Schulenburg Familie in Angern
Das Geschlecht von der Schulenburg zählt zu den älteren Adelsfamilien Norddeutschlands und ist seit dem 13. Jahrhundert urkundlich belegt

Vorbilder, Tugend und adlige Selbstvergewisserung: Der biographische und moralphilosophische Teil der Bibliothek Christoph Daniel von der Schulenburgs verdeutlicht, dass sich Bildung im 18. Jahrhundert nicht auf Faktenwissen und Strategie beschränkte, sondern immer auch eine ethische Dimension umfasste. Gerade der adelige Stand verstand sich als Träger von Verantwortung, Tugend und Vorbildfunktion – eine Haltung, die sich in der Lektüre spiegelt. Die biographischen Werke in Schulenburgs Besitz erzählen nicht nur Lebensgeschichten großer Männer, sondern dienen als moralische Spiegel und Standeslehren.

Antike Vorbilder und Tugendlehre

Besonders prominent ist die Ausgabe der Viten großer Männer von Plutarch (1734, Bände 4–6). Diese antiken Lebensbeschreibungen galten als Klassiker der Bildung: Sie präsentierten historische Figuren wie Perikles, Caesar, Cicero oder Alexander nicht nur als politische Akteure, sondern als moralisch bewertbare Charaktere. Für einen Adeligen wie Schulenburg waren sie identitätsstiftend: Sie zeigten, wie man handelt, entscheidet, führt – aber auch, woran man scheitert. Plutarchs Viten galten als eine Art „Lehrbuch des edlen Charakters“. Sie wurden u. a. von Johann Tobias Wagner ausdrücklich in dessen Soldaten-Bibliothek (1724) empfohlen.

Militärische Biographien als Tugendmodell

In der frühen Neuzeit waren die Biographien berühmter Feldherren nicht nur historische Dokumente, sondern normative Vorbilder. So auch die vierbändige Histoire du Vicomte de Turenne (1749), die das Leben des französischen Generals Henri de la Tour d’Auvergne beschreibt. Turenne verkörperte das Ideal des klugen, mutigen und loyalen Heerführers. Ähnliches gilt für Gustaf Adlerfelds Histoire militaire de Charles XII (1740, vier Bände), die den schwedischen König Karl XII. als Heldengestalt und tragische Figur zugleich zeichnet. Beide Biographien verbanden Taktik und Ethik – sie rühmten nicht nur Siege, sondern zeichneten Charakterstärke, Disziplin, Opferbereitschaft und strategische Klugheit als Schlüssel adliger Größe.

Das Testament als moralpolitische Gattung

Ein Werk von besonderem Gewicht ist das Testament Politique de Charles de Loraine (1697). Dieses politische Vermächtnis wurde im 18. Jahrhundert als „Fürstenspiegel“ rezipiert: eine Art philosophischer Rückblick auf Leben, Herrschaft und Verantwortung. Charles de Loraine reflektiert darin seine politischen Entscheidungen, sein Verhältnis zu Krieg und Frieden, Religion und Diplomatie. Für Schulenburg dürfte das Werk nicht nur als Lektüre, sondern als Handlungs- und Legitimationsrahmen gedient haben – zumal er selbst in vergleichbaren Rollen als Militär und Gesandter wirkte.

Gesellschaftliche Moral und Rollenbilder

Neben männlich geprägten Heldenbiographien findet sich in der Bibliothek auch die fiktive Briefliteratur der Lettres historiques et galantes de deux dames de condition (1718, mehrere Bände). Diese Briefe bieten subtile Einblicke in die moralische Welt höfischer Gesellschaften, insbesondere aus weiblicher Perspektive. In der Form unterhaltsamer Plaudereien verhandeln sie Themen wie Ehre, Intrige, Loyalität und Tugend – ein „weiblicher Fürstenspiegel“ der galanten Welt. Dass Schulenburg diese Sammlung besaß, spricht für ein Interesse an der gesellschaftlichen Ethik, nicht nur im männlich-politischen, sondern auch im sozialen und zwischenmenschlichen Sinne.

