Schulenburg Familie in Angern
Das Geschlecht von der Schulenburg zählt zu den älteren Adelsfamilien Norddeutschlands und ist seit dem 13. Jahrhundert urkundlich belegt

Inventar als Spiegel einer geordneten Biografie. Das Inventar der Waffensammlung Christoph Daniel Freiherr von der Schulenburg aus dem Jahr 1752 wirkt auf den ersten Blick wie eine nüchterne Auflistung – doch seine Struktur verrät weit mehr als bloße Aufzählung. Die Art und Weise, wie die Objekte innerhalb des Gewehrschranks und Kabinetts aufgelistet sind, spiegelt nicht nur Schulenburgs Besitzverhältnisse, sondern seine Werte, Prioritäten und sein Selbstverständnis als General, Gutsbesitzer und Grandseigneur. Die Ordnung folgt keiner alphabetischen, farblichen oder geografischen Logik, sondern einer semantisch-rhetorischen Dramaturgie, die sich lesen lässt wie ein stilles Selbstporträt – in Eisen und Ornament.

1. Die Öffnung: Vom Krieg zum Kunststück

Das erste Stück im Gewehrschrank ist eine „Haubitze zu Grenaden“ – ein schweres, kriegerisches Instrument, das sofort die Aufmerksamkeit lenkt. Ihr Platz an erster Stelle ist kein Zufall: Die Sammlung beginnt laut, mit Macht. Sie verankert das Kabinett im martialischen Lebensabschnitt Schulenburgs, in seiner Laufbahn als sardischer General, in der Welt der Schlachten und Belagerungen .

Doch direkt darauf folgen keine weiteren Geschütze, sondern kunstvoll gefertigte Handwaffen – etwa der Musquetton mit Perlmutter und Elfenbein und die gezogene Kugelbüchse. Der Übergang von schwerem Kriegsgerät zu feingliedrigen, ornamentierten Stücken markiert eine Verschiebung: vom Kommando zur Kontrolle, von der Gewalt zur Geschicklichkeit. Es ist, als würde die Sammlung selbst erzählen: Ich habe befehligt – und ich habe verstanden.

2. Der Mittelteil: Repräsentation durch Vielfalt

Es folgt der größte Abschnitt der Liste – die Flinten. Nicht weniger als acht Flinten unterschiedlicher Herkunft, Bauweise und Dekoration sind aufgeführt. Italienische, spanische, „Cattal.“, teilweise zerlegbare oder mit farblich behandeltem Lauf. Der Reiz dieser Auswahl liegt nicht in der militärischen Potenz, sondern in der Vielgestaltigkeit. Diese Vielfalt macht deutlich: Schulenburg war kein Waffennarr – er war ein Kenner. Die Flinten sind wie eine Galerie nationaler Waffenstile des 18. Jahrhunderts. Ihre unterschiedliche Herkunft verweist auf Schulenburgs Stationen in Savoyen, Piemont, dem Piemontesischen Kriegsschauplatz, aber auch auf diplomatische Kontakte und Präsente. Es ist die Typologie eines Weltbürgers mit militärischem Hintergrund. Besonders bemerkenswert ist die Positionierung der „Flinte, die man zusammenlegen kann“. Sie steht im Zentrum der Liste – eine Waffe der Mobilität, des Reisens, des Übergangs. Sie markiert das Narrativ des Unterwegsseins, das Schulenburgs Biografie durchzieht.

3. Der Höhepunkt: Die Pistolenpaare

Die dramaturgische Dichte erreicht ihren Höhepunkt mit der Nennung von nicht weniger als zehn Pistolenpaaren – jedes mit individueller Beschreibung, Herkunft oder Verzierung. Die Sprache verdichtet sich hier: „blau angelaufen“, „mit Silber garnierte Provincial à Turin“, „mit Kriegsarmaturen verzieret“, „Messing garnierte Sig. Stornati, auf die Läufe in Gold“. Es ist, als würde das Inventar in einen Klangraum der Differenzierung eintreten. Pistolenpaare sind tragbare Repräsentationen. Sie zeigen Stand, Stil, Geschmack. Und ihre Ordnung im Inventar spiegelt das: Von der funktionalen Waffe („welche Christoph ordin. hat“) über diplomatische Prunkstücke bis zu Meisterstücken italienischer Waffenschmiedekunst. Die graduelle Steigerung von Funktion zu Finesse ist hier regelrecht komponiert.

