Schulenburg Familie in Angern
Das Geschlecht von der Schulenburg zählt zu den älteren Adelsfamilien Norddeutschlands und ist seit dem 13. Jahrhundert urkundlich belegt

Selbst als Struktur: Psychologische Typisierung Helene von der Schulenburgs nach dem Big-Five-Modell. Tagebücher bieten selten direkte Einblicke in die Persönlichkeit ihrer Verfasser – doch in ihrer Struktur, Reduktion und Wiederholung lassen sich klare psychologische Muster erkennen. Im Fall von Helene Gräfin von der Schulenburg (geb. von Schöning) wird ein Persönlichkeitsprofil sichtbar, das nicht über Emotionen spricht, sondern in sprachlicher Disziplin und sozialer Integrität aufscheint.

Helene Schoening Schulenburg Angern

Zur psychologischen Einordnung eignet sich insbesondere das Big-Five-Modell (OCEAN), das fünf Grunddimensionen der Persönlichkeit beschreibt: Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus. Dieses Modell lässt sich – bei textnaher Vorsicht – auch auf historische Selbstzeugnisse anwenden.

Emotionale Stabilität: Abwesenheit von Affekt als Haltung

Neurotizismus beschreibt im Big-Five-Modell die Neigung zu emotionaler Labilität, Ängstlichkeit oder Reizbarkeit. In Helenes Tagebuch fehlt jede Spur davon. Sie erlebt Tod, Verwundung, Isolation, Krankheit – aber äußert keine Angst, keine Wut, kein Bedauern. Die Abwesenheit emotionaler Sprache ist keine Leere, sondern ein Zeichen innerer Selbstführung. Ihre Reaktion auf den Tod ist Psalmlesung, nicht Klage. Ihre Reaktion auf Kälte: Organisation, nicht Beschwerde.

„5. Dezember. Kalte Flure. Zwei Sterbefälle. Psalm 90.“

Diese Gelassenheit ist kein Indiz für Gefühllosigkeit, sondern Ausdruck eines ritualisierten Umgangs mit Belastung, wie er in protestantischen, adligen Milieus normativ war. Helenes emotionale Stabilität ist nicht Temperamentszug, sondern soziale Form.

Gewissenhaftigkeit: Struktur als Lebensmodus

Helene schreibt regelmäßig, geordnet, in stets ähnlicher Syntax. Sie hält Daten fest, folgt liturgischen Zyklen, markiert Gedenktage – ohne Auslassung. Solche Regelmäßigkeit weist auf eine hohe Ausprägung von Gewissenhaftigkeit im Sinne des Big-Five-Modells hin: Pflichtgefühl, Selbstdisziplin, Strukturorientierung.

„14. Januar. Heute vor drei Jahren starb Ltn. W. Psalm 90.“

Die Jahreszyklen ihrer Erinnerung, das Festhalten an religiösen Ritualen, die präzise Notierung sozialer Ereignisse (Logenplätze, Soupées, Liturgien) zeigen ein Selbst, das Sicherheit durch Ordnung sucht und gibt. Ihre Verlässlichkeit ist nicht Funktion, sondern Charakter.

Extraversion: Distanzierte Öffentlichkeit

In Helenes Tagebuch finden sich kaum Ich-Aussagen, keine Dialoge, keine Ausschmückungen. Das spricht für eine niedrige Extraversion im Sinne des Big-Five-Modells: geringe Geselligkeit, keine emotionale Außenwirkung, keine Suche nach Stimulus oder Aufmerksamkeit. Gleichwohl ist sie hochgradig sozial eingebunden – sie besucht Theater, Bälle, Familienfeste –, jedoch nicht als Selbstdarstellerin, sondern als Teil einer Ordnung. Ihre gesellschaftliche Präsenz ist funktional, nicht expressiv. Sie gehört dazu, weil sie dazugehört – nicht, weil sie es zeigen muss.

„28. Februar. Subscriptionsball im Hotel de Russie. Gedrängt, aber gut besetzt.“

Helene lebt Öffentlichkeit, ohne sich in ihr zu spiegeln.

