Schulenburg Familie in Angern
Das Geschlecht von der Schulenburg zählt zu den älteren Adelsfamilien Norddeutschlands und ist seit dem 13. Jahrhundert urkundlich belegt

Die Westensammlung des Generals Christoph Daniel von der Schulenburg, wie sie im Garderobeninventar von 1752 verzeichnet ist, dokumentiert eindrucksvoll die ästhetische und soziale Bedeutung dieses Kleidungsstücks innerhalb der barocken Adelskultur. Mit mehr als einem Dutzend präzise bezeichneter Westen – gefertigt aus Seide, Brokat, Damast, Droguette und weiteren kostbaren Materialien – tritt uns ein kleidungssoziologisch hochdifferenziertes Ensemble entgegen, das die Komplexität adeliger Repräsentation über Stoffe, Farben und Stile greifbar macht.

Die Weste als zentrales Kleidungsstück barocker Männermode

Die Weste (frz. gilet, engl. waistcoat) entwickelte sich im Verlauf des 18. Jahrhunderts zum wichtigsten Bindeglied zwischen Leib und Rang. Sie war nicht nur funktionales Zwischenstück zwischen Hemd und Rock, sondern bildete durch ihre sichtbare Frontpartie das ästhetische Zentrum der männlichen Kleidung. Die Vielzahl hochwertiger Materialien in Schulenburgs Sammlung verweist auf diese Rolle. So wird etwa eine „Weste von Broccadór“, eine „Brocca d’argent“ oder eine „Toile d’argent mit Gold besetzt“ genannt – allesamt Begriffe für hochwertige Seidengewebe mit eingewobenen Metallfäden, die in den Seidenmanufakturen von Lyon, Tours, Genua oder Venedig gefertigt wurden【1】.

Wie ein Modebericht aus dem Jahr 1738 vermerkt:

„Les habits d’été consistent en justaucorps de toile brochée, ou de gros de Tours à fleurs d’argent, avec gilet pareil, dont la parure seule suffit à distinguer la qualité d’un homme.“【2】

(„Die Sommergewänder bestehen aus Justaucorps aus geblümtem Brokat oder Gros de Tours mit Silberblumen, mit passender Weste – deren Verzierung allein genügt, die Qualität eines Mannes zu erkennen.“)

Farbgebung, Textiltopografie und Tragesituation

Die Farbpalette reicht von dunkelblau (Gros de Tours mit Silber) über bleumourant (eine nuancierte Mischung aus Blau und Violett, mit Gold) bis zu weiß-rot geblümten Mustern – oft in Kombination mit Gold- oder Silberstickerei. Solche Farben waren nicht bloß Geschmackssache, sondern trugen Bedeutung: Blau symbolisierte Loyalität und Militärdienst, Rot Festlichkeit und Präsenz, Weiß Reinheit und Souveränität. Auch Kombinationen wie schwarzsamtene Weste mit Hosen oder schwarze Droguette-Weste zeigen eine Ausdifferenzierung nach Anlass – etwa für abendliche Gesellschaften oder Trauerpflichten.

In Modejournalen wurde diese Differenzierung ebenso beschrieben:

„Pour les bals et réceptions, les messieurs affectent les gilets clairs à motif de fleurs, souvent d’argent ou d’or, tandis que le noir uni convient aux offices du roi, aux deuils et aux salons privés.“【3】

(„Für Bälle und Empfänge bevorzugen die Herren helle Westen mit Blumenmotiv, häufig aus Silber oder Gold, während einfarbiges Schwarz für königliche Audienzen, Trauer und private Salons geeignet ist.“)

Dass einige der Westen als „eingepackt“ verzeichnet sind, lässt sich deuten als Vorratsstück, sei es für besondere Anlässe oder zur testamentarischen Sicherung der Ausstattung. Die Westensammlung lässt sich in mehrere Funktionsbereiche aufteilen:

  • Festwesten (z. B. Broccadór, mit Gold geblümt) für offizielle Empfänge oder höfische Anlässe,

  • Tageswesten in gedeckteren Tönen mit subtiler Zierde (z. B. Serge de Rome),

  • und Reise- oder Alltagswesten, vermutlich weniger aufwendig, teils mit robusteren Futterstoffen.

    Einige Stücke werden zudem „eingepackt“ aufgeführt – ein Hinweis auf Lagerhaltung für besondere Anlässe oder Nachlässe.

