Schulenburg Familie in Angern
Das Geschlecht von der Schulenburg zählt zu den älteren Adelsfamilien Norddeutschlands und ist seit dem 13. Jahrhundert urkundlich belegt

Ein Kanon für den Offizier. Die von Christoph Daniel von der Schulenburgs aufgebaute Bibliothek im Haus Angern um war weit mehr als ein Ort der Aufbewahrung von Büchern. Sie war Ausdruck eines Selbstbildes, das zwischen preußischem Pflichtethos, europäischer Bildungstradition und aufklärerischer Neugier oszillierte. Ihre Analyse erlaubt Einblicke in die politische Kultur des Adels im 18. Jahrhundert und macht deutlich, wie sehr Wissen und Macht, Lesen und Herrschen in dieser Zeit miteinander verwoben waren. 

Bibliotheken des niederen und hohen Adels galten nicht nur als Symbol für Bildung, sondern auch als Standeszeichen und Instrument zur Selbstvergewisserung innerhalb des europäischen Gelehrten- und Offiziersadels. In einem Zeitalter der Aufklärung, des Absolutismus und der dynastischen Kriege waren Kenntnisse in Geschichte, Militärwesen, Diplomatie und Moralphilosophie für adlige Karrieren unabdingbar.

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Wagners „Soldaten-Bibliothek“ als Referenzsystem

Besonders aufschlussreich für die Systematik von Schulenburgs Sammlung ist der Abgleich mit dem Entwurf einer Soldaten-Bibliothek von Johann Tobias Wagner aus dem Jahr 1724. Dieses seltene Meta-Werk empfahl Offizieren eine systematische Lektüreauswahl zur strategischen, historischen und staatsrechtlichen Bildung. Im Vergleich zwischen der Soldaten-Bibliothek und dem nachgewiesenen Bestand in der Bibliothek von Christoph Daniel von der Schulenburg zeigen sich bemerkenswerte inhaltliche Parallelen, die auf eine bewusste Orientierung an diesem Bildungskanon schließen lassen. Wagner empfahl einen strukturierten Lektüreplan für Offiziere, der Werke zur Kriegskunst, Staatslehre, antiken Geschichte sowie moralphilosophischen Vorbildern vereinen sollte. Schulenburgs Sammlung folgt dieser Struktur in auffallender Weise.

An erster Stelle nennt Wagner klassische Feldherrn und Strategen – allen voran Gaius Julius Caesar, dessen Commentaires in französischer Übersetzung (1699) sich auch in Schulenburgs Sammlung finden. Ebenso vertreten ist Titus Livius mit der Römischen Historie (1546), ein Grundpfeiler römischer Staatsmoral. Auch Plutarchs Viten großer Männer (1734) sind vorhanden, die als moralische Leitbilder für Führung, Tapferkeit und Tugend dienten. Wagner betont auch die Bedeutung völkerrechtlicher Schriften. Schulenburg besaß Hugo GrotiusDe iure belli ac pacis (1687), ein Grundlagenwerk des frühneuzeitlichen Kriegsrechts – ebenfalls von Wagner empfohlen. Für das politische Verständnis empfahl Wagner Amelot de La Houssaies Histoire du gouvernement de Venise (1705), das auch in Schulenburgs Besitz nachweisbar ist. Es analysiert Machtbalance, Bündnisse und die politische Struktur der Republik Venedig – Themen, die Schulenburg als Diplomat direkt betrafen. Auch Polybios wird von Wagner empfohlen und ist durch eine französische Ausgabe von 1655 in der Bibliothek vertreten. Diese inhaltlichen Überschneidungen belegen, dass Schulenburg gezielt nach einem Bildungskanon sammelte. Seine Bibliothek war nicht bloß Ausdruck von Gelehrsamkeit, sondern ein bewusst aufgebautes intellektuelles Rüstzeug – ganz im Sinne eines „Curriculum militare“, wie es Wagner konzipierte.