Leichenpredigten als moralisches und genealogisches Dokument

Schließlich nehmen die zahlreichen Leichenpredigten in Schulenburgs Bibliothek eine Sonderrolle ein. Diese barocken Drucke über Verstorbene aus adligen Familien – darunter Mitglieder der Häuser Schulenburg, Alvensleben oder Veltheim – verbinden biographische Erinnerung, moralische Bewertung und soziale Legitimation. Sie sind zugleich genealogische Quelle, rhetorischer Text und moralische Lehrschrift. In der Sammlung sind sie nicht bloß Andenken, sondern Bausteine adliger Identitätskonstruktion.

Vergleichsperspektive

Im Vergleich zu anderen adligen Bibliotheken der Zeit – etwa der des Prinz Eugen oder der brandenburgischen Hofgesellschaft – fällt auf, dass Schulenburgs Auswahl besonders stark auf eine Verbindung von militärischem Ruhm und ethischer Selbstprüfung setzt. Er las nicht nur über Schlachten, sondern über das sittlich richtige Handeln im Krieg und in der Politik.

Fazit

Die biographisch-moralphilosophischen Werke in Schulenburgs Bibliothek zeigen, dass Bildung für ihn nicht nur Wissen bedeutete, sondern innere Haltung. Der idealtypische Offizier, Gesandte oder Standesherr war nicht nur gebildet, sondern auch moralisch gefestigt. Die Lektüre großer Leben diente der eigenen Selbstformung – als ethische Richtschnur, historische Reflexion und legitimatorische Erzählung. In der Kombination von antiken Vorbildern, zeitgenössischen Biographien, höfischer Literatur und familiärer Memorialkultur zeigt sich ein umfassendes Konzept adliger Bildung, das strategische Klugheit mit moralischer Integrität verbinden wollte.