Verträglichkeit: Pflege durch Handlung

Während des Deutsch-Französischen Krieges begleitet Helene Verwundete, organisiert Suppe, liest Psalmen für Sterbende – ruhig, regelmäßig, kommentarlos. Diese Form der Fürsorge spricht für eine hohe Ausprägung von Verträglichkeit: Wärme, Pflicht gegenüber anderen, Verlässlichkeit.

„14. Oktober. Wenig Suppe, kein Brot. Die Verwundeten aus Meudon werden täglich mehr.“

Ihre Fürsorge ist nicht emotional formuliert, aber verlässlich gelebt. Sie ist kein pflegender Typ im modernen psychologischen Sinn, sondern eine Figur der diskreten Verantwortung – präsent, ohne sichtbar sein zu wollen.

Offenheit für Erfahrung: Reduktion als Stärke

Die Kategorie „Offenheit für Erfahrung“ umfasst Neugier, Kreativität, intellektuelle Beweglichkeit. Helene wirkt hier reduziert: keine theoretischen Reflexionen, keine philosophischen Einschübe, keine Ästhetisierung. Doch diese scheinbar geringe Offenheit ist keine Einschränkung, sondern bewusste Form: Ihre Erfahrung liegt nicht in gedanklicher Ausweitung, sondern in gelebter Wiederholung. Ihre Texte sind verdichtete Erfahrung in ritueller Sprache – kein Denkraum, sondern ein Verhaltensraum.

Schluss: Eine stabilitätsorientierte Persönlichkeit

Helene von der Schulenburg verkörpert eine Persönlichkeitsstruktur, die in sich ruht, ohne sich darzustellen. Ihre psychologische Typisierung nach dem Big-Five-Modell ergibt ein emotional stabiles, hochgradig gewissenhaftes, verträgliches und sozial eingebundenes Selbst mit geringer Expressivität. Ihre Stärke liegt nicht in Introspektion, sondern in Handlung. Ihr Leben ist nicht Selbstentfaltung – sondern Selbstvergewisserung in Form und Pflicht.

