Schulenburg Familie in Angern
Das Geschlecht von der Schulenburg zählt zu den älteren Adelsfamilien Norddeutschlands und ist seit dem 13. Jahrhundert urkundlich belegt

Ein rationaler Architekt seiner Zeit: Christoph Daniel von der Schulenburg im Spiegel der Big Five. Die historische Persönlichkeit Christoph Daniel von der Schulenburg (1679–1763) lässt sich nicht nur durch politische, militärische und ökonomische Kategorien erfassen. Auch eine psychologische Perspektive eröffnet neue Zugänge – insbesondere das Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeitspsychologie („Big Five“) erlaubt eine differenzierte Einordnung seiner Handlungsweisen und mentalen Dispositionen. Auf Grundlage archivalischer Zeugnisse, seines schriftlichen Nachlasses, der Raumgestaltung und Verwaltungsakten ergibt sich ein kohärentes Persönlichkeitsbild.

Christoph Daniel von der Schulenburg Angern

Brustbild von Christoph Daniel von der Schulenburg im Alter

Offenheit für Erfahrungen: kulturelle Weite und strategische Neugier

Christoph Daniel zeichnete sich durch ein hohes Maß an intellektueller Offenheit aus. Seine umfangreiche Bibliothek – mit Werken zu Kriegstheorie, Staatsrecht, Moralphilosophie und Geografie – belegt nicht nur belesene Weltgewandtheit, sondern auch einen bewussten Bildungsanspruch. Die diplomatischen Missionen (u. a. Warschau 1733) und seine präzise dokumentierte Ausstattung des Schlosses mit chinesischen, italienischen und höfischen Malereien zeigen kulturelle Sensibilität und Neugier gegenüber anderen Lebensformen und Ideenwelten. Diese Offenheit war allerdings stets zweckgebunden: nicht expressiv, sondern in eine rational strukturierte Lebensführung eingebettet.

Gewissenhaftigkeit: Systematische Ordnung als Lebensprinzip

In keinem anderen Persönlichkeitsbereich tritt Christoph Daniel so klar hervor wie in seiner Gewissenhaftigkeit. Seine schriftlichen Instruktionen sind sachlich, zielgerichtet, von hoher formaler Disziplin geprägt. Die Etablierung eines Fideikommisses (1762), die Reorganisation des Familienbesitzes (1734–1738) und die minutiöse Ausstattung der Räume – bis hin zur exakten Anzahl der Tapetenbahnen – verweisen auf ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Ordnung, Kontrolle und Nachhaltigkeit. Auch seine testamentarischen Regelungen und das Bestreben, das zersplitterte Gut dauerhaft zu sichern, belegen ein planvolles und verantwortungsorientiertes Denken.

Extraversion: Funktionale Repräsentation ohne emotionale Inszenierung

Die Extraversion Schulenburgs ist ambivalent. Zwar bewegte er sich als General und Diplomat in öffentlichen Rollen, doch mangelt es an Quellen, die auf persönliche Geselligkeit oder emotionale Expressivität hinweisen. Seine Raumgestaltung diente der höfischen Repräsentation, nicht der Selbstdarstellung. Auch seine Korrespondenz vermeidet emotionale Sprache; der Ton bleibt stets nüchtern und zweckgerichtet. Schulenburg war präsent, aber nicht expressiv – ein Akteur, der sich in repräsentativen Funktionen bewegte, ohne sich darin psychologisch zu exponieren.

Verträglichkeit: Kontrolle statt Empathie

Seine Interaktionen mit Untergebenen, Beamten und Dorfbewohnern waren durchweg von Hierarchie, Regulierung und Erwartungsmanagement geprägt. Die erhaltenen Anweisungen lassen keine Nähe oder personale Wärme erkennen. Stattdessen dominieren Verordnungen, Pflichten und Sanktionen. Die Beziehung zu Familie und Dorf erscheint funktional, nicht einfühlsam. Seine Rolle als Patron war durchsetzungsorientiert, nicht fürsorglich im modernen Sinn. Diese Form von Autorität verweist auf eine eher geringe Ausprägung an Verträglichkeit – geprägt von klarer Rollenverteilung statt zwischenmenschlicher Offenheit.

Neurotizismus: emotionale Stabilität in Krisenzeiten

Christoph Daniel begegnete den Herausforderungen seiner Zeit mit bemerkenswerter Ruhe. Weder militärische Niederlagen noch bauliche Rückschläge (z. B. Abriss von Gewölben, Verwaltungswiderstände) finden in seiner Sprache Ausdruck affektiver Erregung. Seine Entscheidungen sind überlegt, kontrolliert, resilient. Diese emotionale Stabilität zeigt sich auch in der Langfristigkeit seiner Maßnahmen: Statt impulsiv zu handeln, strukturierte er Besitz, Nachfolge und Haushaltsführung mit strategischer Weitsicht. Ein niedriger Neurotizismus ist somit wahrscheinlich.