4. Die Ausklanggruppe: Exotisches und Ehrenhaftes

Nach den Pistolen folgt ein kleiner Block von Einzelwaffen und Accessoires: ein türkischer Säbel, ein Hirschfänger mit Schildkrötengefäß, ein Degen, ein sardinisches Pulverhorn. Diese Stücke sind keine Alltagswaffen. Sie sind Signaturen – Trophäen, Geschenke, Erinnerungsobjekte. Ihre Platzierung am Ende verweist auf eine stille Geste: Diese Dinge sind nicht mehr Teil des Kriegs – sie sind Teil des Andenkens. Sie bilden den emotionalen Ausklang der Sammlung, gewissermaßen das Nachglühen des Kriegerlebens. Hier ist Christoph Daniel nicht mehr General, sondern Erzähler seiner eigenen Laufbahn. Der letzte Abschnitt des Gewehrschranks ähnelt einem Schlusschor – leise, vielstimmig, versöhnlich.

5. Der epilogische Nachsatz: Die „24 Cäsaren“

Abseits des eigentlichen Gewehrschranks steht am Ende des Inventars ein weiteres, auf den ersten Blick unpassendes Objekt:

„in einer Schachtel […] 24 Stück vertable Antiquen“ – die zwölf ersten römischen Kaiser und ihre Gemahlinnen.

Diese Miniaturen bilden nicht nur eine Sammlung im engeren Sinn, sondern einen metaphorischen Rahmen für die ganze Waffenkammer. Denn mit ihnen macht Schulenburg deutlich: Ich stelle mich ein in die Reihe derer, die herrschten – nicht allein mit Waffen, sondern mit Ordnung, Maß und Erinnerung. Die Cäsaren sind nicht Dekoration, sondern Deutung.

Fazit: Ordnung als Autobiografie

Die Ordnung der Sammlung ist keine bloße Registratur – sie ist ein Narrativ. Der Gewehrschrank liest sich wie ein literarisch strukturierter Text: mit Exposition (Haubitze), Spannungsaufbau (Flinten), Klimax (Pistolenpaare), Epilog (Einzelwaffen) und Reflexion (Cäsaren). Er ist das Inventar eines Lebens, geordnet nach Bedeutung – nicht nach Maßstab. In der Reihung der Objekte offenbart sich das, was Schulenburg über sich selbst zu sagen hatte: Ich war Soldat, Sammler, Weltreisender, Ästhet, und am Ende: Zeuge meiner eigenen Geschichte.