Stilgeschichte in der Miniatur

Der zeitliche Schnittpunkt um 1752 lässt sich auch stilhistorisch greifen: Der Übergang vom schweren, vielfach gefalteten Kamisol des Spätbarock zur schlankeren, stärker körperbetonten Weste des Rokoko ist hier noch sichtbar. Schulenburgs Westen zeigen teils noch die Opulenz des Hochbarock, sind jedoch in ihrer Stoffwahl und Oberflächengestaltung bereits auf die dekorative Eleganz des Spätrokoko eingestellt. Diese Entwicklung korrespondiert mit einer kulturellen Verschiebung: weg von der martialischen, hin zur zivilisierten Repräsentation männlicher Würde, in der Seide und Glanz nicht mehr bloß Prunk, sondern auch Maß, Geschmack und kultivierte Zurückhaltung ausdrücken.

Herstellung und internationale Provenienz

Die im Inventar genannten Stoffe lesen sich wie ein Kompendium europäischer Seidenproduktion: Gros de Tours, Broccadór, Toile d’argent, Droguet en or, Brocca d’argent oder Serge de Rome verweisen auf hochspezialisierte Manufakturen in Frankreich, Italien und den Niederlanden. Diese Materialien wurden nicht nur wegen ihres Glanzes, sondern wegen ihrer symbolischen und standesbezogenen Codierung gewählt – Silber stand für Würde, Gold für Macht, Blütenmotive für Vitalität und höfische Anmut. Die Weste wird hier also explizit als Repräsentationsinstrument des gesellschaftlichen Rangs beschrieben. Die Stoffe weisen auf die große geographische Reichweite adliger Kleiderbeschaffung. Lyon war im 18. Jahrhundert Europas führende Metropole für Brokat und Seidendamaste, während Tours eher für „Gros de Tours“ – ein robuster, glänzender Seidensatin – bekannt war【4】. Diese Stoffe waren in Preußen hoch begehrt und wurden häufig über französische oder niederländische Zwischenhändler bezogen, trotz politischer Spannungen. Ihre Träger signalisierten Weltläufigkeit und Zugang zu internationalen Luxusmärkten – ein wichtiges Zeichen für den Hochadel in der Provinz.

Fazit

Die Seiden- und Brokatwesten Christoph Daniel von der Schulenburgs verkörpern in einzigartiger Weise das Kleidungsideal des aufgeklärten, rangbewussten, höfisch gebildeten Adligen in der Mitte des 18. Jahrhunderts. In ihnen kulminiert ein symbolisches System, das Herkunft, Stellung, Ansehen, Gelegenheit und Ästhetik in Stoff übersetzt. Die Weste ist damit mehr als ein Kleidungsstück – sie ist eine Schnittstelle zwischen Körper, Raum und Gesellschaft. Als textiler Mittelpunkt zwischen Rock und Hemd trägt sie die Würde des Trägers im wörtlichen Sinne zur Schau.