Fazit: Der rationale Modernisierer in feudaler Hülle

Christoph Daniel von der Schulenburg war kein exzentrischer Machtmensch, kein charismatischer Führer. Vielmehr verkörpert er einen Typus frühaufklärerischer Rationalität im Gewand eines altmärkischen Adligen: sachbezogen, bildungsorientiert, kontrolliert. Seine Persönlichkeit fügt sich in ein agentisches Profil ein – zielgerichtet, strukturiert, distanziert, aber nicht kalt. Die psychologische Typisierung nach dem Big-Five-Modell macht sichtbar, wie stark Charakter und Handlung bei ihm ineinandergreifen: als Architekt eines rational geordneten Lebensraums zwischen Krieg, Verwaltung und Gedächtnis.

Fritz I. von der Schulenburg (1350–1415) war der gemeinsame Stammvater aller drei Hauptlinien des sogenannten weißen Stamms des Hauses von der Schulenburg. Seine Lebenszeit fällt in eine Epoche tiefgreifender politischer und gesellschaftlicher Umbrüche im deutsch-römischen Reich.
Kaufmann, Lehnsträger und Burgherr in Angern. Werner V. von der Schulenburg gehört zu den frühesten namentlich bekannten Mitgliedern der Familie, die sich dauerhaft auf dem Gut Angern niederließen. Seine Bedeutung liegt nicht allein in seiner Funktion als Mitbelehnter mit der dortigen Burg, sondern vor allem in seiner Rolle als Vertreter eines Adels, der im Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit zunehmend auch städtisch-wirtschaftliche Handlungsspielräume wahrnahm.
Hans XII. von der Schulenburg († 1625), Sohn des Busso VI. , gehört zu jenen Gliedern des Adelsgeschlechts von der Schulenburg , deren Leben exemplarisch für die Krisen und Konsolidierungsversuche niederadliger Gutsherrschaft im frühneuzeitlichen Brandenburg steht. Seine Biografie markiert eine Übergangsphase zwischen militärischer Karriere und ökonomischer Bedrängnis, zwischen adliger Repräsentation und realer finanzieller Überforderung.
Bernhard von der Schulenburg (1427–1469) wurde im Jahre 1448 mit seinen Brüdern Busso und Matthias durch Lehnbrief Erzbischofs Friedrich von Magdeburg zu rechten männlichen Lehen belehnt.
Ritter, kurbrandenburgischer Rat, Stiftshauptmann des Erzstifts Magdeburg, Begründer des älteren Angerner Zweigs. Busso I. entstammte der weißen Linie der Familie von der Schulenburg und war der älteste Sohn des Ritters Fritz I von der Schulenburg (* um 1350, † 1415). Er wurde am 12. April 1414 noch als unmündig erwähnt, galt aber bereits am 15. April 1415 als mündig und war ab 6. August 1424 urkundlich als Ritter belegt. Sein Geburtsjahr lässt sich daher mit einiger Sicherheit auf um 1396 datieren.
Begründer der jüngeren Linie des weißen Stammes – Landeshauptmann der Altmark. Matthias I von der Schulenburg (geb. spätestens 1405 – † zwischen Februar und November 1477) war der jüngste Sohn des Ritters Fritz I von der Schulenburg (Nr. 56).
Bernhard XI. von der Schulenburg (*1475, † vor dem 15. Mai 1502) war ein altmärkischer Adliger des ausgehenden 15. Jahrhunderts und der bedeutendste Vertreter der jüngeren Linie des sogenannten weißen Stammes der Familie von der Schulenburg. Er war der älteste überlebende Sohn des Landeshauptmanns Matthias I. († um 1477) und der Anna von Alvensleben . Er war Herr auf Altenhausen , Angern und Beetzendorf .
Erbe des Ritterguts Angern, kaiserlicher Offizier und Begründer der Angerner Stammlinie. Alexander Friedrich Christoph von der Schulenburg (*5.8.1720, †1801) war der vierte Sohn Heinrich Hartwig I. Er trat das erstmals unter seinem Onkel Christoph Daniel auf die jüngeren Linie vereinigte Rittergut als Majorat an, das durch das Fideikommiss von 1762 gesichert worden war.
Ein früher Reformator, streitbarer Landadliger und Kriegsteilnehmer im Zeitalter der Konfessionalisierung. Als Sohn von Bernhard XI. von der Schulenburg und Enkel von Matthias I , des langjährigen Landeshauptmanns der Altmark, war er ein direkter Erbe der um 1485 befestigten Stellung in Altenhausen , Angern und Beetzendorf und setzte die jüngere Linie des weißen Stamms fort.
Jakob II. von der Schulenburg (*25.03.1515 in Beetzendorf, †1576 in Magdeburg). Leben, Kriegslaufbahn und Besitzpolitik eines altmärkischen Söldnerführers. Jakob II. zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des altmärkischen Adels im 16. Jahrhundert.