Quellen

  • Landesarchiv Magdeburg, Rep. H Angern Nr. 76: Inventarverzeichnis Schloss Angern, Januar 1752 .
  • Ebert-Schifferer, Sybille: Kunstkammern der Renaissance, München 2002.
  • Elias, Norbert: Über den Prozeß der Zivilisation, Frankfurt a. M. 1976.
  • Schulenburg, Alexander / v. Krosigk, Klaus-Henning: Publikation Angern, 2022 .
  • Schilling, Lutz: Adlige Jagd im Alten Reich, Göttingen 1994.
Fritz I. von der Schulenburg (1350–1415) war der gemeinsame Stammvater aller drei Hauptlinien des sogenannten weißen Stamms des Hauses von der Schulenburg. Seine Lebenszeit fällt in eine Epoche tiefgreifender politischer und gesellschaftlicher Umbrüche im deutsch-römischen Reich.
Kaufmann, Lehnsträger und Burgherr in Angern. Werner V. von der Schulenburg gehört zu den frühesten namentlich bekannten Mitgliedern der Familie, die sich dauerhaft auf dem Gut Angern niederließen. Seine Bedeutung liegt nicht allein in seiner Funktion als Mitbelehnter mit der dortigen Burg, sondern vor allem in seiner Rolle als Vertreter eines Adels, der im Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit zunehmend auch städtisch-wirtschaftliche Handlungsspielräume wahrnahm.
Hans XII. von der Schulenburg († 1625), Sohn des Busso VI. , gehört zu jenen Gliedern des Adelsgeschlechts von der Schulenburg , deren Leben exemplarisch für die Krisen und Konsolidierungsversuche niederadliger Gutsherrschaft im frühneuzeitlichen Brandenburg steht. Seine Biografie markiert eine Übergangsphase zwischen militärischer Karriere und ökonomischer Bedrängnis, zwischen adliger Repräsentation und realer finanzieller Überforderung.
Bernhard von der Schulenburg (1427–1469) wurde im Jahre 1448 mit seinen Brüdern Busso und Matthias durch Lehnbrief Erzbischofs Friedrich von Magdeburg zu rechten männlichen Lehen belehnt.
Ritter, kurbrandenburgischer Rat, Stiftshauptmann des Erzstifts Magdeburg, Begründer des älteren Angerner Zweigs. Busso I. entstammte der weißen Linie der Familie von der Schulenburg und war der älteste Sohn des Ritters Fritz I von der Schulenburg (* um 1350, † 1415). Er wurde am 12. April 1414 noch als unmündig erwähnt, galt aber bereits am 15. April 1415 als mündig und war ab 6. August 1424 urkundlich als Ritter belegt. Sein Geburtsjahr lässt sich daher mit einiger Sicherheit auf um 1396 datieren.
Begründer der jüngeren Linie des weißen Stammes – Landeshauptmann der Altmark. Matthias I von der Schulenburg (geb. spätestens 1405 – † zwischen Februar und November 1477) war der jüngste Sohn des Ritters Fritz I von der Schulenburg (Nr. 56).
Bernhard XI. von der Schulenburg (*1475, † vor dem 15. Mai 1502) war ein altmärkischer Adliger des ausgehenden 15. Jahrhunderts und der bedeutendste Vertreter der jüngeren Linie des sogenannten weißen Stammes der Familie von der Schulenburg. Er war der älteste überlebende Sohn des Landeshauptmanns Matthias I. († um 1477) und der Anna von Alvensleben . Er war Herr auf Altenhausen , Angern und Beetzendorf .
Erbe des Ritterguts Angern, kaiserlicher Offizier und Begründer der Angerner Stammlinie. Alexander Friedrich Christoph von der Schulenburg (*5.8.1720, †1801) war der vierte Sohn Heinrich Hartwig I. Er trat das erstmals unter seinem Onkel Christoph Daniel auf die jüngeren Linie vereinigte Rittergut als Majorat an, das durch das Fideikommiss von 1762 gesichert worden war.
Ein früher Reformator, streitbarer Landadliger und Kriegsteilnehmer im Zeitalter der Konfessionalisierung. Als Sohn von Bernhard XI. von der Schulenburg und Enkel von Matthias I , des langjährigen Landeshauptmanns der Altmark, war er ein direkter Erbe der um 1485 befestigten Stellung in Altenhausen , Angern und Beetzendorf und setzte die jüngere Linie des weißen Stamms fort.
Jakob II. von der Schulenburg: Leben, Kriegslaufbahn und Besitzpolitik eines altmärkischen Söldnerführers. Jakob II. zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des altmärkischen Adels im 16. Jahrhundert.
Daniel I. Reichsfreiherr von der Schulenburg (* 3. Juni 1538 in Altenhausen ; † 6. November 1594 in Angern ) (Nr. 312 in der Stammtafel) lebte in einer Zeit bedeutender politischer und wirtschaftlicher Umbrüche in der Altmark und im Erzstift Magdeburg . Am 29.09.1577 heiratete Daniel I. Ehrengard von Alten aus dem Hause Wilkenburg (* um 1556, † nach 1611). Aus dieser Verbindung gingen fünf Kinder hervor.