Erfahrung und Sammlung: Theorie und Praxis im Gleichklang

Die inhaltliche Ausrichtung der Bibliothek spiegelt unmittelbar das Leben und Wirken Christoph Daniel von der Schulenburgs wider, der nicht nur als Gutsherr von Angern, sondern auch als preußischer Generalfeldmarschall in den großen Kriegen seiner Zeit diente. Seine Teilnahme am Spanischen Erbfolgekrieg, an Feldzügen in Italien, Ungarn und am Rhein, sowie seine diplomatischen Missionen, etwa nach Warschau, korrespondieren auffällig mit den politischen und militärischen Themen seiner Büchersammlung. Christoph Daniel von der Schulenburg nahm an nahezu allen bedeutenden europäischen Konflikten des frühen 18. Jahrhunderts teil: Er kämpfte im Spanischen Erbfolgekrieg (1701–1714), nahm an Feldzügen in Italien, Ungarn und am Rhein teil und wurde zudem mehrfach als Gesandter, unter anderem nach Warschau, entsandt. Diese militärischen und diplomatischen Erfahrungen spiegeln sich eindrucksvoll in der thematischen Ausrichtung seiner Bibliothek wider.

Die Sammlung enthält zahlreiche Werke, die sich mit den politischen Konstellationen und militärischen Auseinandersetzungen seiner Zeit beschäftigen – etwa dem Frieden von Utrecht (1713), der den Spanischen Erbfolgekrieg beendete, oder Schriften über die europäischen Großmächte im 18. Jahrhundert. Ebenso finden sich Werke über Karl XII. von Schweden und Turenne, zwei militärische Leitfiguren, die Schulenburg strategisch wie biografisch beeinflusst haben könnten. Die starke Präsenz französischer, italienischer und englischer Literatur deutet zudem darauf hin, dass er sich gezielt über jene Regionen und politischen Räume informierte, in denen er selbst wirkte. Seine Bibliothek fungiert so als intellektuelle Erweiterung seines praktischen Erfahrungshorizonts – als geistiges Echo seiner Laufbahn zwischen Militär und Diplomatie.

Ein Fazit in Bildungsgeschichte

Der Abgleich zwischen Wagners Idealbibliothek und Schulenburgs realem Bücherbestand zeigt, dass der General aus Angern seine Sammlung als strategischen Bildungsraum verstand. Sie war nicht wahllos gewachsen, sondern folgte einem Bildungskanon für Eliten, der sowohl historische Tiefe als auch politische Handlungsfähigkeit vermittelte. Praxis und Theorie, klassische Bildung und moderne Kriegswissenschaft verbanden sich darin zu einem Offiziersideal des homo politicus militaris. In diesem Sinne war Schulenburgs Bibliothek nicht nur ein Ort des Lernens – sondern ein ideeller Gefechtsstand. Hier wurde geistige Mobilmachung betrieben: für den Ernstfall auf dem Schlachtfeld ebenso wie für die diplomatische Bühne Europas.