Daniel I. Reichsfreiherr von der Schulenburg (* 3. Juni 1538 in Altenhausen ; † 6. November 1594 in Angern ) (Nr. 312 in der Stammtafel) lebte in einer Zeit bedeutender politischer und wirtschaftlicher Umbrüche in der Altmark und im Erzstift Magdeburg . Am 29.09.1577 heiratete Daniel I. Ehrengard von Alten aus dem Hause Wilkenburg (* um 1556, † nach 1611). Aus dieser Verbindung gingen fünf Kinder hervor.
Henning III. von der Schulenburg (*1587, †01.09.1637) war der jüngste Sohn des Daniel I. von der Schulenburg und übernahm nach seinem Tod den Burghof in Angern. Er steht exemplarisch für die komplexe Rolle des niederen Adels im frühneuzeitlichen Brandenburg – zwischen dynastischer Kontinuität, territorialer Zersplitterung und finanzieller Prekarität.
Henning Christoph von der Schulenburg (* 1648 oder 1649 auf Angern , † 27.12.1683 in Staßfurt ) war ein kurbrandenburgischer Hauptmann. Als der älteste Sohn von Heinrich XI. von der Schulenburg (geb. 1621, gest. 1691) und Ilse Floria von der Knesebeck (geb. 1629, gest. 1712) erbte er nach dessen Tod die Güter Angern und Falkenberg .
Heinrich XI von der Schulenburg (* 06.09.1621 auf Angern , + 19.05.1691 in Kehnert ) war Sohn von Henning III. von der Schulenburg und übernahm nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) ein schwer verwüstetes und verschuldetes Erbe auf den Gütern Angern, Kehnert und Schricke. Die Verwüstungen dieses langen Konflikts hatten nicht nur das Land, sondern auch die wirtschaftliche und soziale Struktur Brandenburg‑Preußens nachhaltig erschüttert. In den Jahren nach 1648 begann ein langwieriger Wiederaufbauprozess, der von der Notwendigkeit geprägt war, feudale Strukturen aufzubrechen und zentralisierte, absolutistisch geprägte Verwaltungsinstitutionen zu etablieren – Entwicklungen, die auch den Grundstein für den späteren Aufstieg des preußischen Staates legten.
Christoph Daniel von der Schulenburg (*1679 in Angern, †1763 ebenda) wurde geboren inmitten einer Epoche dynastischer Spannungen im Heiligen Römischen Reich. Er zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des brandenburgisch-preußischen Adels im 18. Jahrhundert. Sein Lebensweg vereint in exemplarischer Weise militärische Laufbahn , diplomatische Missionen und kulturelles Mäzenatentum .
Der letzte Erbe der alten Linie Angern. Heinrich Hartwig I. von der Schulenburg, Sohn von Henning Christoph , war der letzte bedeutende Vertreter der älteren Linie auf dem Rittergut Angern, ehe dieses durch seinen Bruder Christoph Daniel vollständig in der jüngeren Linie des weißen Stammes zusammengeführt wurde. Nach dem frühen Tod seines Vaters trat Heinrich Hartwig als Erbe des Burghofs hervor und bemühte sich in schwieriger Zeit um die wirtschaftliche Konsolidierung des Besitzes. Seine Rolle als Gutsherr, seine Teilnahme am savoyischen Militärdienst sowie seine familiären Verbindungen dokumentieren exemplarisch die Lebensrealität eines altmärkischen Adligen im Übergang vom Dreißigjährigen Krieg zur barocken Neuordnung der Gutswirtschaft.
Friedrich Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 10. Februar 1769 auf Angern; † 16. Mai 1821 in Magdeburg) ist Sohn des Alexander Friedrich Christoph Graf von der Schulenburg .
Edo Friedrich Christoph Daniel , geb. 27.04.1816 in Angern, gest. 06.08.1904 in Angern, wurde 1821 dritter Fideikommissherr auf Angern. Edo war einziger Sohn des Magdeburger Regierungspräsidenten Friedrich Graf v.d. Schulenburg aus dessen zweiter Ehe mit der Tochter des Braunschweigischen Landdrosten, Auguste Luise Adolphine von Cramm. Bei seiner Taufe übernahm König Friedrich Wilhelm III . eine Patenstelle.
Friedrich Wilhelm Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 1843 in Angern; † 1921) war Sohn des Edo Friedrich Christoph Daniel (1816-1904) und der Helene, geb. v. Schöning. Bei seiner Taufe übernahm König Friedrich Wilhelm IV. die Patenstelle.
Sigurd Wilhelm Graf von der Schulenburg (* 1882; † 1956), Sohn des Friedrich Wilhelm Christoph Daniel (1843-1921) war der fünfte und letzte Fideikommissherr auf Angern. Bei seiner Taufe am 5. November 1882 übernahm Kaiser Wilhelm I. eine Patenstelle , wie auch bei seinem Vater, Großvater und Urgroßvater die damals regierenden preußischen Könige Taufpaten gewesen waren.
Kuno Wilhelm Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 1923 in Magdeburg, † 1987 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Jurist und Mitglied der XXI. Generation der Familie von der Schulenburg. Kuno Wilhelm wurde als einziger Sohn von Sigurd-Wilhelm Graf von der Schulenburg geboren.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.