Das Geschlecht derer von der Schulenburg ist eines der ältesten Adelsgeschlechter Deutschlands, dessen Wurzeln bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen.
Die Angernsche Dorfordnung im Spiegel der Magdeburgischen Polizeiordnung: Ein Beispiel adliger Herrschaftspraxis im 18. Jahrhundert. Als Ausdruck eines frühabsolutistischen Staatsverständnisses sah sich der Landesherr verpflichtet, das „gemeine Beste“ durch strikte Ordnung und Kontrolle zu sichern[1]. In zahlreichen Adelsdörfern – wie im Fall von Angern – diente die Magdeburgische Polizeiordnung als rechtliche Grundlage oder zumindest als Vorbild für lokale Dorf- und Gerichtsordnungen, die unter dem Namen des jeweiligen Gerichtsherrn konkretisiert wurden.
Patrimonialgerichtsbarkeit im frühneuzeitlichen Brandenburg-Preußen: Struktur, Praxis und Herrschaftsanspruch. Die Patrimonialgerichtsbarkeit war ein zentrales Element adliger Herrschaft im frühneuzeitlichen Heiligen Römischen Reich und überdauerte in manchen Regionen bis in das 19. Jahrhundert. Insbesondere im Kurfürstentum Brandenburg und späteren Königreich Preußen stellte sie ein wesentliches Bindeglied zwischen Grundherrschaft, ländlicher Verwaltung und Rechtsprechung dar. Anhand des umfangreichen Quellenbestandes im Gutsarchiv Angern (Bestand H 13), insbesondere der Dorfordnung (Nr. 139), der Gerichtsprotokolle (Nr. 125–126), der Scharfrichterverträge (Nr. 122–124) und der Hut- und Triftsachen (Nr. 155–158), lässt sich die konkrete Ausgestaltung dieser Herrschaftsform exemplarisch rekonstruieren.
Christoph Daniel von der Schulenburg (1679–1763), königlich-sardinischer General und preußischer Majoratsherr, zählt zu den prägenden Gestalten des 18. Jahrhunderts in der mitteldeutschen Adelslandschaft. Sein Einfluss auf die Entwicklung des Gutes Angern wie auch auf die Verwaltungspraxis des Landadels lässt sich anhand zahlreicher Quellen aus dem Bestand H 13 (Gutsarchiv Angern) rekonstruieren. Die archivalische Überlieferung erlaubt nicht nur Einblicke in seine ökonomischen und administrativen Maßnahmen, sondern auch in familiäre Netzwerke, testamentarische Verfügungsmacht und landesherrliche Kommunikation.
Essay: Christoph Daniel von der Schulenburg – Ein streitbarer Machtmensch, der mit Härte gegenüber Gemeinden und Nachbarn vorging
Christoph Daniel von der Schulenburg (1679–1763) war nicht nur ein erfolgreicher General im Dienst des Königreichs Sardinien, sondern auch ein streitbarer Gutsherr mit ausgeprägtem Machtbewusstsein. Seine Rolle im Wiederaufbau und in der Konsolidierung des Gutsbesitzes Angern zeigt ihn als resoluten Verfechter adeliger Vorrechte, der Konflikte nicht scheute und seine Herrschaftsansprüche mit juristischer und administrativer Konsequenz durchsetzte.
Nach der Rückkehr aus dem Militärdienst nutzte Christoph Daniel seine Ressourcen und politische Vernetzung, um das zersplitterte Familiengut Angern durch gezielte Ankäufe zwischen 1734 und 1738 wieder in eine Hand zu bringen. Noch zu Lebzeiten errichtete er 1762 ein Fideikommiss, das den Gutsbesitz dauerhaft binden sollte. Doch diese Besitzkonzentration erfolgte nicht konfliktfrei. Eine Vielzahl von Akten im Gutsarchiv Angern (Bestand H 13) dokumentiert, dass Christoph Daniel in zahlreiche Rechtsstreitigkeiten mit benachbarten Gemeinden und Adelsfamilien verwickelt war.
Insbesondere die Gemeinde Angern geriet häufig mit dem Gutsherrn aneinander. So klagte sie 1745 gegen von der Schulenburg wegen der sogenannten Pertinenzien (H 13, Nr. 36), woraufhin eine Kette von Prozessen folgte, die von Weiderechten, der Nutzung von Wegen, der Verweigerung von Baudiensten bis hin zur Beschwerde über Amtshandlungen des Oberamtmanns Croon reichte (u.a. H 13, Nr. 38, 39, 275–281). Christoph Daniel verteidigte in all diesen Fällen mit Nachdruck die herrschaftliche Verfügungsgewalt über Land, Wege und Dienstleistungen seiner Untertanen. Dass er dabei nicht selten die Untertanen kollektiv verklagte, zeugt von einem autoritären Herrschaftsverständnis, das wenig Raum für Partizipation oder gütliche Einigung ließ.