Fritz I. von der Schulenburg (1350–1415) war der gemeinsame Stammvater aller drei Hauptlinien des sogenannten weißen Stamms des Hauses von der Schulenburg. Seine Lebenszeit fällt in eine Epoche tiefgreifender politischer und gesellschaftlicher Umbrüche im deutsch-römischen Reich.
Kaufmann, Lehnsträger und Burgherr in Angern. Werner V. von der Schulenburg gehört zu den frühesten namentlich bekannten Mitgliedern der Familie, die sich dauerhaft auf dem Gut Angern niederließen. Seine Bedeutung liegt nicht allein in seiner Funktion als Mitbelehnter mit der dortigen Burg, sondern vor allem in seiner Rolle als Vertreter eines Adels, der im Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit zunehmend auch städtisch-wirtschaftliche Handlungsspielräume wahrnahm.
Hans XII. von der Schulenburg († 1625), Sohn des Busso VI. , gehört zu jenen Gliedern des Adelsgeschlechts von der Schulenburg , deren Leben exemplarisch für die Krisen und Konsolidierungsversuche niederadliger Gutsherrschaft im frühneuzeitlichen Brandenburg steht. Seine Biografie markiert eine Übergangsphase zwischen militärischer Karriere und ökonomischer Bedrängnis, zwischen adliger Repräsentation und realer finanzieller Überforderung.
Bernhard von der Schulenburg (1427–1469) wurde im Jahre 1448 mit seinen Brüdern Busso und Matthias durch Lehnbrief Erzbischofs Friedrich von Magdeburg zu rechten männlichen Lehen belehnt.
Ritter, kurbrandenburgischer Rat, Stiftshauptmann des Erzstifts Magdeburg, Begründer des älteren Angerner Zweigs. Busso I. entstammte der weißen Linie der Familie von der Schulenburg und war der älteste Sohn des Ritters Fritz I von der Schulenburg (* um 1350, † 1415). Er wurde am 12. April 1414 noch als unmündig erwähnt, galt aber bereits am 15. April 1415 als mündig und war ab 6. August 1424 urkundlich als Ritter belegt. Sein Geburtsjahr lässt sich daher mit einiger Sicherheit auf um 1396 datieren.
Begründer der jüngeren Linie des weißen Stammes – Landeshauptmann der Altmark. Matthias I von der Schulenburg (geb. spätestens 1405 – † zwischen Februar und November 1477) war der jüngste Sohn des Ritters Fritz I von der Schulenburg (Nr. 56).
Bernhard XI. von der Schulenburg (*1475, † vor dem 15. Mai 1502) war ein altmärkischer Adliger des ausgehenden 15. Jahrhunderts und der bedeutendste Vertreter der jüngeren Linie des sogenannten weißen Stammes der Familie von der Schulenburg. Er war der älteste überlebende Sohn des Landeshauptmanns Matthias I. († um 1477) und der Anna von Alvensleben . Er war Herr auf Altenhausen , Angern und Beetzendorf .
Erbe des Ritterguts Angern, kaiserlicher Offizier und Begründer der Angerner Stammlinie. Alexander Friedrich Christoph von der Schulenburg (*5.8.1720, †1801) war der vierte Sohn Heinrich Hartwig I. Er trat das erstmals unter seinem Onkel Christoph Daniel auf die jüngeren Linie vereinigte Rittergut als Majorat an, das durch das Fideikommiss von 1762 gesichert worden war.
Ein früher Reformator, streitbarer Landadliger und Kriegsteilnehmer im Zeitalter der Konfessionalisierung. Als Sohn von Bernhard XI. von der Schulenburg und Enkel von Matthias I , des langjährigen Landeshauptmanns der Altmark, war er ein direkter Erbe der um 1485 befestigten Stellung in Altenhausen , Angern und Beetzendorf und setzte die jüngere Linie des weißen Stamms fort.
Jakob II. von der Schulenburg: Leben, Kriegslaufbahn und Besitzpolitik eines altmärkischen Söldnerführers. Jakob II. zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des altmärkischen Adels im 16. Jahrhundert.
Daniel I. Reichsfreiherr von der Schulenburg (* 3. Juni 1538 in Altenhausen ; † 6. November 1594 in Angern ) (Nr. 312 in der Stammtafel) lebte in einer Zeit bedeutender politischer und wirtschaftlicher Umbrüche in der Altmark und im Erzstift Magdeburg . Am 29.09.1577 heiratete Daniel I. Ehrengard von Alten aus dem Hause Wilkenburg (* um 1556, † nach 1611). Aus dieser Verbindung gingen fünf Kinder hervor.
Henning III. von der Schulenburg (*1587, †01.09.1637) war der jüngste Sohn des Daniel I. von der Schulenburg und übernahm nach seinem Tod den Burghof in Angern. Er steht exemplarisch für die komplexe Rolle des niederen Adels im frühneuzeitlichen Brandenburg – zwischen dynastischer Kontinuität, territorialer Zersplitterung und finanzieller Prekarität.