Fritz I. von der Schulenburg (1350–1415) war der gemeinsame Stammvater aller drei Hauptlinien des sogenannten weißen Stamms des Hauses von der Schulenburg. Seine Lebenszeit fällt in eine Epoche tiefgreifender politischer und gesellschaftlicher Umbrüche im deutsch-römischen Reich.
Kaufmann, Lehnsträger und Burgherr in Angern. Werner V. von der Schulenburg gehört zu den frühesten namentlich bekannten Mitgliedern der Familie, die sich dauerhaft auf dem Gut Angern niederließen. Seine Bedeutung liegt nicht allein in seiner Funktion als Mitbelehnter mit der dortigen Burg, sondern vor allem in seiner Rolle als Vertreter eines Adels, der im Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit zunehmend auch städtisch-wirtschaftliche Handlungsspielräume wahrnahm.
Hans XII. von der Schulenburg († 1625), Sohn des Busso VI. , gehört zu jenen Gliedern des Adelsgeschlechts von der Schulenburg , deren Leben exemplarisch für die Krisen und Konsolidierungsversuche niederadliger Gutsherrschaft im frühneuzeitlichen Brandenburg steht. Seine Biografie markiert eine Übergangsphase zwischen militärischer Karriere und ökonomischer Bedrängnis, zwischen adliger Repräsentation und realer finanzieller Überforderung.
Bernhard von der Schulenburg (1427–1469) wurde im Jahre 1448 mit seinen Brüdern Busso und Matthias durch Lehnbrief Erzbischofs Friedrich von Magdeburg zu rechten männlichen Lehen belehnt.
Ritter, kurbrandenburgischer Rat, Stiftshauptmann des Erzstifts Magdeburg, Begründer des älteren Angerner Zweigs. Busso I. entstammte der weißen Linie der Familie von der Schulenburg und war der älteste Sohn des Ritters Fritz I von der Schulenburg (* um 1350, † 1415). Er wurde am 12. April 1414 noch als unmündig erwähnt, galt aber bereits am 15. April 1415 als mündig und war ab 6. August 1424 urkundlich als Ritter belegt. Sein Geburtsjahr lässt sich daher mit einiger Sicherheit auf um 1396 datieren.
Begründer der jüngeren Linie des weißen Stammes – Landeshauptmann der Altmark. Matthias I von der Schulenburg (geb. spätestens 1405 – † zwischen Februar und November 1477) war der jüngste Sohn des Ritters Fritz I von der Schulenburg (Nr. 56).
Bernhard XI. von der Schulenburg (*1475, † vor dem 15. Mai 1502) war ein altmärkischer Adliger des ausgehenden 15. Jahrhunderts und der bedeutendste Vertreter der jüngeren Linie des sogenannten weißen Stammes der Familie von der Schulenburg. Er war der älteste überlebende Sohn des Landeshauptmanns Matthias I. († um 1477) und der Anna von Alvensleben . Er war Herr auf Altenhausen , Angern und Beetzendorf .
Erbe des Ritterguts Angern, kaiserlicher Offizier und Begründer der Angerner Stammlinie. Alexander Friedrich Christoph von der Schulenburg (*5.8.1720, †1801) war der vierte Sohn Heinrich Hartwig I. Er trat das erstmals unter seinem Onkel Christoph Daniel auf die jüngeren Linie vereinigte Rittergut als Majorat an, das durch das Fideikommiss von 1762 gesichert worden war.
Ein früher Reformator, streitbarer Landadliger und Kriegsteilnehmer im Zeitalter der Konfessionalisierung. Als Sohn von Bernhard XI. von der Schulenburg und Enkel von Matthias I , des langjährigen Landeshauptmanns der Altmark, war er ein direkter Erbe der um 1485 befestigten Stellung in Altenhausen , Angern und Beetzendorf und setzte die jüngere Linie des weißen Stamms fort.
Jakob II. von der Schulenburg: Leben, Kriegslaufbahn und Besitzpolitik eines altmärkischen Söldnerführers. Jakob II. zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des altmärkischen Adels im 16. Jahrhundert.
Daniel I. Reichsfreiherr von der Schulenburg (* 3. Juni 1538 in Altenhausen ; † 6. November 1594 in Angern ) (Nr. 312 in der Stammtafel) lebte in einer Zeit bedeutender politischer und wirtschaftlicher Umbrüche in der Altmark und im Erzstift Magdeburg . Am 29.09.1577 heiratete Daniel I. Ehrengard von Alten aus dem Hause Wilkenburg (* um 1556, † nach 1611). Aus dieser Verbindung gingen fünf Kinder hervor.
Henning III. von der Schulenburg (*1587, †01.09.1637) war der jüngste Sohn des Daniel I. von der Schulenburg und übernahm nach seinem Tod den Burghof in Angern. Er steht exemplarisch für die komplexe Rolle des niederen Adels im frühneuzeitlichen Brandenburg – zwischen dynastischer Kontinuität, territorialer Zersplitterung und finanzieller Prekarität.