Ein zentraler Akteur in der Bau- und Verwaltungsgeschichte des Schlosses Angern war der Sekretär und spätere Oberamtmann Croon. Der Titel „Oberamtmann“ bezeichnete im 18. Jahrhundert eine leitende Verwaltungs- und Justizposition auf einem adeligen Gut, die typischerweise mit der Ausübung der Gerichtsbarkeit und der Aufsicht über die Untertanen verbunden war. Ursprünglich mit der Bauaufsicht während der Errichtung der barocken Dreiflügelanlage betraut, erscheint er auch mehrfach in den Gerichtsakten des Gutsarchivs. So wird er in mehreren Verfahren zwischen der Gemeinde Angern und dem Gutsherrn Christoph Daniel von der Schulenburg explizit genannt, etwa im Kontext von Beschwerden über seine Amtshandlungen (Gutsarchiv Angern, Rep. H 13, Nr. 38, 39, 275–281). Diese Akten zeugen davon, dass Croon nicht nur für administrative Aufgaben verantwortlich war, sondern auch eine aktive Rolle in der Ausübung der Patrimonialgerichtsbarkeit spielte. Als Oberamtmann agierte er somit an der Schnittstelle von Bauleitung, Gutsherrschaft und ländlicher Rechtsordnung, was seine besondere Stellung innerhalb der Herrschaftsstruktur des 18. Jahrhunderts unterstreicht.
Ein zentrales Instrument seiner Macht war dabei die Patrimonialgerichtsbarkeit, die ihm als adligem Grundherrn zustand. Diese Form der privaten Gerichtsbarkeit ermächtigte ihn, auf seinen Gütern die niedere und teilweise auch höhere Gerichtsbarkeit selbst auszuüben. Christoph Daniel war damit nicht nur Grundherr, sondern auch Gerichtsherr – er ernannte die Gerichtspersonen, setzte Gerichtshalter ein (vgl. H 13, Nr. 115), überwachte die Rechtsprechung (Nr. 118–119) und nutzte die Gerichte, um seine Interessen direkt gegen seine Untertanen durchzusetzen. In vielen Fällen war er gleichzeitig Kläger, Oberrichter und Vollstrecker. Diese strukturelle Vormachtstellung erklärt die Vielzahl gerichtlicher Auseinandersetzungen, die nicht nur Ausdruck individueller Konflikte, sondern ein Mittel bewusster Herrschaftsausübung waren.
Doch nicht nur gegenüber den Gemeinden, auch gegenüber Adelsnachbarn zeigte Christoph Daniel eine harte Haltung. So stritt er sich mit den von Alvensleben um Fischereirechte in der alten Elbe (H 13, Nr. 88–90), um Zwangsrechte beim Bierverkauf (H 13, Nr. 43) und um den Wiederkauf des Dorfes Niendorf (H 13, Nr. 47–48). Diese Konflikte zeigen, dass von der Schulenburg bereit war, selbst in traditionellen Standesbeziehungen keine Rücksicht walten zu lassen, wenn es um die Ausweitung oder Verteidigung seiner Rechte ging.
Die Summe dieser Auseinandersetzungen zeichnet das Bild eines Gutsherrn, der in der barocken Ordnung zwar verwurzelt, aber keineswegs passiv war. Vielmehr nutzte Christoph Daniel gezielt die Rechtswege seiner Zeit, die er dank juristischer Bildung und effizienter Verwaltungsstruktur für sich zu nutzen wusste. In einer Zeit zunehmender Ökonomisierung des Adelsbesitzes erscheint sein Vorgehen als Ausdruck eines rational durchkalkulierten Machtanspruchs, der keine Widersprüche duldete.
Christoph Daniel von der Schulenburg bleibt somit nicht nur als Bauherr und Stifter des Fideikommisses in Erinnerung, sondern auch als streitbarer Machtmensch, der mit juristischer Akribie und patriarchaler Härte gegenüber Gemeinden und Standesgenossen vorging. Diese Seite seines Wirkens ist ein Schlüssel zum Verständnis der adligen Gutsherrschaft im 18. Jahrhundert – zwischen Repräsentation, Kontrolle und Konflikt.