Henning Christoph von der Schulenburg (* 1648 oder 1649 auf Angern , † 27.12.1683 in Staßfurt ) war ein kurbrandenburgischer Hauptmann. Als der älteste Sohn von Heinrich XI. von der Schulenburg (geb. 1621, gest. 1691) und Ilse Floria von der Knesebeck (geb. 1629, gest. 1712) erbte er nach dessen Tod die Güter Angern und Falkenberg .
Heinrich XI von der Schulenburg (* 06.09.1621 auf Angern , + 19.05.1691 in Kehnert ) war Sohn von Henning III. von der Schulenburg und übernahm nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) ein schwer verwüstetes und verschuldetes Erbe auf den Gütern Angern, Kehnert und Schricke. Die Verwüstungen dieses langen Konflikts hatten nicht nur das Land, sondern auch die wirtschaftliche und soziale Struktur Brandenburg‑Preußens nachhaltig erschüttert. In den Jahren nach 1648 begann ein langwieriger Wiederaufbauprozess, der von der Notwendigkeit geprägt war, feudale Strukturen aufzubrechen und zentralisierte, absolutistisch geprägte Verwaltungsinstitutionen zu etablieren – Entwicklungen, die auch den Grundstein für den späteren Aufstieg des preußischen Staates legten.
Christoph Daniel von der Schulenburg (*1679 in Angern, †1763 ebenda) wurde geboren inmitten einer Epoche dynastischer Spannungen im Heiligen Römischen Reich. Er zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des brandenburgisch-preußischen Adels im 18. Jahrhundert. Sein Lebensweg vereint in exemplarischer Weise militärische Laufbahn , diplomatische Missionen und kulturelles Mäzenatentum .
Der letzte Erbe der alten Linie Angern. Heinrich Hartwig I. von der Schulenburg, Sohn von Henning Christoph , war der letzte bedeutende Vertreter der älteren Linie auf dem Rittergut Angern, ehe dieses durch seinen Bruder Christoph Daniel vollständig in der jüngeren Linie des weißen Stammes zusammengeführt wurde. Nach dem frühen Tod seines Vaters trat Heinrich Hartwig als Erbe des Burghofs hervor und bemühte sich in schwieriger Zeit um die wirtschaftliche Konsolidierung des Besitzes. Seine Rolle als Gutsherr, seine Teilnahme am savoyischen Militärdienst sowie seine familiären Verbindungen dokumentieren exemplarisch die Lebensrealität eines altmärkischen Adligen im Übergang vom Dreißigjährigen Krieg zur barocken Neuordnung der Gutswirtschaft.
Friedrich Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 10. Februar 1769 auf Angern; † 16. Mai 1821 in Magdeburg) ist Sohn des Alexander Friedrich Christoph Graf von der Schulenburg .
Edo Friedrich Christoph Daniel , geb. 27.04.1816 in Angern, gest. 06.08.1904 in Angern, wurde 1821 dritter Fideikommissherr auf Angern. Edo war einziger Sohn des Magdeburger Regierungspräsidenten Friedrich Graf v.d. Schulenburg aus dessen zweiter Ehe mit der Tochter des Braunschweigischen Landdrosten, Auguste Luise Adolphine von Cramm. Bei seiner Taufe übernahm König Friedrich Wilhelm III . eine Patenstelle.
Friedrich Wilhelm Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 1843 in Angern; † 1921) war Sohn des Edo Friedrich Christoph Daniel (1816-1904) und der Helene, geb. v. Schöning. Bei seiner Taufe übernahm König Friedrich Wilhelm IV. die Patenstelle.
Sigurd Wilhelm Graf von der Schulenburg (* 1882; † 1956), Sohn des Friedrich Wilhelm Christoph Daniel (1843-1921) war der fünfte und letzte Fideikommissherr auf Angern. Bei seiner Taufe am 5. November 1882 übernahm Kaiser Wilhelm I. eine Patenstelle , wie auch bei seinem Vater, Großvater und Urgroßvater die damals regierenden preußischen Könige Taufpaten gewesen waren.
Kuno Wilhelm Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 1923 in Magdeburg, † 1987 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Jurist und Mitglied der XXI. Generation der Familie von der Schulenburg. Kuno Wilhelm wurde als einziger Sohn von Sigurd-Wilhelm Graf von der Schulenburg geboren.
Alexander Friedrich Christoph Graf von der Schulenburg wurde am 4. August 1968 in Frankfurt am Main geboren. Er ist Sohn von Kuno Wilhelm Christoph Daniel (1923-1987) und Jutta, geb. v. Franocis. Er führt die lange Tradition seiner Familie fort, die seit fast 500 Jahren in Angern verwurzelt ist, und engagiert sich aktiv für die Bewirtschaftung der wieder eingerichteten Forstbetriebs sowie die Rekonstruktion und Erhaltung des Schlosses und des Parks.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.