Fritz I. von der Schulenburg (1350–1415) war der gemeinsame Stammvater aller drei Hauptlinien des sogenannten weißen Stamms des Hauses von der Schulenburg. Seine Lebenszeit fällt in eine Epoche tiefgreifender politischer und gesellschaftlicher Umbrüche im deutsch-römischen Reich.
Kaufmann, Lehnsträger und Burgherr in Angern. Werner V. von der Schulenburg gehört zu den frühesten namentlich bekannten Mitgliedern der Familie, die sich dauerhaft auf dem Gut Angern niederließen. Seine Bedeutung liegt nicht allein in seiner Funktion als Mitbelehnter mit der dortigen Burg, sondern vor allem in seiner Rolle als Vertreter eines Adels, der im Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit zunehmend auch städtisch-wirtschaftliche Handlungsspielräume wahrnahm.
Hans XII. von der Schulenburg († 1625), Sohn des Busso VI. , gehört zu jenen Gliedern des Adelsgeschlechts von der Schulenburg , deren Leben exemplarisch für die Krisen und Konsolidierungsversuche niederadliger Gutsherrschaft im frühneuzeitlichen Brandenburg steht. Seine Biografie markiert eine Übergangsphase zwischen militärischer Karriere und ökonomischer Bedrängnis, zwischen adliger Repräsentation und realer finanzieller Überforderung.
Bernhard von der Schulenburg (1427–1469) wurde im Jahre 1448 mit seinen Brüdern Busso und Matthias durch Lehnbrief Erzbischofs Friedrich von Magdeburg zu rechten männlichen Lehen belehnt.
Ritter, kurbrandenburgischer Rat, Stiftshauptmann des Erzstifts Magdeburg, Begründer des älteren Angerner Zweigs. Busso I. entstammte der weißen Linie der Familie von der Schulenburg und war der älteste Sohn des Ritters Fritz I von der Schulenburg (* um 1350, † 1415). Er wurde am 12. April 1414 noch als unmündig erwähnt, galt aber bereits am 15. April 1415 als mündig und war ab 6. August 1424 urkundlich als Ritter belegt. Sein Geburtsjahr lässt sich daher mit einiger Sicherheit auf um 1396 datieren.
Begründer der jüngeren Linie des weißen Stammes – Landeshauptmann der Altmark. Matthias I von der Schulenburg (geb. spätestens 1405 – † zwischen Februar und November 1477) war der jüngste Sohn des Ritters Fritz I von der Schulenburg (Nr. 56).
Bernhard XI. von der Schulenburg (*1475, † vor dem 15. Mai 1502) war ein altmärkischer Adliger des ausgehenden 15. Jahrhunderts und der bedeutendste Vertreter der jüngeren Linie des sogenannten weißen Stammes der Familie von der Schulenburg. Er war der älteste überlebende Sohn des Landeshauptmanns Matthias I. († um 1477) und der Anna von Alvensleben . Er war Herr auf Altenhausen , Angern und Beetzendorf .
Erbe des Ritterguts Angern, kaiserlicher Offizier und Begründer der Angerner Stammlinie. Alexander Friedrich Christoph von der Schulenburg (*5.8.1720, †1801) war der vierte Sohn Heinrich Hartwig I. Er trat das erstmals unter seinem Onkel Christoph Daniel auf die jüngeren Linie vereinigte Rittergut als Majorat an, das durch das Fideikommiss von 1762 gesichert worden war.
Ein früher Reformator, streitbarer Landadliger und Kriegsteilnehmer im Zeitalter der Konfessionalisierung. Als Sohn von Bernhard XI. von der Schulenburg und Enkel von Matthias I , des langjährigen Landeshauptmanns der Altmark, war er ein direkter Erbe der um 1485 befestigten Stellung in Altenhausen , Angern und Beetzendorf und setzte die jüngere Linie des weißen Stamms fort.
Jakob II. von der Schulenburg (*25.03.1515 in Beetzendorf, †1576 in Magdeburg). Leben, Kriegslaufbahn und Besitzpolitik eines altmärkischen Söldnerführers. Jakob II. zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des altmärkischen Adels im 16. Jahrhundert.
Daniel I. Reichsfreiherr von der Schulenburg (* 3. Juni 1538 in Altenhausen ; † 6. November 1594 in Angern ) (Nr. 312 in der Stammtafel) lebte in einer Zeit bedeutender politischer und wirtschaftlicher Umbrüche in der Altmark und im Erzstift Magdeburg . Am 29.09.1577 heiratete Daniel I. Ehrengard von Alten aus dem Hause Wilkenburg (* um 1556, † nach 1611). Aus dieser Verbindung gingen fünf Kinder hervor.
Henning III. von der Schulenburg (*1587, †01.09.1637) war der jüngste Sohn des Daniel I. von der Schulenburg und übernahm nach seinem Tod den Burghof in Angern. Er steht exemplarisch für die komplexe Rolle des niederen Adels im frühneuzeitlichen Brandenburg – zwischen dynastischer Kontinuität, territorialer Zersplitterung und finanzieller Prekarität.