Der Zusammenbruch des Dritten Reichs ist einer der zentralen historischen Bezugspunkte im Tagebuch von Graf Sigurd Wilhelm Christoph Daniel von der Schulenburg-Angern. Seine Schilderungen und Reflexionen bieten einen tiefen Einblick in die Wahrnehmung dieses epochalen Umbruchs aus Sicht eines konservativen, christlich geprägten Adligen im Mai 1945. Der Tagebuchtext ist ein außergewöhnliches Beispiel für eine konservative, religiös durchdrungene Deutung des Zusammenbruchs des Dritten Reichs. Sigurd verurteilt das NS-Regime als gottlos, moralisch verwerflich und letztlich zerstörerisch für das deutsche Volk. Er betrachtet den 8. Mai 1945 nicht als totale Niederlage, sondern als göttlich gelenkten Wendepunkt – eine Haltung, die im unmittelbaren Nachkriegsdeutschland nicht selbstverständlich war.
Zwischen Lazarett und Heimatverlust. Nach seiner Rückkehr aus amerikanischer Internierung am 21. Mai 1945 fand Sigurd von der Schulenburg das Schloss Angern in einem Zustand vor, der das gesamte Ausmaß der kriegsbedingten Umwälzungen widerspiegelte. In den letzten Kriegsmonaten und unmittelbar nach der Kapitulation am 8. Mai 1945 war das Herrenhaus – wie viele adlige Gutsbesitze in Mitteldeutschland – militärisch und zivil umfunktioniert worden: Es diente als Lazarett für verwundete deutsche Kriegsgefangene, anschließend als ziviles Krankenhaus mit einer Frauenklinik (es wurden dort mehrere Kinder geboren, drei Frauen starben), und als Unterkunft für ausgebombte Zivilisten und Evakuierte.
Zwischen Hoffnung, Kontrollverlust und Angst. Das Jahr 1945 markiert einen tiefgreifenden Wendepunkt in der deutschen Geschichte. Das Ende des Zweiten Weltkriegs bringt nicht nur militärische Niederlage, sondern auch einen politischen und gesellschaftlichen Umbruch mit sich. Im Mittelpunkt dieser Publikation steht das Dorf Angern in der Altmark und insbesondere das Tagebuch von Sigurd Wilhelm Christoph Daniel Graf von der Schulenburg, letzter Fideikommissherr auf Schloss Angern. Seine Aufzeichnungen zwischen Mai und August 1945 geben einen authentischen Einblick in die Erfahrungen der Besatzungszeit, den Wechsel der Machtverhältnisse und die tiefgreifenden psychologischen Auswirkungen auf die dort lebende Bevölkerung.
Zwischen Furcht und Fassung. Besonders eindrücklich schildert das Tagebuch den Umgang mit der heranrückenden Roten Armee – zwischen tief verwurzelter Angst, beobachteter Realität und ideologisch-religiös geprägten Deutungsmustern. Das Tagebuch des Grafen Sigurd Wilhelm Christoph Daniel von der Schulenburg aus dem Jahr 1945 (Gutsarchiv Angern) dokumentiert ein ambivalentes Erleben der sowjetischen Besatzung. Zwischen tiefer Angst und beobachteter Zurückhaltung, zwischen individueller Erleichterung und kollektiver Verzweiflung, entwickelt sich ein Spannungsfeld, das für viele Menschen in der SBZ typisch war. Das persönliche Zeugnis des Grafen von der Schulenburg ist dabei nicht nur ein historisches Dokument, sondern auch ein Spiegel des inneren Ringens einer untergehenden gesellschaftlichen Ordnung mit einer neuen, fremden Macht.
Das Gutsarchiv Angern bewahrt als einzigartiges Quellenensemble die wirtschaftliche, soziale und administrative Geschichte des Ritterguts über mehrere Jahrhunderte hinweg – vom barocken Kammergut bis zur Auflösung nach 1945.
Das Tagebuch von Sigurd Wilhelm Christoph Daniel Graf von der Schulenburg aus dem Jahr 1945 dokumentiert mit persönlicher Eindringlichkeit den Zusammenbruch der alten Ordnung, das Kriegsende in Angern und den Beginn eines Lebens im sowjetischen Exil.
Die Bibliothek des preußischen Generalfeldmarschalls Christoph Daniel von der Schulenburg im Schloss Angern war ein strategisch kuratierter Bildungskanon, der militärisches Wissen, politische Theorie und moralphilosophische Reflexion zum intellektuellen Fundament adeliger Selbstvergewisserung im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus verband.
Das Garderobeninventar des Generals Christoph Daniel von der Schulenburg von 1752 ist ein einzigartiges Zeugnis barocker Besitz- und Ordnungskultur im mitteldeutschen Adel, das durch seine außergewöhnliche Detailliertheit nicht nur die materielle Lebenswelt eines hochrangigen Offiziers dokumentiert, sondern zugleich den Übergang von höfischer Repräsentation zu aufgeklärter Rationalität sichtbar macht und vielfältige Einblicke in die sozialen, kulturellen und funktionalen Strukturen adeliger Lebensführung bietet.