Quellen

  1. Siehe zu den Textilsorten: Ingrid Loschek, Kleidung und Mode: Eine Kulturgeschichte, München 2000, S. 164–169.
  2. Mercure de France, Ausgabe Mai 1738, S. 212.
  3. Le Journal de la Mode et du Goût, Ausgabe Januar 1749, S. 15.
  4. Vgl. Jean-Pierre Babelon: La soie à Lyon au XVIIIe siècle, Paris 1993.
Fritz I. von der Schulenburg (1350–1415) war der gemeinsame Stammvater aller drei Hauptlinien des sogenannten weißen Stamms des Hauses von der Schulenburg. Seine Lebenszeit fällt in eine Epoche tiefgreifender politischer und gesellschaftlicher Umbrüche im deutsch-römischen Reich.
Kaufmann, Lehnsträger und Burgherr in Angern. Werner V. von der Schulenburg gehört zu den frühesten namentlich bekannten Mitgliedern der Familie, die sich dauerhaft auf dem Gut Angern niederließen. Seine Bedeutung liegt nicht allein in seiner Funktion als Mitbelehnter mit der dortigen Burg, sondern vor allem in seiner Rolle als Vertreter eines Adels, der im Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit zunehmend auch städtisch-wirtschaftliche Handlungsspielräume wahrnahm.
Hans XII. von der Schulenburg († 1625), Sohn des Busso VI. , gehört zu jenen Gliedern des Adelsgeschlechts von der Schulenburg , deren Leben exemplarisch für die Krisen und Konsolidierungsversuche niederadliger Gutsherrschaft im frühneuzeitlichen Brandenburg steht. Seine Biografie markiert eine Übergangsphase zwischen militärischer Karriere und ökonomischer Bedrängnis, zwischen adliger Repräsentation und realer finanzieller Überforderung.
Bernhard von der Schulenburg (1427–1469) wurde im Jahre 1448 mit seinen Brüdern Busso und Matthias durch Lehnbrief Erzbischofs Friedrich von Magdeburg zu rechten männlichen Lehen belehnt.
Ritter, kurbrandenburgischer Rat, Stiftshauptmann des Erzstifts Magdeburg, Begründer des älteren Angerner Zweigs. Busso I. entstammte der weißen Linie der Familie von der Schulenburg und war der älteste Sohn des Ritters Fritz I von der Schulenburg (* um 1350, † 1415). Er wurde am 12. April 1414 noch als unmündig erwähnt, galt aber bereits am 15. April 1415 als mündig und war ab 6. August 1424 urkundlich als Ritter belegt. Sein Geburtsjahr lässt sich daher mit einiger Sicherheit auf um 1396 datieren.
Begründer der jüngeren Linie des weißen Stammes – Landeshauptmann der Altmark. Matthias I von der Schulenburg (geb. spätestens 1405 – † zwischen Februar und November 1477) war der jüngste Sohn des Ritters Fritz I von der Schulenburg (Nr. 56).
Bernhard XI. von der Schulenburg (*1475, † vor dem 15. Mai 1502) war ein altmärkischer Adliger des ausgehenden 15. Jahrhunderts und der bedeutendste Vertreter der jüngeren Linie des sogenannten weißen Stammes der Familie von der Schulenburg. Er war der älteste überlebende Sohn des Landeshauptmanns Matthias I. († um 1477) und der Anna von Alvensleben . Er war Herr auf Altenhausen , Angern und Beetzendorf .
Erbe des Ritterguts Angern, kaiserlicher Offizier und Begründer der Angerner Stammlinie. Alexander Friedrich Christoph von der Schulenburg (*5.8.1720, †1801) war der vierte Sohn Heinrich Hartwig I. Er trat das erstmals unter seinem Onkel Christoph Daniel auf die jüngeren Linie vereinigte Rittergut als Majorat an, das durch das Fideikommiss von 1762 gesichert worden war.
Ein früher Reformator, streitbarer Landadliger und Kriegsteilnehmer im Zeitalter der Konfessionalisierung. Als Sohn von Bernhard XI. von der Schulenburg und Enkel von Matthias I , des langjährigen Landeshauptmanns der Altmark, war er ein direkter Erbe der um 1485 befestigten Stellung in Altenhausen , Angern und Beetzendorf und setzte die jüngere Linie des weißen Stamms fort.
Jakob II. von der Schulenburg: Leben, Kriegslaufbahn und Besitzpolitik eines altmärkischen Söldnerführers. Jakob II. zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des altmärkischen Adels im 16. Jahrhundert.
Daniel I. Reichsfreiherr von der Schulenburg (* 3. Juni 1538 in Altenhausen ; † 6. November 1594 in Angern ) (Nr. 312 in der Stammtafel) lebte in einer Zeit bedeutender politischer und wirtschaftlicher Umbrüche in der Altmark und im Erzstift Magdeburg . Am 29.09.1577 heiratete Daniel I. Ehrengard von Alten aus dem Hause Wilkenburg (* um 1556, † nach 1611). Aus dieser Verbindung gingen fünf Kinder hervor.
Henning III. von der Schulenburg (*1587, †01.09.1637) war der jüngste Sohn des Daniel I. von der Schulenburg und übernahm nach seinem Tod den Burghof in Angern. Er steht exemplarisch für die komplexe Rolle des niederen Adels im frühneuzeitlichen Brandenburg – zwischen dynastischer Kontinuität, territorialer Zersplitterung und finanzieller Prekarität.