Henning Christoph von der Schulenburg (* 1648 oder 1649 auf Angern , † 27.12.1683 in Staßfurt ) war ein kurbrandenburgischer Hauptmann. Als der älteste Sohn von Heinrich XI. von der Schulenburg (geb. 1621, gest. 1691) und Ilse Floria von der Knesebeck (geb. 1629, gest. 1712) erbte er nach dessen Tod die Güter Angern und Falkenberg .
Heinrich XI von der Schulenburg (* 06.09.1621 auf Angern , + 19.05.1691 in Kehnert ) war Sohn von Henning III. von der Schulenburg und übernahm nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) ein schwer verwüstetes und verschuldetes Erbe auf den Gütern Angern, Kehnert und Schricke. Die Verwüstungen dieses langen Konflikts hatten nicht nur das Land, sondern auch die wirtschaftliche und soziale Struktur Brandenburg‑Preußens nachhaltig erschüttert. In den Jahren nach 1648 begann ein langwieriger Wiederaufbauprozess, der von der Notwendigkeit geprägt war, feudale Strukturen aufzubrechen und zentralisierte, absolutistisch geprägte Verwaltungsinstitutionen zu etablieren – Entwicklungen, die auch den Grundstein für den späteren Aufstieg des preußischen Staates legten.
Christoph Daniel von der Schulenburg (*1679 in Angern, †1763 ebenda) wurde geboren inmitten einer Epoche dynastischer Spannungen im Heiligen Römischen Reich. Er zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des brandenburgisch-preußischen Adels im 18. Jahrhundert. Sein Lebensweg vereint in exemplarischer Weise militärische Laufbahn , diplomatische Missionen und kulturelles Mäzenatentum .
Der letzte Erbe der alten Linie Angern. Heinrich Hartwig I. von der Schulenburg, Sohn von Henning Christoph , war der letzte bedeutende Vertreter der älteren Linie auf dem Rittergut Angern, ehe dieses durch seinen Bruder Christoph Daniel vollständig in der jüngeren Linie des weißen Stammes zusammengeführt wurde. Nach dem frühen Tod seines Vaters trat Heinrich Hartwig als Erbe des Burghofs hervor und bemühte sich in schwieriger Zeit um die wirtschaftliche Konsolidierung des Besitzes. Seine Rolle als Gutsherr, seine Teilnahme am savoyischen Militärdienst sowie seine familiären Verbindungen dokumentieren exemplarisch die Lebensrealität eines altmärkischen Adligen im Übergang vom Dreißigjährigen Krieg zur barocken Neuordnung der Gutswirtschaft.
Friedrich Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 10. Februar 1769 auf Angern; † 16. Mai 1821 in Magdeburg) ist Sohn des Alexander Friedrich Christoph Graf von der Schulenburg .
Edo Friedrich Christoph Daniel , geb. 27.04.1816 in Angern, gest. 06.08.1904 in Angern, wurde 1821 dritter Fideikommissherr auf Angern. Edo war einziger Sohn des Magdeburger Regierungspräsidenten Friedrich Graf v.d. Schulenburg aus dessen zweiter Ehe mit der Tochter des Braunschweigischen Landdrosten, Auguste Luise Adolphine von Cramm. Bei seiner Taufe übernahm König Friedrich Wilhelm III . eine Patenstelle.
Friedrich Wilhelm Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 1843 in Angern; † 1921) war Sohn des Edo Friedrich Christoph Daniel (1816-1904) und der Helene, geb. v. Schöning. Bei seiner Taufe übernahm König Friedrich Wilhelm IV. die Patenstelle.
Sigurd Wilhelm Graf von der Schulenburg (* 1882; † 1956), Sohn des Friedrich Wilhelm Christoph Daniel (1843-1921) war der fünfte und letzte Fideikommissherr auf Angern. Bei seiner Taufe am 5. November 1882 übernahm Kaiser Wilhelm I. eine Patenstelle , wie auch bei seinem Vater, Großvater und Urgroßvater die damals regierenden preußischen Könige Taufpaten gewesen waren.
Kuno Wilhelm Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 1923 in Magdeburg, † 1987 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Jurist und Mitglied der XXI. Generation der Familie von der Schulenburg. Kuno Wilhelm wurde als einziger Sohn von Sigurd-Wilhelm Graf von der Schulenburg geboren.
Alexander Friedrich Christoph Graf von der Schulenburg wurde am 4. August 1968 in Frankfurt am Main geboren. Er ist Sohn von Kuno Wilhelm Christoph Daniel (1923-1987) und Jutta, geb. v. Franocis. Er führt die lange Tradition seiner Familie fort, die seit fast 500 Jahren in Angern verwurzelt ist, und engagiert sich aktiv für die Bewirtschaftung der wieder eingerichteten Forstbetriebs sowie die Rekonstruktion und Erhaltung des Schlosses und des Parks.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.