Henning Christoph von der Schulenburg (* 1648 oder 1649 auf Angern , † 27.12.1683 in Staßfurt ) war ein kurbrandenburgischer Hauptmann. Als der älteste Sohn von Heinrich XI. von der Schulenburg (geb. 1621, gest. 1691) und Ilse Floria von der Knesebeck (geb. 1629, gest. 1712) erbte er nach dessen Tod die Güter Angern und Falkenberg .
Heinrich XI von der Schulenburg (* 06.09.1621 auf Angern , + 19.05.1691 in Kehnert ) war Sohn von Henning III. von der Schulenburg und übernahm nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) ein schwer verwüstetes und verschuldetes Erbe auf den Gütern Angern, Kehnert und Schricke. Die Verwüstungen dieses langen Konflikts hatten nicht nur das Land, sondern auch die wirtschaftliche und soziale Struktur Brandenburg‑Preußens nachhaltig erschüttert. In den Jahren nach 1648 begann ein langwieriger Wiederaufbauprozess, der von der Notwendigkeit geprägt war, feudale Strukturen aufzubrechen und zentralisierte, absolutistisch geprägte Verwaltungsinstitutionen zu etablieren – Entwicklungen, die auch den Grundstein für den späteren Aufstieg des preußischen Staates legten.
Christoph Daniel von der Schulenburg (*1679 in Angern, †1763 ebenda) wurde geboren inmitten einer Epoche dynastischer Spannungen im Heiligen Römischen Reich. Er zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des brandenburgisch-preußischen Adels im 18. Jahrhundert. Sein Lebensweg vereint in exemplarischer Weise militärische Laufbahn , diplomatische Missionen und kulturelles Mäzenatentum .
Der letzte Erbe der alten Linie Angern. Heinrich Hartwig I. von der Schulenburg, Sohn von Henning Christoph , war der letzte bedeutende Vertreter der älteren Linie auf dem Rittergut Angern, ehe dieses durch seinen Bruder Christoph Daniel vollständig in der jüngeren Linie des weißen Stammes zusammengeführt wurde. Nach dem frühen Tod seines Vaters trat Heinrich Hartwig als Erbe des Burghofs hervor und bemühte sich in schwieriger Zeit um die wirtschaftliche Konsolidierung des Besitzes. Seine Rolle als Gutsherr, seine Teilnahme am savoyischen Militärdienst sowie seine familiären Verbindungen dokumentieren exemplarisch die Lebensrealität eines altmärkischen Adligen im Übergang vom Dreißigjährigen Krieg zur barocken Neuordnung der Gutswirtschaft.
Friedrich Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 10. Februar 1769 auf Angern; † 16. Mai 1821 in Magdeburg) ist Sohn des Alexander Friedrich Christoph Graf von der Schulenburg .
Edo Friedrich Christoph Daniel , geb. 27.04.1816 in Angern, gest. 06.08.1904 in Angern, wurde 1821 dritter Fideikommissherr auf Angern. Edo war einziger Sohn des Magdeburger Regierungspräsidenten Friedrich Graf v.d. Schulenburg aus dessen zweiter Ehe mit der Tochter des Braunschweigischen Landdrosten, Auguste Luise Adolphine von Cramm. Bei seiner Taufe übernahm König Friedrich Wilhelm III . eine Patenstelle.
Friedrich Wilhelm Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 1843 in Angern; † 1921) war Sohn des Edo Friedrich Christoph Daniel (1816-1904) und der Helene, geb. v. Schöning. Bei seiner Taufe übernahm König Friedrich Wilhelm IV. die Patenstelle.
Sigurd Wilhelm Graf von der Schulenburg (* 1882; † 1956), Sohn des Friedrich Wilhelm Christoph Daniel (1843-1921) war der fünfte und letzte Fideikommissherr auf Angern. Bei seiner Taufe am 5. November 1882 übernahm Kaiser Wilhelm I. eine Patenstelle , wie auch bei seinem Vater, Großvater und Urgroßvater die damals regierenden preußischen Könige Taufpaten gewesen waren.
Kuno Wilhelm Christoph Daniel Graf von der Schulenburg (* 1923 in Magdeburg, † 1987 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Jurist und Mitglied der XXI. Generation der Familie von der Schulenburg. Kuno Wilhelm wurde als einziger Sohn von Sigurd-Wilhelm Graf von der Schulenburg geboren.
Angern

Angern, Sachsen-Anhalt, Landkreis Börde. Heft 20, Berlin 2023 (ISBN: 978-3-910447-06-6).
Alexander Graf von der Schulenburg, Klaus-Henning von Krosigk, Sibylle Badstübner-Gröger.
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft e.V.
Umfang: 36 Seiten, 59 Abbildungen.