Henning III. von der Schulenburg (*1587, †01.09.1637) war der jüngste Sohn des Daniel I. von der Schulenburg und übernahm nach seinem Tod den Burghof in Angern. Er steht exemplarisch für die komplexe Rolle des niederen Adels im frühneuzeitlichen Brandenburg – zwischen dynastischer Kontinuität, territorialer Zersplitterung und finanzieller Prekarität.
Henning Christoph von der Schulenburg (* 1648 oder 1649 auf Angern , † 27.12.1683 in Staßfurt ) war ein kurbrandenburgischer Hauptmann. Als der älteste Sohn von Heinrich XI. von der Schulenburg (geb. 1621, gest. 1691) und Ilse Floria von der Knesebeck (geb. 1629, gest. 1712) erbte er nach dessen Tod die Güter Angern und Falkenberg .
Heinrich XI von der Schulenburg (* 06.09.1621 auf Angern , + 19.05.1691 in Kehnert ) war Sohn von Henning III. von der Schulenburg und übernahm nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) ein schwer verwüstetes und verschuldetes Erbe auf den Gütern Angern, Kehnert und Schricke. Die Verwüstungen dieses langen Konflikts hatten nicht nur das Land, sondern auch die wirtschaftliche und soziale Struktur Brandenburg‑Preußens nachhaltig erschüttert. In den Jahren nach 1648 begann ein langwieriger Wiederaufbauprozess, der von der Notwendigkeit geprägt war, feudale Strukturen aufzubrechen und zentralisierte, absolutistisch geprägte Verwaltungsinstitutionen zu etablieren – Entwicklungen, die auch den Grundstein für den späteren Aufstieg des preußischen Staates legten.
Christoph Daniel von der Schulenburg (*1679 in Angern, †1763 ebenda) wurde geboren inmitten einer Epoche dynastischer Spannungen im Heiligen Römischen Reich. Er zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des brandenburgisch-preußischen Adels im 18. Jahrhundert. Sein Lebensweg vereint in exemplarischer Weise militärische Laufbahn , diplomatische Missionen und kulturelles Mäzenatentum .
Der letzte Erbe der alten Linie Angern. Heinrich Hartwig I. von der Schulenburg, Sohn von Henning Christoph , war der letzte bedeutende Vertreter der älteren Linie auf dem Rittergut Angern, ehe dieses durch seinen Bruder Christoph Daniel vollständig in der jüngeren Linie des weißen Stammes zusammengeführt wurde. Nach dem frühen Tod seines Vaters trat Heinrich Hartwig als Erbe des Burghofs hervor und bemühte sich in schwieriger Zeit um die wirtschaftliche Konsolidierung des Besitzes. Seine Rolle als Gutsherr, seine Teilnahme am savoyischen Militärdienst sowie seine familiären Verbindungen dokumentieren exemplarisch die Lebensrealität eines altmärkischen Adligen im Übergang vom Dreißigjährigen Krieg zur barocken Neuordnung der Gutswirtschaft.
Friedrich Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 10. Februar 1769 auf Angern; † 16. Mai 1821 in Magdeburg) ist Sohn des Alexander Friedrich Christoph Graf von der Schulenburg .
Edo Friedrich Christoph Daniel , geb. 27.04.1816 in Angern, gest. 06.08.1904 in Angern, wurde 1821 dritter Fideikommissherr auf Angern. Edo war einziger Sohn des Magdeburger Regierungspräsidenten Friedrich Graf v.d. Schulenburg aus dessen zweiter Ehe mit der Tochter des Braunschweigischen Landdrosten, Auguste Luise Adolphine von Cramm. Bei seiner Taufe übernahm König Friedrich Wilhelm III . eine Patenstelle.
Friedrich Wilhelm Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 1843 in Angern; † 1921) war Sohn des Edo Friedrich Christoph Daniel (1816-1904) und der Helene, geb. v. Schöning. Bei seiner Taufe übernahm König Friedrich Wilhelm IV. die Patenstelle.
Sigurd Wilhelm Graf von der Schulenburg (* 1882; † 1956), Sohn des Friedrich Wilhelm Christoph Daniel (1843-1921) war der fünfte und letzte Fideikommissherr auf Angern. Bei seiner Taufe am 5. November 1882 übernahm Kaiser Wilhelm I. eine Patenstelle , wie auch bei seinem Vater, Großvater und Urgroßvater die damals regierenden preußischen Könige Taufpaten gewesen waren.
Kuno Wilhelm Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 1923 in Magdeburg, † 1987 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Jurist und Mitglied der XXI. Generation der Familie von der Schulenburg. Kuno Wilhelm wurde als einziger Sohn von Sigurd-Wilhelm Graf von der Schulenburg geboren.
Alexander Friedrich Christoph Graf von der Schulenburg wurde am 4. August 1968 in Frankfurt am Main geboren. Er ist Sohn von Kuno Wilhelm Christoph Daniel (1923-1987) und Jutta, geb. v. Franocis. Er führt die lange Tradition seiner Familie fort, die seit fast 500 Jahren in Angern verwurzelt ist, und engagiert sich aktiv für die Bewirtschaftung der wieder eingerichteten Forstbetriebs sowie die Rekonstruktion und Erhaltung des Schlosses und des Parks.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.