Schulenburg Familie in Angern
Das Geschlecht von der Schulenburg zählt zu den älteren Adelsfamilien Norddeutschlands und ist seit dem 13. Jahrhundert urkundlich belegt

Kapitel 5 des Gutsarchivs Angern erlaubt einen profunden Einblick in die gebaute Herrschaft und die räumliche Ordnung unter Christoph Daniel von der Schulenburg. Architektur, Infrastruktur und Raumerschließung wurden hier nicht nur als funktionale Notwendigkeiten, sondern als Ausdruck politischer und sozialer Macht verstanden. Die archivalische Überlieferung belegt, dass der barocke Neuaufbau von Schloss und Gut samt Wege-, Garten- und Wirtschaftsstruktur Teil eines umfassenden Programms zur Repräsentation, Kontrolle und dauerhaften Verankerung gutsherrlicher Ordnung war.

Im Mittelpunkt steht der zwischen 1735 und 1739 dokumentierte barocke Schlossumbau, der in den Akten H 13, Nr. 409–413 detailliert beschrieben ist. Christoph Daniel ließ das Schloss Angern in großem Stil umbauen – mit aufwendigen Dachkonstruktionen, repräsentativen Sälen, Gängen, Nebengebäuden und einem strukturierten Wirtschaftshof. Diese Maßnahmen wurden nicht nur durch eigene Mittel finanziert, sondern teils auch durch königliche Unterstützung ermöglicht: Eine Holzschenkung Friedrich Wilhelms I. von Preußen (H 13, Nr. 411) zeigt, dass der Bau auch symbolisch in überregionale politische Netzwerke eingebunden war. Das Schloss war damit nicht nur Wohnsitz, sondern auch Ausdruck von Stand, Prestige und raumpolitischem Anspruch.

Das Schloss fungierte in dieser Ordnung als Zentrum eines hierarchisch gegliederten Gefüges: Es war Wohnsitz, Verwaltungsort, Gerichtsstand und Bühne für herrschaftliche Repräsentation. Die Gestaltung folgte einem klaren barocken Prinzip: Symmetrie, Zentralität und Sichtachsen. Besucher, Untertanen und Geschäftspartner sollten beim Betreten des Geländes unmittelbar die Ordnung und Autorität des Hauses Schulenburg spüren. In seiner baulichen Form spiegelte sich die gesellschaftliche Rangordnung.

Parallel zum Schloss entstanden umfangreiche wirtschaftliche Infrastrukturen: Brauhäuser, Stallungen, Schäfereien, Speicher, Mühlen und Scheunen wurden neu errichtet oder erweitert. In den Akten H 13, Nr. 410–412 sind Kostenrechnungen, Bauverträge und Materiallisten überliefert, die nicht nur den finanziellen Aufwand belegen, sondern auch die organisatorische Leistung des Gutsherrn. Der wirtschaftliche Teil des Gutes war funktional klar abgegrenzt vom herrschaftlichen Wohnbereich – eine Trennung, die den Wandel vom mittelalterlichen Burgenkomplex zur frühneuzeitlichen Gutsanlage mit spezialisierter Infrastruktur markiert.

Zentral für das Herrschaftsverständnis Christoph Daniels war auch die gezielte Raumordnung des Gutes. Wege wurden verbreitert, befestigt oder neu angelegt (H 13, Nr. 316, 322–323). Brückenverläufe wurden korrigiert, Zugangsachsen zum Schloss so gestaltet, dass sie symmetrisch auf den Hauptbau zuliefen. Damit entstand ein räumliches Regime, das den Besucher bereits beim Betreten des Territoriums in eine Ordnung einfügte. Die Wegeführung war Ausdruck sozialer Hierarchie: Hauptwege führten zu Repräsentationsorten, Nebenwege zu Ökonomiehöfen oder Gesindebereichen. Die Aufteilung des Raums wurde so zum Instrument sozialer Differenzierung. Auch das Wegenetz diente der Kontrolle: Wege verbanden die einzelnen Teilbereiche des Gutes nicht nur funktional, sondern machten Bewegungen sichtbar und steuerbar. Damit wurde Mobilität zur kontrollierten Bewegung im Dienst der Ordnung.

