Bücher einer herrschaftlichen Praxis. Christoph Daniel von der Schulenburg war nicht nur Feldherr und Diplomat, sondern auch Grundherr, Gutsherr und aktiver Teilhaber an der politischen wie administrativen Ordnung seiner Zeit. Seine Bibliothek spiegelt diese Rolle in einer Gruppe von Werken wider, die sich mit Gesetzgebung, Verwaltung, Steuerwesen und Rechtsordnung befassen. Diese Titel veranschaulichen die praktische Dimension adliger Herrschaft – eingebettet in das sich modernisierende Staatswesen Brandenburg-Preußens im 18. Jahrhundert.
Landesrecht und Verwaltungspraxis
Besonders bedeutend ist die Sammlung der Corpus-Landes-Ordnung (1680–1714), eine der zentralen Gesetzessammlungen für das brandenburgisch-preußische Territorium. Sie enthielt Vorschriften zu Ehe-, Erb- und Strafrecht, zu Lehnwesen, Steuerpflichten und Verwaltungsabläufen – also genau jene Normen, mit denen ein Gutsherr wie Schulenburg in Kontakt stand. Ihre Aufnahme in die Bibliothek zeigt den direkten Bezug zur Amtsführung auf dem Land und zur Einbindung des Adels in die staatliche Ordnung. In vergleichbarer Weise dokumentiert auch das Kanzleibuch mit Formularsammlung und Reichstagsabschied von 1654 die enge Verschränkung zwischen allgemeinem Reichsrecht, landesrechtlicher Praxis und lokal-adliger Verwaltung. Es verdeutlicht, wie normgebende Texte nicht nur archiviert, sondern in der konkreten Amtsausübung funktional eingesetzt wurden.
Steuer-, Abgaben- und Besitznachweise
Werke wie das Angersche Register (1720), das Catastrum des Dorfes Angern (1726) und das Quittungsbuch (1748) dokumentieren Besitzverhältnisse, Abgabepflichten und Einnahmen auf Ortsebene. Diese Schriften dienten Schulenburg als Verwaltungsinstrumente seines Ritterguts und sind Teil jener papierbasierten Organisation, die im 18. Jahrhundert die Transformation feudaler in bürokratische Herrschaft einleitete.
Justiz und Zivilrecht
Mit der Aufnahme einer Prozeßordnung (1686) zeigt sich auch ein konkretes Interesse an Zivil- und Strafgerichtsbarkeit. Der adlige Gutsbesitzer übte in Teilen die niedere Gerichtsbarkeit über seine Untertanen aus – etwa in Fragen des Grundeigentums, der Leibeigenschaft oder von Forstrechten. Solche Texte ermöglichten es, Rechtsansprüche zu prüfen und formgerecht durchzusetzen – gegenüber Bauern ebenso wie gegenüber Nachbargütern oder staatlichen Instanzen.
Patrimonialgerichtsbarkeit in Angern
Das Gut Angern verfügte seit dem Spätmittelalter über eine kontinuierlich ausgeübte Patrimonialgerichtsbarkeit, die sich bis ins 19. Jahrhundert hinein erhalten hat. Sie umfasste sowohl die niedere Zivilgerichtsbarkeit als auch polizeiliche Befugnisse über die Dorfbevölkerung. Christoph Daniel von der Schulenburg übte diese Gerichtsbarkeit mit formaler Legitimation aus, wobei er als Patrimonialrichter in Personalunion mit der Gutsherrschaft auftrat. Die Rechtsprechung erfolgte schriftlich und protokolliert, etwa in den Gerichtsbüchern des Gutsarchivs (Rep. H Angern Nr. 125–126), während Croon als rechtskundiger Schreiber und Beisitzer eine zentrale Rolle spielte. Verhandelt wurden u. a. Eigentumsstreitigkeiten, Wegerechte, Huthandel, Triftfragen, Handwerkseingriffe und zivilrechtliche Forderungen. Die Strafgewalt war auf Zuchtmittel beschränkt; schwerere Delikte mussten an die fürstlichen Gerichte abgegeben werden. Die Patrimonialgerichtsbarkeit in Angern verdeutlicht beispielhaft das Ineinandergreifen von Herrschaft, Recht und Schriftkultur in einem altmärkischen Rittergut – getragen von der Rechtsbildung eines gebildeten Landadels und administrativ umgesetzt durch professionelle Amtsträger wie Croon.
Verbindung zu Oberamtmann Croon
Die juristische Ausrichtung der Bibliothek Christoph Daniel von der Schulenburgs, insbesondere im Bereich Landesrecht, Verwaltungs- und Besitzpraxis, spiegelt sich nicht nur in den aufbewahrten Gesetzessammlungen und Kanzleibüchern wider, sondern auch in der dokumentierten Tätigkeit seines juristischen Ratgebers Oberamtmann Croon. Als Verfasser zahlreicher Gutachten, Vertragsentwürfe und Schreiben (u. a. in Rep. H Angern Nr. 336, 409, 412) war Croon maßgeblich an der Auslegung und praktischen Umsetzung jener Gesetze beteiligt, die in der Bibliothek überliefert sind.
Es ist denkbar, dass Croon bei der Auswahl, Systematisierung und sogar Kommentierung einzelner Werke beratend tätig war – oder dass er sich auf diese Bände in seiner täglichen Kanzleiarbeit bezog. Das handschriftliche Formularbuch, das Schulenburgs juristische Bibliothek begleitet, zeigt zudem dieselbe juristische Fachsprache, Struktur und Praxisnähe, wie sie auch aus Croons erhaltenen Texten bekannt ist. Die Bibliothek war somit nicht nur Spiegel von Schulenburgs Herrschaftsanspruch, sondern auch Werkzeug seiner administrativen Wirklichkeit, deren juristisches Rückgrat Croon mitgestaltete.
Adel und Staat
Die Verwaltungswerke in der Bibliothek verdeutlichen zugleich eine strukturelle Rolle des Adels im Preußen Friedrichs I. und Friedrich Wilhelms I.: Er war nicht nur privilegierter Stand, sondern zugleich Träger staatlicher Funktionen – als Offiziere, Beamte, Landräte oder Steuereinnehmer. Schulenburgs Bibliothek belegt diese Verwobenheit exemplarisch. Sie war kein Ort juristischer Spekulation, sondern ein praktisches Instrument adliger Mitwirkung im frühmodernen Staatswesen.
Fazit
Die rechts- und verwaltungsbezogenen Bücher in der Bibliothek von Christoph Daniel von der Schulenburg zeigen, dass Bildung im 18. Jahrhundert weit über theoretische oder ästhetische Interessen hinausging. Sie war Ausdruck von Amtsfähigkeit, Rechtskenntnis und politischer Verantwortung. In diesem Sinn erscheint Schulenburg nicht nur als Leser, sondern als Praktiker des frühmodernen Staatsdenkens – seine Bibliothek als ein Archiv gelebter Herrschaft.