Henning Christoph von der Schulenburg (* 1648 oder 1649 auf Angern , † 27.12.1683 in Staßfurt ) war ein kurbrandenburgischer Hauptmann. Als der älteste Sohn von Heinrich XI. von der Schulenburg (geb. 1621, gest. 1691) und Ilse Floria von der Knesebeck (geb. 1629, gest. 1712) erbte er nach dessen Tod die Güter Angern und Falkenberg .
Heinrich XI von der Schulenburg (* 06.09.1621 auf Angern , + 19.05.1691 in Kehnert ) war Sohn von Henning III. von der Schulenburg und übernahm nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) ein schwer verwüstetes und verschuldetes Erbe auf den Gütern Angern, Kehnert und Schricke. Die Verwüstungen dieses langen Konflikts hatten nicht nur das Land, sondern auch die wirtschaftliche und soziale Struktur Brandenburg‑Preußens nachhaltig erschüttert. In den Jahren nach 1648 begann ein langwieriger Wiederaufbauprozess, der von der Notwendigkeit geprägt war, feudale Strukturen aufzubrechen und zentralisierte, absolutistisch geprägte Verwaltungsinstitutionen zu etablieren – Entwicklungen, die auch den Grundstein für den späteren Aufstieg des preußischen Staates legten.
Christoph Daniel von der Schulenburg (*1679 in Angern, †1763 ebenda) wurde geboren inmitten einer Epoche dynastischer Spannungen im Heiligen Römischen Reich. Er zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des brandenburgisch-preußischen Adels im 18. Jahrhundert. Sein Lebensweg vereint in exemplarischer Weise militärische Laufbahn , diplomatische Missionen und kulturelles Mäzenatentum .
Der letzte Erbe der alten Linie Angern. Heinrich Hartwig I. von der Schulenburg, Sohn von Henning Christoph , war der letzte bedeutende Vertreter der älteren Linie auf dem Rittergut Angern, ehe dieses durch seinen Bruder Christoph Daniel vollständig in der jüngeren Linie des weißen Stammes zusammengeführt wurde. Nach dem frühen Tod seines Vaters trat Heinrich Hartwig als Erbe des Burghofs hervor und bemühte sich in schwieriger Zeit um die wirtschaftliche Konsolidierung des Besitzes. Seine Rolle als Gutsherr, seine Teilnahme am savoyischen Militärdienst sowie seine familiären Verbindungen dokumentieren exemplarisch die Lebensrealität eines altmärkischen Adligen im Übergang vom Dreißigjährigen Krieg zur barocken Neuordnung der Gutswirtschaft.
Friedrich Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 10. Februar 1769 auf Angern; † 16. Mai 1821 in Magdeburg) ist Sohn des Alexander Friedrich Christoph Graf von der Schulenburg .
Edo Friedrich Christoph Daniel , geb. 27.04.1816 in Angern, gest. 06.08.1904 in Angern, wurde 1821 dritter Fideikommissherr auf Angern. Edo war einziger Sohn des Magdeburger Regierungspräsidenten Friedrich Graf v.d. Schulenburg aus dessen zweiter Ehe mit der Tochter des Braunschweigischen Landdrosten, Auguste Luise Adolphine von Cramm. Bei seiner Taufe übernahm König Friedrich Wilhelm III . eine Patenstelle.
Friedrich Wilhelm Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 1843 in Angern; † 1921) war Sohn des Edo Friedrich Christoph Daniel (1816-1904) und der Helene, geb. v. Schöning. Bei seiner Taufe übernahm König Friedrich Wilhelm IV. die Patenstelle.
Sigurd Wilhelm Graf von der Schulenburg (* 1882; † 1956), Sohn des Friedrich Wilhelm Christoph Daniel (1843-1921) war der fünfte und letzte Fideikommissherr auf Angern. Bei seiner Taufe am 5. November 1882 übernahm Kaiser Wilhelm I. eine Patenstelle , wie auch bei seinem Vater, Großvater und Urgroßvater die damals regierenden preußischen Könige Taufpaten gewesen waren.
Kuno Wilhelm Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 1923 in Magdeburg, † 1987 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Jurist und Mitglied der XXI. Generation der Familie von der Schulenburg. Kuno Wilhelm wurde als einziger Sohn von Sigurd-Wilhelm Graf von der Schulenburg geboren.
Alexander Friedrich Christoph Graf von der Schulenburg wurde am 4. August 1968 in Frankfurt am Main geboren. Er ist Sohn von Kuno Wilhelm Christoph Daniel (1923-1987) und Jutta, geb. v. Franocis. Er führt die lange Tradition seiner Familie fort, die seit fast 500 Jahren in Angern verwurzelt ist, und engagiert sich aktiv für die Bewirtschaftung der wieder eingerichteten Forstbetriebs sowie die Rekonstruktion und Erhaltung des Schlosses und des Parks.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.