Eine besondere Rolle spielte die Gestaltung der Gartenanlagen (vgl. H 13, Nr. 354–356). Der barocke Garten – mit Hauptachsen, Bosketten, Parterres, Spiegelteichen und Obstquartieren – wurde nicht nur zur Zierde geschaffen, sondern als Teil der Herrschaftsinszenierung. Er spiegelte Ordnung, Maß und Rationalität wider und diente als Sinnbild für die übergreifende Ordnung der Welt durch den Gutsherrn. Im Garten verbanden sich Ästhetik, Naturbeherrschung und soziale Funktion: Gäste wurden empfangen, Untertanen diszipliniert, Spaziergänge organisiert – stets in einem architektonisch gerahmten Raum. Gärten wurden zudem zur Versorgung genutzt: die Verbindung von Zier- und Nutzfunktion entsprach der Idee der nützlichen Repräsentation – Schönheit als Ordnung, Ordnung als Nutzen.

Die technische und organisatorische Tiefe dieser Maßnahmen wird durch Karten, Skizzen und schriftliche Instruktionen sichtbar. Christoph Daniel dachte nicht in Einzelmaßnahmen, sondern in Systemen. Seine Raumplanung verfolgte sowohl pragmatische Ziele – wie Transportoptimierung und Lagerkapazität – als auch symbolische: Macht sollte sichtbar, erlebbar und in Stein gesetzt werden. Der Raum wurde zu einem politischen Medium, das Ordnung schuf, Wege lenkte und Hierarchien sichtbar machte.

Kapitel 5 macht damit deutlich: Der Gutsherr als Bauherr war nicht nur ein Ästhet, sondern ein Stratege. Christoph Daniel von der Schulenburg entwarf in Angern eine gebaute Ideologie – ein Ensemble aus Wohnkultur, Wirtschaftslogik und symbolischer Macht. Die Architektur wurde zur Form gewordenen Herrschaft, die Wegeführung zur Choreografie des Sozialen, der Garten zur Bühne der Ordnung. Das Gutsarchiv bewahrt somit nicht nur Pläne und Rechnungen – sondern die Topografie einer Weltanschauung.

