Schießscharte zusammen mit einem benachbarten Tonnengewölbe in den Ostflügel des Schlosses integriert, womit der mittelalterliche Turm erstmals dauerhaft in die neue Raumstruktur aufgenommen wurde.
Die Planung wurde dem Magdeburger Landbaumeister Friedrich August Fiedler übertragen, der bereits seit 1726 als offizieller Landbaumeister des Herzogtums Magdeburg wirkte. Fiedler entwarf eine barocke Dreiflügelanlage mit einem zweigeschossigen Hauptflügel und eingeschossigen Seitenflügeln, die einen Ehrenhof in Hufeisenform umschlossen. Die Bauausführung übernahm zunächst der Rathenower Baumeister Jaeckel. Aufgrund gravierender Mängel in der Bauausführung und finanziellen Unregelmäßigkeiten wurde Jaeckel jedoch entlassen und durch den Maurermeister Böse ersetzt. Die Bauaufsicht führte in der Folge der Sekretär Croon. Er war als Sekretär und späterer Oberamtmann ein zentraler Akteur in der Bau- und Verwaltungsgeschichte des Schlosses Angern. Die Akten zeugen davon, dass Croon nicht nur für administrative Aufgaben verantwortlich war, sondern später auch eine aktive Rolle in der Ausübung der Patrimonialgerichtsbarkeit spielte. Als Oberamtmann agierte er somit an der Schnittstelle von Bauleitung, Gutsherrschaft und ländlicher Rechtsordnung, was seine besondere Stellung innerhalb der Herrschaftsstruktur des 18. Jahrhunderts unterstreicht.
Stilistisch folgt der Bau einem gemäßigten mitteldeutschen Spätbarock, der sich durch Funktionalität, klare Achsen und geringe plastische Ausarbeitung der Fassaden auszeichnet. Der Hauptbau erhebt sich auf einem hohen Sockel und wird von einem Ziegelwalmdach abgeschlossen. Die Fassaden sind schlicht gehalten, mit gleichmäßigen Fensterachsen und dezenten Putzquaderungen. Risalite oder auffällige Portale fehlen, was die Orientierung am ländlichen, aber repräsentativen Landhausstil des 18. Jahrhunderts unterstreicht. Als Baumaterialien kamen Ziegelmauerwerk, verputzte Fachwerkkonstruktionen und lokal verfügbare Bruchsteine zur Anwendung. Der mittelalterliche Kern im Bereich des Ostflügels blieb erhalten und wurde in die barocke Geometrie integriert. Besonders bemerkenswert ist die geschickte Einbindung der historischen Substanz in ein modernes barockes Raumkonzept.
Im Inneren jedoch entfaltete sich ein deutlicher Einfluss des Rokoko, vor allem in der Deckengestaltung im Gartensaal, der Wandbespannung und der leichten, eleganten Ausstattung. Vergleichbar ist dieser Stil mit Schloss Mosigkau bei Dessau, dessen Innenräume (später als Angern) zwischen 1752 und 1757 im friderizianischen Rokoko gestaltet wurden. Auch dort findet sich eine klare Enfiladenstruktur, eine zurückhaltend gegliederte Fassade und ein aufwendig dekorierter Gartensaal mit Supraporten, gestreifter Wandbespannung und chinesisch inspirierten Motiven, und Rokoko-Möbeln, wie sie ebenfalls im Inventarverzeichnis von 1752 in Angern dokumentiert sind.
Die Architektur des Schlosses Angern steht in engem Zusammenhang mit der Selbstinszenierung des Bauherrn. Christoph Daniel von der Schulenburg hatte in italienischen und sardinischen Diensten Karriere gemacht und brachte nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch ein Bewusstsein für repräsentative Baukunst mit. Das Schloss dokumentiert seine europäische Vernetzung ebenso wie seine Verwurzelung in der brandenburg-preußischen Adelskultur.
Zudem ist das Schloss ein bemerkenswertes Beispiel für den Übergang von der Wehr- zur Wohnarchitektur: Wo einst ein Wehrturm war, befanden sich nun Kabinette mit Damasttapeten, barocke Fensterfluchten und enge funktionale Raumgefüge wurden durch fließende Raumfolgen ersetzt. Die Burg wurde nicht nur baulich, sondern auch ideell überformt – vom Symbol des Schutzes hin zur Repräsentation von Geschmack, Bildung und sozialem Rang.
Quellen
- Bergner, Heinrich: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Wolmirstedt, Halle 1911, S. 32 ff.
- Denkmalverzeichnis Sachsen-Anhalt, Bd. 10.2, Ohrekreis II, Hrsg. Landesamt für Denkmalpflege Sachsen-Anhalt, 2001, S. 25
- Gutsarchiv Angern: Memoire von Christoph Daniel v.d. Schulenburg, 1745