Fritz I. von der Schulenburg (1350–1415) war der gemeinsame Stammvater aller drei Hauptlinien des sogenannten weißen Stamms des Hauses von der Schulenburg. Seine Lebenszeit fällt in eine Epoche tiefgreifender politischer und gesellschaftlicher Umbrüche im deutsch-römischen Reich.
Kaufmann, Lehnsträger und Burgherr in Angern. Werner V. von der Schulenburg gehört zu den frühesten namentlich bekannten Mitgliedern der Familie, die sich dauerhaft auf dem Gut Angern niederließen. Seine Bedeutung liegt nicht allein in seiner Funktion als Mitbelehnter mit der dortigen Burg, sondern vor allem in seiner Rolle als Vertreter eines Adels, der im Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit zunehmend auch städtisch-wirtschaftliche Handlungsspielräume wahrnahm.
Hans XII. von der Schulenburg († 1625), Sohn des Busso VI. , gehört zu jenen Gliedern des Adelsgeschlechts von der Schulenburg , deren Leben exemplarisch für die Krisen und Konsolidierungsversuche niederadliger Gutsherrschaft im frühneuzeitlichen Brandenburg steht. Seine Biografie markiert eine Übergangsphase zwischen militärischer Karriere und ökonomischer Bedrängnis, zwischen adliger Repräsentation und realer finanzieller Überforderung.
Bernhard von der Schulenburg (1427–1469) wurde im Jahre 1448 mit seinen Brüdern Busso und Matthias durch Lehnbrief Erzbischofs Friedrich von Magdeburg zu rechten männlichen Lehen belehnt.
Ritter, kurbrandenburgischer Rat, Stiftshauptmann des Erzstifts Magdeburg, Begründer des älteren Angerner Zweigs. Busso I. entstammte der weißen Linie der Familie von der Schulenburg und war der älteste Sohn des Ritters Fritz I von der Schulenburg (* um 1350, † 1415). Er wurde am 12. April 1414 noch als unmündig erwähnt, galt aber bereits am 15. April 1415 als mündig und war ab 6. August 1424 urkundlich als Ritter belegt. Sein Geburtsjahr lässt sich daher mit einiger Sicherheit auf um 1396 datieren.
Begründer der jüngeren Linie des weißen Stammes – Landeshauptmann der Altmark. Matthias I von der Schulenburg (geb. spätestens 1405 – † zwischen Februar und November 1477) war der jüngste Sohn des Ritters Fritz I von der Schulenburg (Nr. 56).
Bernhard XI. von der Schulenburg (*1475, † vor dem 15. Mai 1502) war ein altmärkischer Adliger des ausgehenden 15. Jahrhunderts und der bedeutendste Vertreter der jüngeren Linie des sogenannten weißen Stammes der Familie von der Schulenburg. Er war der älteste überlebende Sohn des Landeshauptmanns Matthias I. († um 1477) und der Anna von Alvensleben . Er war Herr auf Altenhausen , Angern und Beetzendorf .
Erbe des Ritterguts Angern, kaiserlicher Offizier und Begründer der Angerner Stammlinie. Alexander Friedrich Christoph von der Schulenburg (*5.8.1720, †1801) war der vierte Sohn Heinrich Hartwig I. Er trat das erstmals unter seinem Onkel Christoph Daniel auf die jüngeren Linie vereinigte Rittergut als Majorat an, das durch das Fideikommiss von 1762 gesichert worden war.
Ein früher Reformator, streitbarer Landadliger und Kriegsteilnehmer im Zeitalter der Konfessionalisierung. Als Sohn von Bernhard XI. von der Schulenburg und Enkel von Matthias I , des langjährigen Landeshauptmanns der Altmark, war er ein direkter Erbe der um 1485 befestigten Stellung in Altenhausen , Angern und Beetzendorf und setzte die jüngere Linie des weißen Stamms fort.
Jakob II. von der Schulenburg: Leben, Kriegslaufbahn und Besitzpolitik eines altmärkischen Söldnerführers. Jakob II. zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des altmärkischen Adels im 16. Jahrhundert.
Daniel I. Reichsfreiherr von der Schulenburg (* 3. Juni 1538 in Altenhausen ; † 6. November 1594 in Angern ) (Nr. 312 in der Stammtafel) lebte in einer Zeit bedeutender politischer und wirtschaftlicher Umbrüche in der Altmark und im Erzstift Magdeburg . Am 29.09.1577 heiratete Daniel I. Ehrengard von Alten aus dem Hause Wilkenburg (* um 1556, † nach 1611). Aus dieser Verbindung gingen fünf Kinder hervor.
Henning III. von der Schulenburg (*1587, †01.09.1637) war der jüngste Sohn des Daniel I. von der Schulenburg und übernahm nach seinem Tod den Burghof in Angern. Er steht exemplarisch für die komplexe Rolle des niederen Adels im frühneuzeitlichen Brandenburg – zwischen dynastischer Kontinuität, territorialer Zersplitterung und finanzieller Prekarität.
Henning Christoph von der Schulenburg (* 1648 oder 1649 auf Angern , † 27.12.1683 in Staßfurt ) war ein kurbrandenburgischer Hauptmann. Als der älteste Sohn von Heinrich XI. von der Schulenburg (geb. 1621, gest. 1691) und Ilse Floria von der Knesebeck (geb. 1629, gest. 1712) erbte er nach dessen Tod die Güter Angern und Falkenberg .
Heinrich XI von der Schulenburg (* 06.09.1621 auf Angern , + 19.05.1691 in Kehnert ) war Sohn von Henning III. von der Schulenburg und übernahm nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) ein schwer verwüstetes und verschuldetes Erbe auf den Gütern Angern, Kehnert und Schricke. Die Verwüstungen dieses langen Konflikts hatten nicht nur das Land, sondern auch die wirtschaftliche und soziale Struktur Brandenburg‑Preußens nachhaltig erschüttert. In den Jahren nach 1648 begann ein langwieriger Wiederaufbauprozess, der von der Notwendigkeit geprägt war, feudale Strukturen aufzubrechen und zentralisierte, absolutistisch geprägte Verwaltungsinstitutionen zu etablieren – Entwicklungen, die auch den Grundstein für den späteren Aufstieg des preußischen Staates legten.
Christoph Daniel von der Schulenburg (*1679 in Angern, †1763 ebenda) wurde geboren inmitten einer Epoche dynastischer Spannungen im Heiligen Römischen Reich. Er zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des brandenburgisch-preußischen Adels im 18. Jahrhundert. Sein Lebensweg vereint in exemplarischer Weise militärische Laufbahn , diplomatische Missionen und kulturelles Mäzenatentum .
Der letzte Erbe der alten Linie Angern. Heinrich Hartwig I. von der Schulenburg, Sohn von Henning Christoph , war der letzte bedeutende Vertreter der älteren Linie auf dem Rittergut Angern, ehe dieses durch seinen Bruder Christoph Daniel vollständig in der jüngeren Linie des weißen Stammes zusammengeführt wurde. Nach dem frühen Tod seines Vaters trat Heinrich Hartwig als Erbe des Burghofs hervor und bemühte sich in schwieriger Zeit um die wirtschaftliche Konsolidierung des Besitzes. Seine Rolle als Gutsherr, seine Teilnahme am savoyischen Militärdienst sowie seine familiären Verbindungen dokumentieren exemplarisch die Lebensrealität eines altmärkischen Adligen im Übergang vom Dreißigjährigen Krieg zur barocken Neuordnung der Gutswirtschaft.
Friedrich Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 10. Februar 1769 auf Angern; † 16. Mai 1821 in Magdeburg) ist Sohn des Alexander Friedrich Christoph Graf von der Schulenburg .
Edo Friedrich Christoph Daniel , geb. 27.04.1816 in Angern, gest. 06.08.1904 in Angern, wurde 1821 dritter Fideikommissherr auf Angern. Edo war einziger Sohn des Magdeburger Regierungspräsidenten Friedrich Graf v.d. Schulenburg aus dessen zweiter Ehe mit der Tochter des Braunschweigischen Landdrosten, Auguste Luise Adolphine von Cramm. Bei seiner Taufe übernahm König Friedrich Wilhelm III . eine Patenstelle.
Friedrich Wilhelm Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 1843 in Angern; † 1921) war Sohn des Edo Friedrich Christoph Daniel (1816-1904) und der Helene, geb. v. Schöning. Bei seiner Taufe übernahm König Friedrich Wilhelm IV. die Patenstelle.
Sigurd Wilhelm Graf von der Schulenburg (* 1882; † 1956), Sohn des Friedrich Wilhelm Christoph Daniel (1843-1921) war der fünfte und letzte Fideikommissherr auf Angern. Bei seiner Taufe am 5. November 1882 übernahm Kaiser Wilhelm I. eine Patenstelle , wie auch bei seinem Vater, Großvater und Urgroßvater die damals regierenden preußischen Könige Taufpaten gewesen waren.
Kuno Wilhelm Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 1923 in Magdeburg, † 1987 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Jurist und Mitglied der XXI. Generation der Familie von der Schulenburg. Kuno Wilhelm wurde als einziger Sohn von Sigurd-Wilhelm Graf von der Schulenburg geboren.
Alexander Friedrich Christoph Graf von der Schulenburg wurde am 4. August 1968 in Frankfurt am Main geboren. Er ist Sohn von Kuno Wilhelm Christoph Daniel (1923-1987) und Jutta, geb. v. Franocis. Er führt die lange Tradition seiner Familie fort, die seit fast 500 Jahren in Angern verwurzelt ist, und engagiert sich aktiv für die Bewirtschaftung der wieder eingerichteten Forstbetriebs sowie die Rekonstruktion und Erhaltung des Schlosses und des Parks.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.